Sitzung vom 3. November 1909 Wenn die Wilmersdorfer Intereſſen dabei einen gewiſſen fiskaliſchen Stützpunkt durch Dahlem bekommen haben — um ſo ſchlimmer! Aber wir wiſſen doch, wie der Fiskus in Dahlem arbeitet. Meine Herren, es liegt eine Reihe von Jahren zurück; als Dahlem aufgeſchloſſen werden ſollte, da bemerkte ich einem hohen Miniſterialbeamten gegenüber: das iſt ſehr erfreulich, da wird jedenfalls der Fiskus in Dahlem der Großſtadt zeigen, wie man großzügige Wohnungspolitit treibt. Meine Herren, was wurde mir darauf erwidert? „Woöh⸗ nungspolitit? Geld wollen wir verdienen!“ (Lebhaftes Hört, hört!)/, Meine Herren, däs zeigt ſich in der anzen Er⸗ ſchließung von Dahlem, das zeigt auch jetzt wieder das Land wirtſchaftsminiſterium, indem es ſich hinter Wilmersdorf ſteckt. Aber ich glaube, daß man ſchließlich doch mit einer derartigen kleinlichen Politik Schiffbruch leiden muß. Nun auch noch eine Bemerkung über die Frage, ob es notwendig war, die hiſtoriſche Entwicklung hier darzulegen. Meine Herren, unbedingt not⸗ wendig war es, und zwar mit Rückſicht darauf, daß möglicherweiſe das Verfahren doch noch weiter geführt werden muß! Gerade mit Rückſicht auf dieſes Verfahren ſoll und muß vor der Offent⸗ lichkeit feſtgeſtellt werden, daß Charlottenburg auch nicht im entfernteſten etwas getan hat, was die allgemeinen Intereſſen geſchädigt hat, (Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Sehr gut!) ſondern daß Charlottenburg in der Verfolgung ſeiner Ziele weſentlich ſich auch vom Standpunkt der allgemeinen Intereſſen hat leiten laſſen. Daß es daneben ſelbſtverſtändlich auch an Charlotten⸗ burgs Intereſſen gedacht hat, meine Herren, das iſt ſo ſelbſtverſtändlich, daß darüber doch gar kein Wort zu verlieren iſt. Alſo ich muß ſagen, daß ich dieſe eingehenden Darlegungen des Herrn Refe⸗ renten über die hiſtoriſche Entwicklung ganz außer⸗ ordentlich begrüßt habe, vor allen Dingen auch die Ausführungen des Herrn Referenten über die Art und Weiſe, wie Wilmersdorf es Charlotten⸗ burg unmöglich gemacht hat, faſt drei Wochen hindurch, überhaupt zu verhandeln! Meine Herren, wir reden über die Regierung, wir werfen mit Steinen gegen die Regierung, wir beklagen uns über Eingriffe in die Selbſtverwaltung; meine Herren, es iſt geradezu unerhört, wie Wilmersdorf die Selbſtverwaltung preisgegeben hat; (Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Bravo!) wie Wilmersdorf ſeinerzeit Charlottenburg nicht die Hand entgegengeſtreckt hat, um zu einer güt⸗ lichen Entſcheidung zu kommen; wie Wilmersdorf Charlottenburg provoziert hat, die behördlichen Inſtanzen anzurufen! Das iſt eine ſchlechte Wah⸗ rung der Selbſtverwaltung, wenn man die Ge⸗ ſchäfte der Stadt ſo führt, daß die höheren Inſtanzen eingreifen müſſen, daß die Bürgerſchaften nicht ſelbſt ſich verſtändigen können, ſondern erſt der Polizeipräſident und der Herr Miniſter, die höheren Inſtanzen eingreifen müſſen. Wie gut aber die Haltung Charlottenburgs in allen dieſen Fällen geweſen iſt, dafür iſt für mich Beweis, daß im letzten Augenblick doch noch der Miniſter Stellung ge⸗ nommen hat zugunſten Charlottenburgs gegen Wilmersdorf. Ich kann mir denken, daß es dem Miniſter ſchwer angekommen iſt, und daß er wahr⸗ ſcheinlich manchen