492 haltung der Sonn⸗ und Feiertage — richtig geſagt, meine Herren, iſt es ja gar keine Verhängung der Schaufenſter, es iſt eine Lappenparade; ich meine, das iſt der richtige Ausdruck dafür —, (Stadtv. Meyer: Sehr richtig!) abſolut nicht s zu tun hat. Es handelt ſich um die Beſeitigung einer ſchreienden Ungerechtigkeit. Meine Herren, die Offenhaltung iſt geſtattet — es hat ſich ſchon wieder geändert ſeit zwei Jahren — i m Reich in Bayern, Württembrg, Sachſen⸗Weimar, Oldenburg, Braunſchweig, Sachſen⸗Meiningen, Sachſen⸗Koburg⸗Gotha, Reuß j. L., in den drei Hanſeſtädten, in Elſaß⸗Lothringen, und kürzlich iſt das Verbot in Sachſen⸗Altenburg nach dem Re⸗ gierungsantritt des neuen Herzogs aufgehoben; in Preußen exiſtiert das Verbot nicht mehr in Hannover, Schleswig⸗Holſtein, Weſtfalen, Rhein⸗ land, Oſtpreußen, Regierungsbezirk Wiesbaden, Schleſien, Sachſen; außerdem iſt das Verbot auf⸗ gehoben in den Städten Freiburg, Karlsruhe, Mannheim und Pforzheim. Meine Herren, nur in Groß⸗Berlin und in der geſamten Mark Brandenburg und noch einigen dunklen Bundes⸗ ſtaaten und Provinzen müſſen die Schaufenſter verhängt werden. Meine Heren, es iſt ja kein Wort mehr darüber zu ſagen, daß ſelbſtverſtändlich das ununter⸗ brochene Offenhalten der Schau⸗ fenſt er in Groß⸗ Berlin für die Gewerbetreibenden von der größten Bedeutung iſt. Tatſächlich liegen doch die Verhältniſſe ſo, daß viele Leute die ganze Woche bis ſpät abends beſchäftigt ſind und gar nicht in der Lage ſind, die Schaufenſter überhaupt noch anzu⸗ ſehen. Ihnen würde Gelegenheit dazu gegeben werden, wenn die Schaufenſter immer offen ge⸗ halten werden könnten; es würden alle ſehen, was ausgelegt iſt und dann, wenn ſie ſelbſt keine Zeit hätten, die Waren einkaufen laſſen. Vielleicht würden auch die Kneipen an Sonn⸗ und Feſttagen weniger beſucht werden, als dies jetzt der Fall iſt. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß die Vor⸗ ſtellung den Erfolg haben wird, daß ſchon zu m Weihnachtsfeſt das Verbot der Offen⸗ haltung vielleicht aufgehoben ſein wird. Meine Herren, es iſt ja ein ſehr vermeſſener Wunſch, wenigſtens für den, der weiß, wie langſam die Staatsbehörden vielfach arbeiten. Aber vielleicht hat der neue Herr Oberpräſident — es iſt ja ein Wechſel eingetreten — ein wärmeres Herz als der verfloſſene Präſident. Wir müſſen mit aller Energie die vorliegende Ungerechtigkeit zu beſeitigen ſuchen, und ich bitte Sie, meine Herren, ebenſo ein⸗ ſt i mmig, wie meine Fraktion meiner Bitte ge⸗ folgt iſt, um Ihre Zuſtimmung zu dem geſtellten Antrage. Stadtv. Dr. Stadthagen: Ich habe namens meiner Fraktion zu erklären, daß wir auch für den Antrag ſtimmen werden. Stadtv. Gebert: Ich habe zu erklären, daß auch wir mit dieſem Antrage einverſtanden ſind. Wir glauben auch betonen zu können, daß das Verhängen der Schaufenſter oder das Nichtver⸗ hängen der Schaufenſter mit den kirchlichen Ein⸗ richtungen nichts zu tun hat. Ich weiß aus Hamburg, daß dort dieſes Verbot aufgehoben iſt, daß dort etwaige Beſchwerden und dgl. nicht eingegangen Sitzung vom 10. November 1909 ſind, ſondern