518 — an der Teppichſtange abgeſpielt haben. Ich habe Willy Maaß ſelbſt geſprochen und auch den zweiten Jungen, der heute genannt wurde, den Gondek, der beim Teppichklopfen beteiligt war; er ſollte die Stange halten, und der andere ſollte klopfen. Die Sache war einfach ſo — und ich glaube, daß die Jungen mir vollſtändig die Wahrheit geſagt haben: die beiden hatten etwas gefaulenzt, namentlich Willy Maaß, und als die Arbeit zu Ende ſein ſollte, hatten ſie noch nicht angefangen. Als nun die Frau des Hausvaters ſagte: jetzt hole den Stuhl, um die Teppiche abzunehmen, da ſagte Willy Maaß — übrigens ein Knabe, der eine ganze Menge auf dem Kerbholz hat, nicht ſo ein Unſchuldsengel iſt, wie er erſcheinen könnte; ich habe die Strafliſte hier, er hat alle möglichen Vergehen begangen, von Kinderſtreichen will ich nicht reden, Schneeball⸗ werfen uſw., das haben wir alle einmal gemacht, aber Diebſtähle, Einbruchsdiebſtahl und Unter⸗ ſchlagung ſind darunter — (hört! hört!) die Sachen können alle urkundlich bewieſen werden, und wenn ſonſt jemand es einſehen will, bin ich gern bereit, das Material vorzulegen, ich will aber dem Jungen heute nicht dieſe Sachen zum Vor⸗ wurf machen. Er macht ſonſt einen ganz netten Eindruck und hat mir ganz gut gefallen; ich bin angenehm überraſcht geweſen, nachdem ich die Liſte geleſen hatte. — Alſo die Frau des Hausvaters ſagte: jetzt nimm die Teppiche ab, und darauf ſagte der Junge in ſeinem Trotz: „nun gerade nicht!“ Das hörte der Waiſenvater, der in der Nähe ſtand, und ſagte: jetzt ſollſt du aber ordentlich etwas be⸗ kommen —, und gab ihm dann mit dem Teppich⸗ klopfer ein paar „Jagdhiebe“. (Zurufe bei den Sozialdemokraten. — Oberbürger⸗ meiſter Schuſtehrus: Sehr gut!) Der Junge hat ſelbſt geſagt: verdient habe ich ſie. Der Junge, der geſchlagen worden iſt, wird natürlich nicht gezählt haben, wieviel Schläge es geweſen ſind; er wußte es auch nicht. Ich habe aber den Karl Gondek, der dabeiſtand, den einzigen Zeugen des Vorfalls, gefragt: „Was meinſt du wohl, wie⸗ viel ſind es geweſen, 10, 20, 1002“ — „Na, ſo etwa 7 können es geweſen ſein.“ — Das iſt die ganze Sache. Er hat mit dem Rohrſtock 7 Hiebe über den Rücken bekommen. Ich gebe zu, er mag auch auf den Kopf etwas abbekommen haben, aber ohne Abſicht. Der Junge ſagt ſelbſt: „Ich habe mich geduckt“ —, und Karl Gondek beſtätigt das auch, dabei ſind vielleicht ein paar Klapſe mit auf den Kopf gekommen. Daß er in Ohnmacht ge⸗ fallen iſt — nichts davon iſt wahr. Ich habe ein⸗ gehend danach gefragt. Er hat Hiebe bekommen, die er verdient hat, und ſie haben ihm nichts ge⸗ ſchadet; er iſt jetzt ganz munter. Der zweite Vorfall war am 24. Juni 1909. Der Junge ſoll da mit einem Ausklopfer auf Schultern und Kopf geſchlagen und zu Boden ge⸗ ſtoßen worden ſein. Das iſt wohl eine Verwechſlung des Herrn Stadtv. Zietſch. Der erſte Vorfall hat ſich nicht an der Teppichſtange, ſondern auf der Straße beim Schneeballen abgeſpielt. (Stadtv. Zietſch: Ich habe nur von dem zweiten Fall geſprochen!) Der eine war jedenfalls im Juli 1909. Der Vorfall im Winter, den er erwähnt hat, wird ſich wohl beim Schneeballen abgeſpielt haben. Die Jungen hatten mit Schneebällen geworfen. Einer hatte einen Stein in den