514 verläſſigkeit der Kinderausſagen, unter dieſem Geſichtswinkel die Sache durchaus anders, als mir vielleicht zugemutet wird. Ich weiß ja: wenn ein Kind geſchlagen wird, kann es ſehr gut dazu kommen, in dem Nachfühlen der erlittenen Strafe nicht ſo auszuſagen, wie es vielleicht der Wahrheit gemäß ausſagen dürfte; Kinder ſind nicht objektiv — Große ſind es mitunter auch nicht, dafür werden wir auch noch Beweiſe bekommen —; Kinder können aber in ihrer Ausſage leichter beeinflußt werden als Erwachſene, und wenn jetzt bei den Unterſuchungen, die in der Waiſenanſtalt ſtatt⸗ gehabt haben, die Kinder übereinſtimmend aus⸗ geſagt haben ſollen: es iſt uns nichts paſſiert, es iſt mit dem Ohrenabſchneiden nicht gedroht worden uſw., — dann liegt auch hier die große Wahr⸗ ſcheinlichkeit wieder vor, daß die Kinder in irgend⸗ einer Weiſe beeinflußt ſein können. — Sie ſchütteln mit dem Kopf, Herr Kollege Otto. (Stadtv. Otto: Allerdings, das iſt das Mildeſte, was ich tun kann!) — Ja, dann dürfen Sie aber auch die Zuverläſſigkeit der erſten kindlichen Zeugenausſagen nicht an⸗ zweifeln, wenn Sie dieſelben auf der andern Seite nicht auch anzweifeln wollen. Wenn Sie lagen: wir bezweifeln die Zuverläſſigkeit der be⸗ ſaſtenden Ausſagen der Kinder, dann müſſen Sie en t laſtenden Ausſagen auch ſagen: hinter die 5 Kinder ſind ebenfalls große Fragezeichen zu eBen. Aber, wie geſagt, auf die Ausſagen der Kinder allein verließen wir uns auch gar nicht; es kommen hier nicht allein Kinderausſagen in Betracht, ſondern was uns vor allen Dingen, als wir das Material unterbreitet bekommen haben, dazu ge⸗ drängt hat, dieſes Material als durchaus — wenig⸗ ſtens in ſeinen Hauptzügen, ſoweit wir es über⸗ ſchauen konnten — für zutreffend zu halten, war allerdings der Umſtand, daß bei einzelnen Sachen eine genaue Zeitangabe gegeben worden war, daß verſchiedene Ausſagen, die von verſchiedenen Seiten kamen, übereinſtimmend lauteten, daß ferner auch erwachſene Perſonen dieſe Ausſagen gemacht haben. Und da möchte ich mir geſtatten, einzelne Fälle — ohne Namensnennung — vorzutragen. (Lebhafte Zurufe.) — Meinetwegen, ich nenne Ihnen auch die Namen, wenn Sie es wünſchen; es ſpielt ja keine Rolle. Da ich aber annehme, daß ein Ausſchuß eingeſetzt wird, der ſich mit dieſer Sache beſchäftigen wird, habe ich es dem Ausſchuſſe vorbehalten wollen. Aber ich nenne auch Namen. Da ſoll Willy Maaß, 13 Jahre alt, (Zurufe) — ach, ich glaube, Sie haben die Namensnennung nur abgewartet, um abzuwinken — (Widerſpruch) ſoll im Winter 1909 vom Waiſenhausvater dermaßen mit dem Rohrſtock geprügelt worden ſein, daß der Stock entzwei ging. Auch ſoll der Knabe derart vor die Bruſt geſtoßen worden ſein, daß er bewußtlos ins Bett gebracht und mit Kampfer eingerieben werden mußte. Das ſind alles ſo weitgehende Einzelheiten, die hier angegeben ſind, daß man jedenfalls nicht daran zweifeln kann, daß ſie zum Teil zutreffend ſind. Dafür ſind auch eine Reihe von Zeugen angegeben worden; wenn Sie wünſchen, werde ich Ihnen auch dieſe vortragen: es ſind der Willy Sitzung