484 gefaßt worden ſind, muß ich um die Erlaubnis bitten, den ablehnenden Standpunkt etwas ein⸗ gehender zu begründen. Meine Herren, an ſich haben wir zweifellos keine Urſache, prinzipiell gegen eine Ver⸗ ſtadtlichung der Verſicherung zu ſein. Eine Ver⸗ ſtadtlichung kann am eheſten dort am Platze ſein, wo eine Beſchränkung des freien Wettbewerbs dadurch nicht eintritt, wo ohnehin eine gewiſſe Monopolbildung vorhanden iſt. Eine Monopol⸗ bildung iſt in der Verſicherungsbranche unleugbar vorhanden, und, wie geſagt, von dieſem Geſichts⸗ punkt würden Bedenken gegen eine Verſtadtlichung der Verſicherung nicht vorliegen. Aber daraus, daß keine prinzipiellen Bedenken gegen die Verſtadtlichung beſtehen, iſt natürlich noch bei weitem nicht der Schluß zu ziehen, daß wir für die Verſtadtlichung einzutreten haben. Das würde vielmehr nur der Fall ſein, wenn entweder ein allgemeines öffentliches oder ein pekuniäres, finanzielles Intereſſe der Stadt dafür ſpräche. Ein öffentliches Intereſſe, wie es etwa vorhanden iſt für die Verſtadtlichung von Verkehrsmitteln und dergleichen Einrichtungen, fehlt hier unſtreitig. Denn daß bei den Verſiche⸗ rungsgeſellſchaften die Städte in bezug auf die Geltendmachung ihrer Rechte ſchlecht wegkommen, wird von niemandem behauptet. Doch auch was die rein finanzielle Seite anlangt, ſo ſind wir in der Mehrheit unſerer Fraktion der Überzeugung, daß, ſelbſt wenn man den Berechnungen des Ausſchuſſes folgen wollte, man nicht dazu kommen könnte, zu ſagen: hier winkt ein großer materieller Vorteil, um deſſentwillen es ſich lohnt, die Verſicherung bei Verſicherungsgeſellſchaften aufzugeben und zur Selbſtverſicherung überzugehen. (Sehr richtig!) Meine Herren, nach den Erfahrungen der letzten 10 Jahre, in denen, wie ja wohl unzweifelhaft iſt, größere Feuerſchäden nicht entſtanden ſind, iſt nach dem Berichte des Magiſtrats ein durch⸗ ſchnittlicher Uberſchuß der von uns gezahlten Ver⸗ ſicherungsſumme über die an uns herausgezahlten Brandentſchädigungen von 4 809 ℳ im jährlichen Durchſchnitt herausgekommen. Nach der Be⸗ rechnung der Geſellſchaften, die ſich auch bei den Akten findet, iſt der Betrag ſogar noch geringer; die Differenz bezieht ſich auf die letzten drei Viertel⸗ jahre, für die der Magiſtrat bereits die volle Ver⸗ ſicherungsſumme als verbraucht anſetzt, während die Verſicherungen erklären, daß dieſe Zeit noch nicht herangezogen werden könnte, weil dafür die Entſchädigungen noch nicht verrechnet ſind. Nebenbei bemerkt haben die Verſicherungsgeſell⸗ ſchaften nach meiner Auffaſſung dabei recht; denn gerade in der Zeit iſt wohl noch ein Schaden von 8 000 oder 9 000 ℳ durch die Exploſion in der Gasanſtalt entſtanden. Aber das iſt ja neben⸗ ſächlich. Wenn wir uns ſogar ohne weiteres auf den Boden der Berechnungen des Magiſtrats ſtellen, dann bleibt immer der Betrag von 4 809 ℳ jährlich gegenüber der Summe von 54 Millionen der Verſicherungswerte ein ſo geringfügiger, daß ſeine Erſparnis ein Bedüfnis für eine doch in jedem Falle mit einer Vergrößerung des Riſikos verbun⸗ dene Veränderung der bisherigen bewährten Praxis der Stadt Charlottenburg nicht begründet, zumal