Schneeball getan und einen Sitzung vom 24. November 1909 vorübergehenden Jungen, einen Laufburſchen vom Golfklub, an den Kopf getroffen und ihm eine Beule zugefügt. Der Junge verlangte Sühne und bezeichnete Willy Maaß als den Täter. Selbſt⸗ verſtändlich war es nicht mehr als Pflicht und Schuldigkeit des Hausvaters, wenn er nun den Jungen für ſein Verhalten ganz gehörig züchtigte. Davon, daß er ihn zu Boden geworfen und mit Füßen getreten hätte, iſt keine Rede. Keiner von den Jungen hat mir das ſagen können. Er hat ſeine Hiebe bekommen genau ſo wie in dem anderen Fall. Der Hausvater, der ein ſo ruhiger Mann iſt, wie er nur gedacht werden kann, hat ihm einige Schläge übergezogen, die ihm nicht geſchadet haben. Dann iſt von dem Ohrenabſchneiden erzählt worden. Das iſt das, was am ſchlimmſten ausſieht: der Hausvater gehe mit den Zöglingen ſo um, daß er ihnen die Ohren halb abſchneide (Zuruf des Stadtv. Zietſch) — oder in die Ohren hineinſchneide. Ich will in umgekehrter Reihenfolge die Fälle durchgehen, als es Herr Zietſch getan hat. Den Jungen Hoffmann habe ich nicht geſehen; ich weiß nicht, ob er noch in der Anſtalt iſt, darüber kann ich nichts ſagen. Willy Hentſch iſt ein ſehr netter kleiner Junge. Ich fragte ihn geſtern, als er hereinkam: „Du biſt auch geſchnitten worden?“ — „Jawohl.“ — „Wo denn?“ — „Am Rücken, im Krankenhauſe Weſtend.“ (Heiterkeit.) Ich ſchildere Ihnen die Unterhaltung ſo, wie ſie ſich geſtern abgeſpielt hat. Ich fragte weiter: „Biſt du auch einmal in die Ohren geſchnitten worden?“ — „Niemals.“ — Ich fragte dann die anweſenden Geſchwiſter Maaß: „Wißt ihr etwas davon?“ — Keiner wußte etwas. Ich nehme an, daß dieſe Erzählung auf die anſcheinend etwas hyſteriſche Mutter zurückgeht, die dieſe Angaben gemacht hat, ohne ſie irgendwie an Ort und Stelle zu prüfen. Dann ſollen zwei Knaben, Karl Gondek und Erich Lehmann, mit der Roſenſchere an den Ohren gezwickt worden ſein. Ich habe die Schere in der Hand gehabt und habe ſie ſelbſt an die Ohren der Jungen angelegt und gefragt: tut das weh? Die Jungen haben es mir alle beſtätigt: keine Spur! (Stadtv. Hirſch: Sie haben aber nicht geſchnitten?) — Schneiden kann man überhaupt nicht damit, es iſt eine Drahtſchere. — Der Vorfall hat ſich ſo ab⸗ geſpielt: die Jungen ſollten Kohlen tragen. Im Hauſe ſind keine Dienſtboten, ſie müſſen ſelbſt alle Arbeit machen. Wie ſie ſagten, hatten ſie „ihr Amt nicht verrichtet“. Als der Hausvater, der gerade in der Werkſtatt beſchäftigt war und die Drahtzange in der Hand hielt, das merkte, rief er den Jungen zu: „Kommt einmal her, ihr ſollt einen Denkzettel haben“ — und kneipte ſie mit der Drahtſchere, einer flachen Zange, in die Ohren, ohne daß ſie Schaden oder Schmerzen davon gehabt haben. Einer ſagte, er hätte einen Blutstropfen gehabt, aber keinen Schmerz empfunden. Ich fragte die Jungen: „Wäre es euch lieber geweſen, ihr hättet mit dem Stock etwas bekommen?“ — „Nein, das hätte mehr weh getan.“ — Das iſt die ganze Sache. Der vierte Fall betrifft einen JIungen Walter Maaß, einen von den Geſchwiſtern Maaß, die heute aus diſziplinaren Gründen aus der Anſtalt entfernt und in eine andere Anſtalt gebracht worden ſind. Meine Herren, Walter Maaß iſt ein Junge, über