Sitzung vom 24. November 1909 505 um eine Klaſſe zu füllen. Wollten wir für derartige! Zeit in einen derartigen Stoff einzuüben vermögen. kleine Gemeinſchaften ſchon eine beſondere Klaſſe gründen, dann würden die Koſten für die Fort⸗ bildungsſchule, die ſchon ganz erheblich ſind, auf das Doppelte und Dreifache emporſchnellen, und ich glaube nicht, daß die Stadtgemeinde Char⸗ lottenburg derartige Ausgaben übernehmen kann. Auch über die Ausfüllung von Formularen, wie man den Chef verklagen kann, iſt geklagt worden. Ich werde das nicht eher glauben, als bis mir der Herr Stadtv. Zander ein derartiges Formular gezeigt hat. Ich glaube es nicht aus inneren Gründen; ich halte es für undenkbar, daß ein Lehrer, der ſich angelegen ſein laſſen ſoll und muß, die Autorität des Meiſters zu ſchützen, ein Formular ausfüllen läßt, wie man ihn ver⸗ klagen kann. Das glaube ich nicht; es werden wohl aen Sachen ſein, die der Klage zugrunde iegen. Dann habe ich ganz und gar nicht verſtanden, wie man der Fortbildungsſchule einen Vorwurf daraus machen kann, daß im Unterricht über Krupp⸗ ſche Kanonen geſprochen wird. Meine Herren, in der Klaſſe von Metallarbeitern z. B. wird ſehr eingehend vom Eiſen geſprochen, von der Eiſen⸗ gewinnung und der Eiſenverarbeitung. Iſt es nicht aber ein ſehr wichtiger Teil der Lehre von der Eiſen⸗ und Metallverarbeitung, wie man Ge⸗ ſchütze macht? (Stadtv. Zander: Bei den Laufburſchen?) Jedenfalls iſt nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Stunde darauf verwendet worden, und ich glaube, es würde eine empfindliche Lücke in dem Lehrſtoff ſein, wenn man davon ſchweigen wollte. Das Nachſitzen ſoll in der Arbeitszeit ſtatt⸗ gefunden haben. Meine Herren, in der Sitzung am letzten Montag iſt darüber ebenfalls Klage erhoben worden. Ich habe damals zum erſten Male davon gehört, daß tatſächlich Nachſitzen während der Arbeitszeit, alſo vor 7 Uhr abends, gelegentlich angeordnet worden iſt, und es iſt ſofort Remedur geſchaffen worden. Der Direktor, der zugegen war, hat ebenſo wie ich verſichert, daß wir in Zukunft dafür ſorgen werden, daß das Nachſitzen fortan nur in den Abendſtunden ſtattfinden wird. Aber hinzufügen muß ich, daß nach der Verſicherung des Direktors nur ganz ausnahmsweiſe einmal vor 7 Uhr Nachſitzeſtunden abgehalten worden ſind. Beſonders betrübt hat mich das, was der Herr Stadtverordnete über die Vorbildung der Lehrer ausgeführt hat, daß kaufmänniſche Bildung nicht ausſchließlich von gelernten Kaufleuten beigebracht wird. Meine Herren, es iſt nicht ſo leicht, einen Kaufmann zum Lehrer zu bekommen. Die tüch⸗ tigen Kaufleute pflegen ganz erheblich mehr Ein⸗ nahmen zu erzielen, als wir ihnen zu bieten ver⸗ mögen, und untüchtige Leute ſind uns als Lehrer nicht willkommen. Nur ganz ausnahmsweiſe ſtellt ſich ein ſolcher Herr uns zur Verfügung; wir haben jüngſt einen gehabt, Herrn Schlegelmilch, einen ausgezeichenten Lehrer, der uns leider ver⸗ laſſen hat, weil er ſich eine höhere Bildung auf der Hochſchule aneignen wollte. Warum ſoll denn ein ſeminariſch gebildeter Lehrer nicht geeignet ſein, derartigen Unterricht zu erteilen? Ich habe wieder⸗ holt in Unterrichtsſtunden zugehört und habe mich gefreut über den nach Gehalt und Form befriedi⸗ genden Unterricht. Wir haben unter den Lehrern, die an der Fortbildungsſchule tätig