510 Sitzung vom 24. November 1909 Berichterſtatter Stadtv. Otto: Die Vorlage] verordnetenſitzung vom 20. Oktober eingebracht. des Magiſtrats zerfällt in zwei Teile. Der erſte allgemeine Teil beſtimmt die Einführung der Fort⸗ bildungsſchulpflicht für die weiblichen Handlungs⸗ gehilfen und ⸗Lehrlinge zum 1. April 1910. Ich glaube, daß über dieſe Beſtimmung in dieſer Ver⸗ ſammlung keinerlei Meinungsverſchiedenheit herrſcht inſofern, als von allen Seiten die Einführung dieſer Beſtimmung auf das allerfreudigſte begrüßt worden iſt. Es wird damit nicht nur einem langgehegten Wunſche der Stadtverordnetenverſammlung, ſon⸗ dern auch einem langgehegten Wunſche der Bürger⸗ ſchaft die Erfüllung zuteil. Die verſchiedenſten Kreiſe haben ſich ſeit Jahren für dieſe Angelegen⸗ heit bemüht. Wir finden in den Akten Petitionen des Vereins Frauenwohl, des Kaufmänniſchen Verbandes für weibliche Angeſtellte, des Vereins Frauenbildung und Frauenſtudium und des Ver⸗ eins der Deutſchen Kaufleute, die alle darum bitten, die Fortbildungsſchulpflicht für weibliche Hand⸗ lungsgehilfen und ⸗Lehrlinge einzuführen. Wenn wir alſo dieſem Teile, wie ich glaube ohne weiteres annehmen zu dürfen, zuſtimmen, ſo iſt doch das Ortsſtatut in ſeinen vielfachen Beſtimmungen ſo wichtig und grundlegend, daß ich Ihnen empfehlen möchte, dieſes Ortsſtatut — und damit die ganze Magiſtratsvorlage natürlich — einem Ausſchuſſe, und zwar von 9 Mitgliedern zu überweiſen. Wir werden in dieſem Ausſchuß zu prüfen haben, ob alle Bedingungen dieſes Ortsſtatuts unſere Zu⸗ ſtimmung finden, vor allem, ob die Unterſchiede, die das Ortsſtatut für die weibliche Fortbildungs⸗ ſchule aufweiſt gegen das Ortsſtatut für die männ⸗ liche Fortbildungsſchule, berechtigt ſind. Ich bitte alſo, dieſe Vorlage einem Ausſchuſſe von 9 Mit⸗ gliedern zu überweiſen. (Die Beratung wird geſchloſſen Die Verſamm⸗ lung beſchließt die Einſetzung eines Ausſchuſſes von 9 Mitgliedern und wählt zu Ausſchußmitgliedern die Stadtv. Dr Borchardt, Guttmann, Jaſtrow, Liſſauer, Münch, Neukranz, Otto, Vogel 1 und Zander.) Borſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Punkt 8 der Tagesordnung: Anträge der Stadtv. Dr. Crüger und Gen. und Dr. Stadthagen und Gen. betr. Müllabfuhr. — Druckſachen 338, 339. Die Anträge lauten: 4) Antrag der Stadtv. Dr Crüger und Gen.: Der Magiſtrat wird erſucht, der Stadt⸗ verordnetenverſammlung eine Vorlage zu unterbreiten, nach der das Ortsſtatut für Müllabfuhr eine Ergänzung erfährt, durch die der Anſchluß an die Müllabfuhr für alle Hausbeſitzer obligatoriſch gemacht wird. b) Antrag der Stadtv. Dr Stadthagen und Gen.: Der Magiſtrat wird erſucht, eingehend zu erwägen, ob die zurzeit der Müllabfuhr nicht unterliegenden Hausbeſitzer zu Recht von der Müllabfuhr⸗Verpflichtung befreit ſind. Zunächſt bitte ich Herrn Kollegen Flatau, den Antrag Crüger zu begründen. Antragſteller Stadtv. Dr. Flatau: Meine Herren, unſer Antrag, der Ihnen ſeinem Wortlaut nach bekannt iſt, wurde bereits in der Stadt⸗ Den unmittelbaren Anlaß dazu bot eine Mitteilung, die uns im Verlaufe der damaligen Verhandlung einigermaßen überraſchend gemacht wurde. Sie werden ſich