468 — Nein, Sie haben geſagt: wir handeln ſehr inkonſequent, denn wir ſeien erſt für den Bahnbau geweſen, und jetzt ſeien wir gegen den Bau dieſes Torſo. Ja, Herr Kollege Crüger, wofür wir erſt geſtimmt haben, war ein ganz anderes Ding, als was jetzt vorgelegt iſt, die jetzige Vorlage hat damit gar nichts mehr zu tun! Erſt handelte es ſich um ein Bahnprojekt, von dem ja auch noch ausſtand, ob die Bahn in eigener Regie durchgeführt wird, oder ob ſie durch die untergrundbahngeſeſchaft gebaut und betrieben werden ſoll, und trotzdem haben wir für dieſes Projekt geſtimmt, weil wir uns haben überzeugen laſſen müſſen, daß der An⸗ ſchluß vom Nollendorfplatz über den Wittenberg⸗ platz nach dem Kurfürſtendamm ünd durch dieſ Neue Kantſtraße ein ſehr ertragreiches Terruin für Charlottenburg noch erſchließen kann. Damals war auch die ganze Stadtverordnetenverfammlung be⸗ geiſtert für dieſes Projekt. Ob ſie es jetzt noch ſein kann, dürfte dahin ſtehen. Und dann ſind es auch noch andere Gründe, aus denen ich gegen die heutige Vorlage bin. Ich erinnere Sie daran, daß es bisher immer geheißen hat: eine ſechsgleiſige Gleisanlage am Wittenbergplatz ſei ein techniſches Unding. Als das erſtemal der Vorſchlag des Miniſters bekannt geworden war, war man auch im Magiſtrat der Anſicht: darauf können wir uns nun und nimmer einlaſſen, denn Charlottenburg käme ja mit ſeiner Linie ganz ungünſtig zu liegen, wir dürften dazu niemals unſere Zuſtimmung geben. Jetzt wird uns das als die einzige Möglichkeit noch dargeſtellt, durch die wir zu einer Einigung kommen können. (Zurufe und Unruhe. — Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher⸗ Stellv. Dr. Hubatſch: Meine Herren, der Redner iſt nicht zu verſtehen. Ich bitte um Ruhe. Stadtv. Zietſch (fortfahrend): Damals hat es auch geheißen: wenn die Anſchlußſtrecke von der Wilmersdorfer Bahn nicht wenigſtens von der Uhlandſtraße aus vorgenommen werde, dann hätte auch die ganze Kurfürſtendammlinie für uns keinen Zweck, denn ſie würde erſt rentabel dadurch, daß der Wilmersdorfer Verkehr den Kurfürſtendamm bis zur Uhlandſtraße — früher ſogar bis zur Leibniz⸗ ſtraße — benutzen würde. Jetzt ſoll ſogar dieſer Stummel vom Wittenbergplatz bis zur Uhland⸗ ſtraße rentabel gemacht werden! Ich meine, das Projekt, das wir jetzt erlangen, würden wir auch mit und ohne Wilmersdorf bekommen. Uns hätte nichts anderes geholfen, als daß der Magiſtrat ſofort, als die erſten Quertreibereien auftauchten, an die Offentlichkeit gegangen wäre, und Sie ſehen ja, nachdem unſer Rat damals nicht befolgt iſt, was daraus hervorgewachſen iſt. Selbſt das Berliner Tageblatt, das ſonſt gut unterrichtet ſein will, hat in ganz unglaublicher Weiſe gegen die Intereſſen Charlottenburgs Stellung genommen, hat alles von unten nach oben gekehrt, was Char⸗ lottenburg eigentlich gewollt hat, und hat ſo die Offentlichkeit irregeleitet über das, was wir eigent⸗ lich bezwecken und wollen. Und durch dieſe irre⸗ leitenden Artikel im Berliner Tageblatt iſt zum guten Teile der Eindruck erweckt worden, als ob Charlottenburg jede