dieſer Erſparnis unter allen Umſtänden gewiſſe Sitzung vom 10. November 1909 Speſen durch die bei der Selbſtverſicherung not⸗ wendige Vermehrung unſerer Beamtenſchaft gegen⸗ überſtänden. (Sehr richtig!) Nun kommt aber hinzu, daß die Auffaſſung des Ausſchuſſes über das Riſiko eine ganz gewaltige Lücke hat. Der Ausſchuß arbeitet mit Durch⸗ ſchnittszahlen; aber ſo wertvoll auch die Statiſtik iſt, ſo hilft hier doch nichts hinweg über die rein tat⸗ ſächliche Feſtſtellung, daß keine Garantie für die Maximalhöhe des Schadens übernommen werden kann, daß ein großes Unglück alle Berechnungen über den Haufen werfen und auf einmal einen Verluſt herbeiführen kann, der außer Verhältnis zu den Beträgen ſteht, die wir durch die Selbſt⸗ verſicherung erſparen würden. (Sehr richtig!) Meine Herren, um einige Objekte zu würdigen, die wir zu verſichern haben, darf ich Sie nur darauf hinweiſen, daß unſere beiden Gasanſtalten mit 12 Millionen, unſer Elektrizitätswerk mit 7 ½ Millionen — überall die runden Zahlen ge⸗ nommen —,unſer Schillertheater mit 1 ½ Millionen, das Rathaus mit 3½ Millionen verſichert iſt, daß wir 25 Einzelriſiken mit mehr als 5 ½ Millionen verſichert haben. Meine Herren, jedes der von mir erwähnten Riſiken würde, wenn auch nicht das Ganze, ſondern auch nur ein erheblicher Teil davon durch einen unerwarteten Unglücksfall ver⸗ nichtet würde, die Erſparniſſe auf Jahre hinaus nicht nur aufwiegen, ſondern darüber hinaus eine Lücke in unſerem Finanzſäckel herbeiführen. (Sehr richtig!) Nun allerdings finden wir bei den Akten das Gutachten des Herrn Branddirektors, das davon ausgeht, daß eine derartige Gefahr der Vernichtung größerer Objekte nicht beſtände durch die guten Einrichtungen, die bei uns getroffen ſind. Wir haben großes Vertrauen zu der Güte dieſer Ein⸗ richtungen, und wir freuen uns beſonders, daß der Herr Branddirektor ſeinerſeits dieſes Ver⸗ trauen dank ſeiner beſondern Sachkunde hat; aber, meine Herren, trotzdem kann uns dieſes Gutachten des Herrn Branddirektors als maß⸗ geblich nicht erſcheinen, (ſehr richtig!) und am allerwenigſten kann das der Fall ſein, wenn wir am Schluſſe ſeines erſten Gutachtens leſen: Ich bin überzeugt, daß die für die Gas⸗ anſtalt jetzt allein gezahlte hohe Prämie ausreichen wird, um alle Brandſchäden zu decken, und kann mich daher nur für gänzliche Selbſtverſicherung ausſprechen, und wenn wir zwei Seiten ſpäter in dem Bericht des Magiſtratsausſchuſſes finden, daß die beiden Verwaltungen der Gasanſtalten und des Elek⸗ trizitätswerks an Brandentſchädigung mehr er⸗ halten haben, als ſie Prämie gezahlt haben! Meine Herren, ſo vorzüglich auch die Einrichtung einer Feuerwehr ſein mag, ein gewaltiges Unglück läßt ſich ſchlechterdings nicht ausſchließen, wo man mit unberechenbaren Gewalten zu tun hat, und wir finden die Beſtätigung dafür in den großen Feuern, die Berlin zu verzeichnen hatte — ich erinnere an den Brand des Viktoria⸗Speichers mit einer Million Schaden, an den Brand der Garniſonkirche mit einer halben Million Schaden und an den Brand der Michaeliskirche in Hamburg, wo ein Schaden von 1 ½ Millionen entſtanden iſt. (Zuruf: Alte Gebäude!)