Strauß mit den Kollegen im Miniſterium auszuſtehen gehabt hat. 465 Dann noch, meine Herren, ein Wort zur Ausſchußſitzung. Wenn der Herr Kollege Hirſch recht hat, wenn er ſagt: was wollen wir mit der Ausſchußſitzung, dieſe Ausſchußſitzuug iſt eine Art Geheimſitzung, was wir in der Aus⸗ ſchußſitzung erklären, gehört vor die 14. Offentlichkeit, — ja, Herr Kollege Hirſch, wenn das richtig iſt, was Sie hier geſagt haben — nun, erſtens wiſſen Sie noch gar nicht, was vorgebracht wird, zweitens können Sie dasſelbe gegen die meiſten 4 . einwenden. (Sehr richtig!) es iſt doch ein offendiches Geheimnis, daß in den Ausſchußſitzungen manche Mitteilungen erfolgen, 40 nicht für die Offentlichkeit beſtimmt ſind. (Stadtv. Hirſch: Hier nicht ) — Hier wollen Sie es nicht? Sie wiſſen ja noch gar nicht, was hier vorgetragen werden wird! Und im übrigen warten Sie doch ab, was für Mitteilungen in der Ausſchußſitzung gemacht werden. Der Herr Oberbürgermeiſter hat vollkommen Recht, wenn er ſagt: Verurteilen Sie den Magiſtrat doch nicht ſofort, hören Sie ihn doch erſt an; das was der Magiſtrat zu ſagen hat, wird er in der Ausſchuß⸗ ſitzung mitteilen. Meine Herren, ich muß geſtehen, daß ich dieſes Verhalten, dieſe Verwahrung gegen die Ausſchußſitzung abſolut nicht verſtehe, daß ich es gar nicht begreifen kann. Sie haben heute gehört — d. h. Sie brauchten es ja gar nicht erſt heut zu hören, das weiß ja doch jeder —, daß wir uns augenblicklich in einer ſehr ernſten Stunde befinden, daß in dieſer Stadtverordnetenſitzung Verkehrs⸗ fragen von der allergrößten Bedeutung ihre Löſung finden ſollen — und in dieſem Augenblick wollen Sie dem Magiſtrat die Ausſchußſitzung verſagen, da wollen Sie ihm nicht die Gelegenheit geben, in der Ausſchußſitzung mit den Stadtverordneten ſich offen über die Lage auszuſprechen? Es bleibt Ihnen ja ſelbſtverſtändlich nachher vollkommen unbenommen, dagegen zu ſprechen, Sie können ja Ihr Verhalten nach dem einrichten, was Sie in der Ausſchußſitzung vernehmen; aber jetzt von vornherein Stellung gegen die Ausſchußſitzung zu nehmen und zu ſagen: die wollen wir nicht — das geht nicht! Vielleicht wäre ein Ausweg ge⸗ weſen: erſte und zweite Leſung. Aber, meine Herren, wir haben in der erſten Leſung keine Abſtimmung. (Stadtv. Hirſch: Haben Sie ja nachher!) — Ja, meine Herren, mit einer zweiten Leſung iſt uns nicht gedient; denn wir kommen in der erſten Leſung zu keiner Abſtimmung. (Stadv. Hirſch: Heute die zweite Leſung!) Wenn Ihnen aber vom Magiſtrat geſagt wird, daß er den größten Wert darauf legt, in einer Ausſchußſitzung Ihnen die Mitteilung zu machen, — nun, Sie können doch wenigſtens die Mitteilungen entgegennehmen! Über die Ausſchußſitzung wird im Plenum Bericht erſtattet werden. Selbſt⸗ verſtändlich, jeder, der über die Verantwortung ſich klar iſt — und das iſt ja jeder von uns —, die er in dieſer Stunde zu tragen hat, weiß, daß er vor einer ſchwerwiegenden Entſchließung ſteht; er weiß auch ganz genau, daß er, wenn er der Vorlage oder wenigſtens dieſen Vorſchlägen des Magiſtrats zuſtimmt, dann eine ſehr weit gehende Verant⸗ wortung übernimmt. Es iſt geſagt: wir ſollen nicht überſtürzen. Die Eile liegt aber in der Natur der Verhältniſſe; wir können nichts dafür, ſondern wir müſſen uns