vom 24. November 1909 Maaß ſelbſt, die Mutter, der Bruder, Hans Maaß, Willy Schott, ein anderer Knabe, der in der Waiſen⸗ anſtalt war, der jetzt bei ſeiner Mutter wohnt. Durch weitere Feſtſtellungen bei den Waiſen⸗ kindern dürften ſich vielleicht weitere Zeugen namhaft machen laſſen. Derſelbe Willy Maaß ſoll am 24. Juni 1909 mit dem Stiel eines Teppich⸗Ausklopfers derart geſchlagen worden ſein, daß ſich der Geſchlagene vor Schmerz nicht rühren konnte. Die Schulter ſoll blau geweſen ſein, zwei Schwielen auf dem Kopfe ſollen auch vor⸗ handen geweſen ſein, ſo daß darüber einige Waiſenmädchen, die in der Anſtalt geweſen waren, der Mutter des Knaben, aus eigenem Antriebe, Bericht erſtatteten. Die Mutter des geſchlagenen Kindes begab ſich zum Arzt — ſoll ich auch dieſen Namen nennen? — wenn es gewünſcht wird: es iſt der Doktor Roſenthal — begab ſich zum Arzt, der die Unterſuchung vier Tage nach dem Vorfall vornahm und darüber dem Waiſenvater auch noch ſchriftlich Vorhaltungen gemacht haben ſoll. Dann ſoll Walter Maaß, 11 Jahre alt, am 2. Juli dieſes Jahres von Richter mit der Roſenſchere ins Ohr gezwickt worden ſein. Walter hielt ſich die Ohren zu, aber Richter entfernte die Hände und ſagte: dir will ich mal einen Denkzettel geben. Am 25. Auguſt unterſuchte der Anſtaltsarzt Dr Erdmann den Knaben — obwohl bereits am 13. Auguſt wegen dieſer Sache Anzeige erſtattet worden war —, und er ſoll geſagt haben: „Ich denke, das halbe Ohr iſt weg!“ Nachher ſoll feſtgeſtellt worden ſein, daß kein Schnitt vorhanden iſt, ſondern daß es ſich um eine wandernde Flechte handelt, die bis in das Geſicht gegangen iſt. Aber es wurde dem Knaben nichts für das Ohr verſchrieben, ſondern erſt ſpäter wurde ihm etwas für die wandernde Flechte verſchrieben. Willy Häntſch — ich weiß nicht, ob der Namen richtig geſchrieben iſt; er befindet ſich im Kranken⸗ hauſe und ſoll ebenfalls ins Ohr geſchnitten worden ſein. Ich weiß nicht, ob ſich die Feſtſtellungen und Ermittlungen auch auf dieſen Knaben erſtreckt haben, oder ob man auch hierbei nur den Arzt gefragt hat. — Karl Gonteck und Erich Lehmann ſollen vor anderthalb Jahren ebenfalls mit der Gartenſchere ins Ohr geſchnitten ſein. Dann iſt es ferner noch ein Knabe Hoffmann, welcher im vorigen Winter ins Ohr geſchnitten ſein ſoll oder gezwickt ſein ſoll. Da iſt der Zeuge der Knabe Hoffmann ſelbſt und die Frau Hoffmann, die, wie mir mitgeteilt worden iſt, ſich damals auch beſchwerdeführend an den Herrn Bürgermeiſter gewendet haben ſoll. Ob das der Fall iſt, weiß ich nicht. Die zwei Knaben, die im Sommer 1908 mit den beiden Köpfen zuſammengeſtoßen worden ſind, (Zurufe) — ach Gott, machen Sie doch Ihre Witze nachher darüber! — die zwei Knaben, die im Sommer 1908 mit den beiden Köpfen zuſammengeſtoßen worden ſind, ſind Willy Schott — den Namen des andern habe ich momentan nicht hier; Willy Schott iſt ohnmächtig geworden und wurde auch ins Bett gebracht. Schott hat heute noch Kopfſchmerzen und führt ſie auf dieſe Mißhandlungen zurück, und damals hat man ſich — ich glaube, es war die 27