im Gegenteil, die Straßen, die früher durch das Verhängen der Schaufenſter verödet waren, haben ſich belebt. Und das werden wir auch erleben. Wenn wir Sonntags oder Feſttags durch die Straßen gehen, haben die Straßen, die ſonſt große Verkehrsſtraßen ſind, ein ödes Ausſehen, ja man muß ſich oft wundern, daß die Polizei nicht oft einſchreitet, um die Lappen, wie der Herr Referent richtig ſagte, zu entfernen. (Sehr richtig!) Es ſind Vorhänge zu ſehen, die oftmals jeder Be⸗ ſchreibung ſpotten, und ich meine, das trägt doch nicht zum Anſehen einer Stadt bei. Wir halten es für praktiſch, daß dieſer Antrag angenommen wird. Ob er nun in dem dunkeln Brandenburg — d. h. der Provinz Brandenburg — wirklich zur Aus⸗ führung gebracht wird, daran zweifeln wir ja. Aber wenn die Anregung wiederum von dieſer Stelle aus gegeben wird, vielleicht trägt das dazu bei, daß das dunkle Brandenburg endlich einen kleinen hellen Punkt bekommt. Stadtv. Meyer: Meine Herren, ich bin ſelbſt⸗ verſtändlich mit den außerordentlich zutreffenden Ausführungen des Herrn Antragſtellers durchaus einverſtanden und ſpreche meine beſondere Freude darüber aus, daß auch mein Herr Vorredner ihm zugeſtimmt hat. Ich darf daraus ſchließen, daß der Herr Vorredner mit mir bedauert, daß die Organi⸗ ſationen der Handlungsgehilfen die objektiven Tat⸗ ſachen verkannt haben, als ſie — und damit haben ſie ja leider der Verfügung die Begrüudung ge⸗ gegeben — ſich gegen das Aufheben des Ver⸗ hängungsgebotes ausgeſprochen haben. Wir alle, die wir der Organiſationsbewegung freundlich gegenüberſtehen, müſſen es mißbilligen, wenn das gewerkſchaftliche Prinzip überſpannt wird, wie es in dieſem Falle geſchehen iſt, gegen das wohlverſtandene Intereſſe der Handlungsgehilfen. Das Intereſſe der Gewerbetreibenden verlangt jedenfalls die Aufhebung des Verbotes, und wir wünſchen dringend, daß in dieſem Falle, wo es ohne jede Schädigung der Angeſtellten geſchehen kann, das Intereſſe der Gewerbetreibenden ſeine Berückſichtigung findet. Stadtv. Zietſch: Mein Freund Gebert hat ſelbſtverſtändlich nur aus der Erwägung heraus für den Antrag geſprochen, daß durch die Verwirk⸗ lichung des vorliegenden Antrages die beſtehende Sonntagsruhe der kaufmänniſchen Angeſtellten in keiner Weiſe tangiert oder eingeſchränkt wird. (Stadtv. Meyer: Selbſtverſtändlich!) Wenn die Handlungsgehilfen ſich gegen die Offen⸗ haltung der Schaufenſter an Sonntagen gewendet haben, ſo kann es nur auf Grund von Vorfällen geweſen ſein, durch welche die Sonntagsruhe ein⸗ geſchränkt worden iſt. Wenn das aber nachge⸗ wieſen iſt oder nachgewieſen werden könnte, dann müſſen wir uns ſelbſtverſtändlich auf den Boden der Anſchauung der Handlungsgehilfen ſtellen. Aber wir ſind der Anſicht, daß, wenn es ſich um kleine Geſchäfte handelt, die Offenhaltung der Schau⸗ fenſter an Sonntagen ſich durchführen läßt, ohne daß die Handlungsgehilfen dadurch in Anſpruch ge⸗ nommen zu werden brauchen. Etadtv. Gebert: Ich will nur auf eins hin⸗ weiſen. Es hgt ſich auf Grund vieler Verhandlungen vor den Kaufmannsgerichten und auch anderer