Sitzung vom 10. November 1909 In allen dieſen Fällen haben die einheimiſchen Feuerwehren ſicherlich genau auf dem Standpunkt geſtanden wie die unſrige, daß durch ihre Ein⸗ richtungen jedes Feuer im Anfang erſtickt werden muß, und ich kann mir nicht helfen: bei derartigen ſicheren Vorausſagen kommt mir immer ins Ge⸗ dächtnis, wie ſeinerzeit bei dem Pariſer Untergrund⸗ bahnunglück von unſerer Hoch⸗ und Untergrundbahn die Erklärung abgegeben worden iſt, bei uns in Berlin ſei ein Unglück in ihrem Betriebe vollſtändig unmöglich — und wie nicht lange darauf das ſchreckliche Unglück ſtattfand. 2 (Sehr richtig!) Meine Herren, wenn nun ein Unglück paſſiert, wenn dieſer traurige Fall eintritt, dann ſind wir bei der bisherigen Art der Verſicherung — das iſt ja ganz ſelbſtverſtändlich — völlig gedeckt, durch 8 oder 10 Verſicherungsgeſellſchaften mit ungezählten Millionenfonds, mit einem groß⸗ artigen Syſtem der Rückverſicherung. Ohne ſolche Verſicherung aber würden wir — das wird von den Verſicherungsgeſellſchaften ganz richtig hervorge⸗ hoben — gezwungen ſein, einen derartigen Schaden durch eine Anleihe zu decken; und ſehr mit Recht iſt geſagt, daß eine derartige Anleihe am allerwenigſten dazu beitragen würde, das finanzielle Anſehen der Stadtgemeinde zu erhöhen. Meine Herren, der Antrag des Ausſchuſſes hat ja nun eine beſtechende Seite dadurch, daß nur ein Fünftel der Riſiken übernommen werden ſoll. Doch auch bei dieſem Fünftel handelt es ſich, wie aus den vorherigen Ausführungen hervorgeht, um ſehr bedeutende Summen. Es iſt weiter zu bedenken, daß wir ja nicht alle großen Gebäude ſchon gebaut haben, ſondern daß wir als unter⸗ nehmungsluſtige Gemeinde ſpäterhin auch große Gebäude zu errichten die Abſicht haben, und dieſe neuen Gebäude ſollen nach dem Antrage des Ausſchuſſes im vollen Umfange in die ſtädtiſche Selbſtverſicherung übergehen. Wir ſind der Anſicht, daß ein derartiges Unternehmen ohne die Grundlage eines großen Reſervefonds nicht die Be⸗ zeichnung Selbſtverſicherung verdient, ſondern ein⸗ fach eine Nichtverſicherung iſt, eine Verleugnung kaufmänniſcher Prinzipien darſtellt, deren ſich eine Stadtgemeinde nie ſchuldig machen darf. Auch die Begründung der Magiſtratsvorlage hat für uns inſofern ein Bedenken, als danach der Magiſtrat auf das Ziel der Selbſtverſicherung hinſteuern will dadurch, daß 100 000 ℳ alljährlich zu einem Reſervefonds theſauriert werden ſollen. Wir ſtimmen dem Antrage des Magiſtrats zu, weil er davon nichts enthält, können uns aber dieſem Teil der Begründung nicht anſchließen. Wir ſind auch dagegen, daß 100 000 ℳ jährlich für einen Reſervefonds zur ſpäteren Selbſtver⸗ ſicherung aufgeſpart werden, erſtens, weil dieſe 100 000 ℳ, ſelbſt wenn ſie wiederholt zurückgelegt wären, doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein ſein würden, wenn ein großes Unglück paſſierte, zweitens deshalb, weil wir der Meinung ſind, daß wir es jetzt nicht dazu haben, 100 000 ℳ jährlich zurückzulegen, um jährlich 4 000 ℳ zu ſparen. (Sehr richtig!) wichtige Zwecke der Stadt leiden, wir keinen genügenden Grund. (Sehr richtig!) 