erinnern: wir berieten über eine Petition des Haus⸗ und Grunodbeſitzervereins, die ſich gegen die gegenwärtige Geſtaltung der Müllabfuhr wendete, und die Petitionskommiſſion beantragte den Übergang zur Tagesordnung. Aus der Mitte der Stadtverordnetenverſammlung wurde damals die Behauptung aufgeſtellt, daß ein — verhältnismäßig nicht großer Bruchteil — der Hauseigentümer Charlottenburgs eine Freiſtellung von den Verpflichtungen des Ortsſtatuts genieße. Dieſe Mitteilung wurde von dem Vertreter des Magiſtrats beſtätigt — unter ausdrücklichem Hinweiſe darauf, daß eine ſolche Freiſtellung der Lage der Geſetze entſpräche. Die Mitteilung des Magiſtrats hat damals — wie es ſchien, auf allen Seiten der Stadtverordnetenverſammlung — keinen unbedingt erfreulichen Eindruck hervorgerufen, und ich geſtehe, daß dieſer Eindruck bei mir bis zum heutigen Tage vorgehalten hat. Dieſe Angelegenheit hat mit der Frage, wie man über die Geſtaltung der Müll⸗ abfuhr denkt, nicht das geringſte zu tun. Ich glaube, Anhänger und Gegner des Ortsſtatuts und der gegenwärtigen Geſtaltung der Müllabfuhr werden ſich in der Anſicht begegnen, daß, ſoweit es überhaupt nach Lage der Geſetze möglich iſt, jede unterſchiedliche Behandlung von Hauseigen⸗ tümern vermieden werden muß, daß auch die Vermeidung ſelbſt des leiſeſten Scheines einer Privilegierung durch die Faſſung des Ortsſtatuts, wofern das überhaupt zu erreichen iſt, angeſtrebt werden muß. Das iſt das Ziel, das wir mit unſerm Antrage verfolgen. Da die Rechtslage zweifellos nicht ganz einfach iſt, ſo erſcheint es geboten, über unſern Antrag in einem Ausſchuß zu beraten. Nun könnte, wie ich hervorheben will, es manchem von Ihnen befremdlich erſcheinen, daß ich heute noch überhaupt dieſen Antrag aufrecht⸗ erhalte. Es wird Ihnen durch eine Mitteilung in den Zeitungen bekannt geworden ſein, daß der erſte Strafſenat des Kammergerichts am letzten Sonnabend die Polizeiverordnung für ungültig erklärt hat, die recht eigentlich das juriſtiſche Fun⸗ dament für die Handhabung unſeres Ortsſtatuts bildet. Über dieſes Urteil ſind Meinungen ver⸗ breitet, — es ſind Hoffnungen, vielleicht auch Be⸗ ſorgniſſe auf der andern Seite laut geworden, die in Wahrheit unbegründet ſind. Ich möchte das beſonders betonen im Gegenſatz zu einer Dar⸗ ſtellung, die ich heute in einer hieſigen Zeitung geleſen habe. Das Urteil des Kammergerichts iſt keineswegs in der Art ergangen, daß dieſer Gerichts⸗ hof — der höchſte preußiſche Strafgerichtshof — etwa in eine materielle Prüfung des Inhalts der Verordnung und unſeres Ortsſtatuts eingetreten wäre; er hat vielmehr die Polizeiverordnung als ungültig erachtet lediglich aus einem unbedeutenden, ganz formalen Entſcheidungsgrunde, aus einer Erwägung heraus, die ein glänzendes Zeugnis für die ungemeine Exaktheit abgibt, mit der der Gerichtshof über die Einhaltung aller, auch der formalen Vorſchriften unſerer Geſetze wacht. Es iſt nämlich dem Polizeipräſidenten von Char⸗ lottenburg, als er die Polizeiverordnung ver⸗ öffentlichte, ein kleines Verſehen paſſiert. Es gibt eine Regierungsverordnung von Potsdam vom 26. Juni 1886, die für den Potsdamer Re⸗