ſind, eine ganze Reihe hervorragender Männer, die ſich in kurzer Ein Beweis dafür iſt der Umſtand, daß erſt vor wenigen Tagen wieder 2 von den betreffenden Lehrern hier auf der Handelshochſchule das Handels⸗ lehrerexamen gemacht haben. Warten Sie noch ein bißchen ab, meine Herren, aus unſerer Lehrerſchaft werden noch mehr geprüfte Handelsſchullehrer her⸗ vorgehen; das Zeug dazu haben ſie. Der Herr Stadtverordnete hält es nicht für richtig, daß ein Lehrer ſich das Schneidern und die Beſchäftigung des Schuhmachers aneignet und dann im Unterricht das verwertet. Ich dagegen habe mich aufs lebhafteſte über den betreffenden Herrn gefreut. Es iſt ein auserleſener Lehrer, der ſeinen Unterricht, ſo oft ich ihn gehört habe, zu meiner vollſten Befriedigung erteilt hat. Um es gerade auch denjenigen Schülern gegenüber, die aus dem Schneider⸗ und Schuhmacherhandwerk kommen, an Sachkenntnis nicht fehlen zu laſſen, hat er ſich die Mühe nicht verdrießen laſſen und hat ſich eine Anzahl von Monaten in eine Werkſtatt begeben und dort — freilich nicht ſo gründlich wie einer, der ſchon als Lehrling drei, vier Jahre in dem Handwerk arbeitet, aber doch ſo, wie er als ver⸗ ſtändiger Mann es in dieſer kurzen Zeit lernen konnte — ſich das Wiſſenswerte angeeignet; er hat es ſich angeeignet zur Freude auch des Lehrmeiſters, bei dem er beſchäftigt worden iſt. Ich hoffe, meine Herren, daß eine noch recht große Zahl von unſeren Lehrern ſich der Mühe unterziehen wird, in die Werkſtätten zu gehen oder ins Atelier, und dort die Erfahrungen ſich anzueignen ſucht, die ſo wünſchenswert ſind. Glauben Sie nicht, daß eo ipso der Praktiker der geeignetere Mann iſt auf dem Katheder der Fortbildungsſchule. Dem ſeminariſch gebildeten Manne fehlt mitunter die Fachkenntnis, dem anderen fehlt aber die pädagogiſche Geſchicklichkeit. Und dieſe eignet man ſich keineswegs leichter an. Die ſchwere Aufgabe, welche die nächſten Jahre und Jahrzehnte zu löſen haben werden, beſteht eben darin, einen Fortbildungsſchullehrerſtand zu ſchaffen, der ſowohl nach der pädagogiſchen Seite als auch nach der fachlichen Seite hin in jeder Beziehung genügt. Gegenwärtig haben wir einen ſolchen noch nicht. Der Staat will ihn jetzt ſchaffen, und auch die Gemeinden, Charlottenburg mit, bemühen ſich, nach dieſer Richtung helfend einzugreifen. Wir wiſſen, daß wir noch nicht Vollkommenes erreicht haben, aber wir ſtreben energiſch danach, es zu erreichen, und ich hoffe, die Stadtverordneten⸗ verſammlung wird dieſes Streben billigen. (Bravo!) Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, wir haben uns hier mit einem Ortsſtatut zu beſchäftigen, das den Stundenplan der Fortbildungsſchule feſt⸗ legt. Jeder Menſch, der einigermaßen im prakti⸗ ſchen Leben ſteht, und der hört, daß wir einen Stundenplan durch Ortsſtatut feſtlegen ſollen, wird ſich eines Lächelns nicht erwehren können und wird meinen: das iſt doch ein ein bißchen merk⸗ würdiger und großer Apparat, der für die Feſt⸗ legung eines Stundenplans hier in Bewegung geſetzt wird, und das kann doch eigentlich nur von Männern ausgegangen ſein, die wirklich von dieſen Dingen nicht gerade allzu viel verſtehen und mit dem praktiſchen Leben nicht in enger Berührung ſtehen. Man könnte die Männer, die die ſtädtiſchen Körperſchaften gezwungen haben, dieſen ſeltſamen