1 Nun iſt mir geſprächsweiſe vorhin angedeutet worden, es ließe ſich vielleicht ein Ausweg dadurch finden, daß man zwar die Gebäude, bei denen ein Darunter würden und dazu ſehen würden, 485 (großer Schaden zu befürchten iſt, bei den Ver⸗ ſicherungsgeſellſchaften verſichern läßt, andere Ge⸗ bäude mit geringerem Riſiko aber nicht. (Heiterkeit.) Ich erwähne das nur, meine Herren, um vorzu⸗ beugen, daß dieſer Vorſchlag in der Diskuſſion wieder auftaucht, und um darauf hinzuweiſen, daß ſich keine Geſellſchaft finden würde, die ſich auf eine derartige societas leonina einließe. (Sehr richtig!)) Meine Herren, es iſt in der Vorlage — und auch der Herr Referent hat davon geſprochen, von den andern Städten die Rede, die mit Selbſt⸗ verſicherung vorgegangen ſind. Meine Herren, ein paar Städte! Und in dieſen paar Städten — ſchüchterne Verſuche! Ihnen gegenüber aber wiederum Städte, die davon abgeſehen haben nach reiflicher Überlegung, darunter ſolche, die einen Reſervefonds ſogar ſchon zu ſammeln an⸗ gefangen haben, und die nachher doch davon abgeſehen haben, durch dieſelben Gründe geleitet, die für meine Freunde maßgebend ſind. Und wenn ſchließlich unſere Verwaltungskörper an⸗ gezogen werden, ſo wird die Lektüre der Vorlage Ihnen zeigen, daß hier mit ſoviel Vorausſetzungen gerechnet wird, daß eine klare Befürwortung höchſtens ſeitens der Gasdeputation zu finden iſt, während anderſeits das Gutachten des Stadtbau⸗ rats Bredtſchneider in prägnanter Form auf die Bedenken hinweiſt, die ſich gegen die Selbſt⸗ verſicherung erheben laſſen. Meine Herren, geſtatten Sie nun noch eine allgemeine Bemerkung über die ganze Angelegen⸗ heit. Die heutigen Verſicherungsgeſellſchaften, die Feuerverſicherungen namentlich, ſind das Er⸗ gebnis einer jahrhundertelangen Entwicklung und ein Ergebnis, welches zu erfreulichen volkswirt⸗ ſchaftlichen Fortſchritten, zu einem verfeinerten Großbetriebe mit den denkbar vorzüglichſten Ein⸗ richtungen geführt hat. Wie notwendig gerade hier der Großbetrieb iſt, geht am beſten daraus hervor, daß alle Feuerverſicherungen, die nicht die Grundlage eines guten Kapitals hatten, nach kurzer Zeit zuſammengebrochen ſind. Gegenüber dieſer unzweifelhaften Tatſache ſoll man doch nicht immer mit den großen Speſen kommen, mit denen die Verſicherungsgeſellſchaften arbeiten. Die gehören vielfach zum modernen Großbetriebe, und auch die Städte werden, wie ich ſchon bemerkte, bei der Übernahme der Verſicherung Speſen nicht vermeiden. Und ebenſo will es mir als eine kleinliche Dividendenriecherei erſcheinen, wenn man herausrechnet: die Geſellſchaften verdienen ſo und ſoviel, dieſe Verdienſte ſind unnötig, die kann die Stadt in ihre Taſche ſtecken. Nach der Statiſtik des Kaiſerlichen Aufſichtsamts für Privatverſiche⸗ rung betragen die Betriebsgewinne der deutſchen Feuerverſicherungsgeſellſchaften in den letzten 10 Jahren bis Ende 1906 durchſchnittlich 6,5%. Dieſe Betriebsgewinne ſind alſo keinesfalls ſehr groß, und daß trotzdem die Geſellſchaften in der Lage ſind, ſehr gute Dividenden zu zahlen, beweiſt nur, daß die Geſellſchaften kaufmänniſch auf der größten Höhe ſtehen. Deshalb iſt man noch lange nicht zu dem Schluſſe berechtigt, daß die gleichen Gewinne auch von andern Verſicherern erzielt werden die nicht gleich ihnen kaufmänniſche Großbetriebe ſind. Bedenken Sie doch, daß nach einer aus dem Jahre 1903 ſtammenden Zuſammenſtellung damals bereits die kleinſte der