516 ſtrat als vorgeſetzte Behörde der Gemeindeſchul⸗ lehrer nicht dulden, daß ein Gemeindeſchullehrer ſich in dieſer Weiſe überanſtrengt, wie das, wenn beide Amter gewiſſenhaft verſehen werden ſollen, unbedingt der Fall ſein muß. Der Hausvater hat doch nicht nur für die Anleitung, die Anweiſung der Kinder nach dieſer und jener Seite zu ſorgen; Sie werden es ja eventuell noch hören, daß es ſich da um ganz beſonders wilde Rangen handelt, auch um Kinder, die vielleicht geiſtig nicht ſo vollwertig ſind wie andere. Weil es ſich aber um ſolche Kinder handelt, iſt hier eine um ſo ſorgſamere Pflege er⸗ forderlich, eine um ſo größere Aufmerkſamkeit und Obacht am Platze. Daß das alles nicht im Neben⸗ amte geleiſtet werden kann, müßte doch jedem ohne weiteres klar ſein. Hinzu kommt noch, daß der Hausvater ſich nicht nur um das geiſtige Wohl der Kinder kümmern, ſondern auch noch darauf bedacht ſein ſoll, die ökonomiſchen Verhältniſſe der Waiſen⸗ anſtalt zu regeln: er ſoll für die Nahrung ſorgen, ſoll auch darauf ſehen, daß die Kinder anſtändig gekleidet ſind, uſw. uſw. Sie werden mir zugeben, daß in dem Zuſtande, wie er jetzt in dem Waiſenhauſe beſteht, ein Wandel eintreten muß. Wir fordern einmal, daß der Magiſtrat den Gemeindeſchullehrern ſolche Neben⸗ arbeiten nicht geſtattet. Vor allen Dinge aber möchten wir darauf dringen, daß die Pflege, wie ſie die Waiſenpfleglinge erhalten müſſen, nicht mehr im Nebenamte ausgeübt werde. Entweder kann der Betreffende ſein Amt als Lehrer nicht voll⸗ kommen ausfüllen, oder er kann als Waiſenpfleger ſeiner Pflicht nicht voll genügen. Meine Herren, ich komme noch auf einen andern Punkt, der auch in den Zeitungsnotizen behandelt worden iſt. Wir ſollen den Lehrer durch die Offentlichkeit gezerrt, wir ſollen ſein Renommee dadurch angegriffen haben, daß überhaupt der Antrag veröffentlicht worden iſt. Iſt es denn unſere Schuld, daß es dazu gekommen iſt? Es war durch⸗ aus nicht die Abſicht des Beſchwerdeführers, die Sache in der Offentlichkeit zu verhandeln, ſondern er hat ſich alle Mühe gegeben, das auf dem in⸗ ſtanzenmäßigen Wege zu erledigen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Sie haben gerade dieſes Mal einen Fall, der eigentlich das Gegenteil von dem beweiſt, was Sie uns immer unterſtellen. Kommen wir mit irgend⸗ einer Sache an die Offentlichkeit, an die Preſſe, ſo erheben Sie ein großes Geſchrei darüber und werfen uns vor: „Warum macht ihr das? Warum geht ihr nicht den inſtanzenmäßigen Weg und wartet nicht ab, was darüber vom Magiſtrat geſagt werden wird!?“ Diesmal iſt der inſtanzen⸗ mäßige Weg eingehalten worden. Die erſte Anzeige iſt am 13. Auguſt beim Herrn Stadtrat Samter erſtattet worden. Der Beſchwerdeführer iſt dann an den Herrn Bürgermeiſter Matting verwieſen worden. Von Herrn Bürgermeiſter Matting hat er keine Vorladung bekommen, ſon⸗ dern er hat ſich nachher, da er ſehr ſtark an dem Ausgange der Sache intereſſiert war, aus eigenem Antriebe zum Bürgermeiſter Matting begeben und ihn gefragt, wie die Dinge ſtehen. Schon bei dieſer Unterredung hat Herr Bürgermeiſter Matting, ehe überhaupt von anderer Seite eine Unter⸗ ſuchung, die damals geplant war, veranſtaltet und eröffnet worden war, die Auffaſſung vertreten, daß irgendwelche Schuld den betreffenden Ag ent nicht treffen könne. Herr