Entwickelungsmöglichteit von Wilmersdorf unterbinden wollte. Wenn wir gleich an die Offentlichkeit gegangen wären und hätten geſchildert, was urſprünglich geplant war, dann Sitzung vom 3. November 1909 hätten alle dieſe irrigen Meinungen nicht auf⸗ tauchen können, dann hätte auch die Regierung nicht auf dem Standpuntt feben, 42 wie es heute der Fall iſt. (Zuruf.) Und, Herr Kollege Otto, wenn die 4 53 0 7 noch vor etwas Reſpett hat — viel Reſpett hat ſie ja nicht —, dann iſt es vor der öffentlichen einung. Wir hätten viel eher, die Flucht in die Offentlichteit antreten ſollen, nicht erſt vor einigen Wochen. Wäre man eher an die Offentlichkeit getreten und hätte darauf hingewieſen, daß das Selbſtverwaltungsrecht hier mit Füßen getreten und ganz auf den Hund gebracht wird, dann hätte ſich vielleicht in ganz Deutſchland ein Zug dagegen bemerkbar gemacht, dann 1 auch das Landwirt⸗ 74 nicht einen Standpunkt auf⸗ rechterhalten können. Darum glaube ich, daß es das Beſte iſt, es auch jetzt noch auf die Konſequenzen ankommen zu laſſen. Ein derartiger Vertrag, wie er hier pro⸗ poniert wird, liegt nicht im Intereſſe Charlotten⸗ burgs. Und wenn der Oberbürgermeiſter von Charlottenburg mit ſo lebhaften Worten an die Größe des Momentes appelliert hat, ſo ſtimme ich dem bei: es handelt ſich um einen bedeutenden Moment in der Entwicklung Charlottenburgs; denn jetzt handelt es ſich darum, daß das Selbſt⸗ verwaltungsrecht der Gemeinde gegenüber der Regierung vertreten wird. Herr Kollege Crüger hat geſagt, Wilmersdorf habe das Selbſtverwaltungsrecht mit Füßen ge⸗ treten. Wie kommt es denn, daß Wilmersdorf das alles aufgegeben hat im Intereſſe der Re⸗ gierung, was gerade die Gemeinden emporhalten ſollten? Ich führe das darauf zurück, daß eine ſehr geſunde Oppoſition in der Wilmersdorfer Stadt⸗ verrodnetenverſammlung fehlt; daß derſelben nicht ein Sozialdemokrat angehört (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten. —Zuruf Dahlem!) — Nun, in Dahlem, wohin nur Millionäre ziehen werden, wird es wohl noch viel trauriger werden als in Wilmersdorf. (Heiterkeit.) Ich ſchließe mich den Ausführungen meines Freundes Hirſch an, daß wir es auf die Konſe⸗ quenzen ankommen laſſen ſollen. Die Regierung ſoll fortſetzen, was ſie begonnen hat! Sie ſoll es einmal wagen, das Selbſtverwaltungsrecht einer der größten Gemeinden Preußens, wie Charlottenburg, ganz und gar mit Füßen zu treten! Ich glaube, daß aus dieſem Vorgehen der Regierung dann vielleicht die Einigkeit der Gemeinden um Berlin emporblühen könnte, und wenn das der Fall iſt, dann würden wir der Regierung noch danken können; denn ſie hätte ſich dann einmal bewieſen als ein Teil von jener Kraft, die ſtets das Böſe will und doch das Gute ſchafft. (Bravo! bei den Sozialdemokraten und eimigen Liberalen.) (Ein Antrag auf Schluß der Beratung wird angenommen. Der Berichterſtatter r. A das Schlußwort.) Stadto. Hirſch (perſönliche Bemerkung): Meine Herren, ich lege Wert darauf, feſtzuſtellen, daß Herr Kollege Crüger meine Ausführungen bezüglich des Kurfürſtendamms vollkommen mißverſtanden