Bürgermeiſter Matting Sitzung vom 24. November 1909 nahm nach der Ausſage des Beſchwerdeführers eine auffallend freundliche Stellung für den Haus⸗ vater Richter ein. Auf den Wunſch des Beſchwerde⸗ führers, daß die Sache unterſucht werden möge, ohne die Offentlichkeit damit zu berühren — denn der betreffende Beſchwerdeführer ſteht ja auch im Dienſte der Stadt als Armen⸗ und Waiſenpfleger und ihm war darum zu tun, daß nicht irgendein Makel auf die Armen⸗ und Waiſenpflege von Charlottenburg fällt — iſt man wohl eingegangen, aber man hat den Beſchwerdeführer bis geſtern ohne jede Nachricht gelaſſen. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich glaube mit Recht, die Beantwortung, die ihm erſt geſtern zuteil geworden iſt, auf die Stellung unſeres Antrages zurückführen zu können. Wäre die Beantwortung früher erfolgt, ſo wäre die Stellung eines Antrages vielleicht gar nicht nötig geweſen, dann hätten wir die Sache eventuell anders verfolgt. Nachdem aber auf dieſem Wege durchaus keine Auskunft zu erzielen war, den Leuten, die ſich darum bemüht hatten, die Sache klarzuſtellen und ebentuelle Mißſtände beſeitigt zu ſehen, keine Rechtfertigung zuteil wurde, mußte die ſogenannte Flucht in die Offentlichkeit an⸗ getreten werden. Und wenn Sie nun ſchreien: Sie zerren ja den Mann in die Offentlichkeit, Sie zerſtören ſein Renommee! — dann ſind das nicht wir, ſondern es ſind nach unſerer Auffaſſung die amtlichen Stellen, die ſo überaus freundlich für den Richter handeln wollten und durch ihre zu weit getriebene Zugeknöpftheit gegenüber dem Beſchwerdeführer gerade das Schlechtere für den Richter herbeigeführt haben. Die Offentlichkeit hat, wie ich meine, ein Intereſſe daran, zu erfahren, wie es um dieſe Dinge in der Waiſenanſtalt ſteht. Es braucht nicht gerade ein Armenpfleger zu ſein, der ſich beſchwerdeführend an irgendeine amtliche Inſtanz wendet, der das Recht hätte, eine Aus⸗ kunft über den Ausgang der Unterſuchung zu bekommen, ſondern jeder Gemeindebürger in Charlottenburg hat meiner Auffaſſung nach das Recht, wenn ihm irgendwelche Mißſtände in einer öffentlichen Anſtalt zu Ohren gekommen ſind, Auskunft darüber zu verlangen, wie es mit dieſen Dingen beſtellt iſt. Man hätte alſo in dieſem Falle ſeitens des Magiſtrats weſentlich anders handeln können. Das will ich nur nebenbei geſagt haben. Die Offentlichkeit iſt jetzt von den Dingen unter⸗ richtet, ſie hat ein weitgehendes Intereſſe daran, über dieſe Sache aufgeklärt zu werden. Meine Herren, ich geſtehe Ihnen ohne weiteres das Recht zu, in die Ausführungen, die ich gemacht habe, namentlich in die angeführten einzelnen Fälle, weitgehendſte Zweifel zu ſetzen. Es würde uns auch nur angenehm ſein, wenn Sie der Meinung wären, es mit der heutigen Ausſprache nicht genug ſein laſſen zu können. Wir ſind jedenfalls bereit, in einem Ausſchuſſe die Sache noch näher zu be⸗ ſprechen; denn uns iſt es in dieſem Falle durchaus nicht um irgendeine Senſationsmache zu tun. Wir haben ſo lange damit zurückgehalten, wie wir zurückhalten konnten. Wir wollen nur die vor⸗ handenen Mißſtände, die nach dem Material, das uns unterbreitet worden iſt, vorliegen, beſeitigen, und wir wollen gern mit Ihnen i da es ſich hier um die Waiſen, die Armſten der Armen, handelt. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)