520 daß er ſagte: jetzt will ich das Ausgehen nicht mehr ſo ohne weiteres erlauben. Er konnte gar nicht wiſſen, ob die Mutter in der Tat im Krankenhauſe war. Er hätte ſich vielleicht beim Krankenhauſe erkundigen können. Aber ſein Verhalten iſt menſch⸗ lich erklärlich, man kann ihm daraus nicht einen ſchweren Vorwurf machen. Endlich iſt geſagt worden, die Jungen ſeien dazu gebracht worden, daß ſie Selbſtmordgedanken haben. Ich bin in der Lage, das ganz poſitiv auf⸗ zuklären. Die Jungen haben mir das geſtern ganz nett erzählt. Der Junge Hans Maaß, ein ganz geriebener Junge, hatte geſagt — ſie hatten in der Schule etwas vom Stechapfel durchgenommen, daß er betäube: — „Wir wollen jetzt einen Stech⸗ apfel nehmen, dann denkt der Hausvater, wir werden ohnmächtig, und bekommt Angſt.“ (Heiterkeit.) Das iſt die ganze Sache mit den Selbſtmord⸗ gedanken. Das hat der Junge ſelbſt erzählt. Er wollte den Hausvater ärgern, und da ſie in der Schule etwas vom Stechapfel gehabt hatten, ſo iſt er darauf gekommen. Wenn Sie noch weitere Einzelheiten haben wollen, bin ich gern bereit, ſie Ihnen zu geben. Sie werden mir zugeben, daß ich objektiver nicht vorgehen konnte. Ich glaube, ich habe Ihnen den Beweis erbracht, daß nicht das Geringſte vorliegt, was man einem Lehrer, der mit ſchwierig zu be⸗ handelnden Jungen zu tun hat, zum Vorwurf machen könnte. Daß ihm einmal die Galle über⸗ läuft und das Temperament durchgeht, wird ihm keiner zum Vorwurf machen, wenn es in mäßigen Grenzen geſchieht. Wenn Sie wüßten, was für Jungen in dieſer Anſtalt ſind, wie ſie, ſtatt zur Schule zu gehen, ſich auf der Straße herumtreiben und die Paſſanten beläſtigen, dann würden Sie es dem Hausvater nicht verdenken, daß er von dem Züchtigungsrecht Gebrauch macht. Daß es über⸗ ſchritten worden iſt, habe ich nicht in einem einzigen Falle finden können. Was den zweiten Punkt des Antrages betrifft: der Magiſtrat wird erſucht, darauf hinzuwirken, daß die Stelle nicht mehr im Nebenamte beſetzt wird —, ſo kann ich natürlich heute nicht ſagen, wie der Magiſtrat darüber denkt. Perſönlich möchte ich ſagen: ich ſehe nicht das leiſeſte Bedürfnis ein, für dieſe Anſtalt einen Leiter im Hauptamte zu haben. Ein ſolcher hauptamtlicher Leiter iſt da am Platze, wo die Kinder in der Anſtalt unterrichtet werden und den ganzen Tag zu Hauſe ſind. Aber wo, wie hier, die Kinder in öffentliche Schulen gehen, morgens früh weggehen, mittags nach Hauſe kommen, nachmittags auch vielleicht wieder zur Schule gehen, wüßte ich nicht, was der Leiter im Hauptamte eigentlich anfangen ſollte; denn der Wirtſchaftsbetrieb, namentlich wenn eine tüchtige Hausmutter da iſt, regelt ſich von ſelbſt. Daß er ſich abends mit den Jungen große Mühe gibt und ſie beſchäftigt, kann ich aus eigener Wiſſenſchaft beſtätigen. Er unterrichtet ſie in verſchiedenen Handfertigkeiten, in Schnitzarbeiten (Stadtv. Zietſch: Die er ſelbſt macht!) — nein, die die Jungen machen. — Ich habe auch geſagt, daß ich geſtern die Jungen ſehr vergnügt und munter angetroffen habe. Ich glaube, es beſteht nicht das geringſte Bedürfnis, an einer ſolchen Anſtalt einen Leiter im Hauptamt anzuſtellen. Es haben ſich nicht die leiſeſten Bedenken gegen eine Verwaltung im Nebenamte ergeben. Das iſt Sitzung vom 24. November 1909 aber, wie geſagt, nur meine perſönliche Anſicht; 10 der Magiſtrat ſich dazu ſtellt, kann ich nicht agen. Stadv. Dr. Frentzel: Meine Herren, dem Herrn Kollegen Zietſch kann inſofern geholfen werden, als ich hier im Namen meiner Freunde den Antrag ſtelle, den Antrag Bartſch und Gen. einem Ausſchuſſe von 15 Mitgliedern zur Be⸗ ratung zu übergeben. Das iſt allerdings der einzige Punkt, worin ich dem Herrn Kollegen Zietſch beiſtimmen kann. In allen anderen Punkten muß ich ihm widerſprechen. Er hat in einer etwas eigentümlichen Art und Weiſe die Begründung ſeines Antrages vor⸗ genommen. Im Anfang hat er ſich mit Zeitungs⸗ nachrichten beſchäftigt, quasi defenſiv ſich gegen Zeitungsnachrichten gewandt, hat dann über Ge⸗ rüchte geſprochen, ohne überhaupt anzugeben, worum es ſich handelt, und ſo ganz allmählich im Laufe der Unterredung iſt dann herausge⸗ kommen, was eigentlich dem Antrage zugrunde liegt, daß es ſich um Anklagen handelt, die gegen den Lehrer Richter erhoben werden auf Grund angeblich vorgekommener körperlicher Mißhand⸗ lungen in der Anſtalt. Und was hat er nun wirklich vorgebracht? — Daß alles, was er geſagt hat, mit dem „ſoll“ bezeichnet worden iſt, mache ich ihm am wenigſten zum Vorwurf oder vielmehr gar nicht; denn ich weiß ganz genau, daß er nicht viel anders in dieſer Beziehung vorgehen konnte. Etwas mehr hätte ich aber doch von ihm in bezug auf ſeine Hintermänner erwartet, etwas mehr in bezug auf die Methode, wie eigentlich die Unter⸗ ſuchung geführt worden iſt, in welcher Weiſe man verſucht hat, wirklich objektiv die Wahrheit zu finden. Von alledem nichts! Er hat ſich eigentlich von vornherein ſelber ſein Beweismaterial dadurch abgeſchnitten, daß er die Zeugen dieſer angeblichen Mißhandlungen, nämlich die Kinder, für un⸗ glaubwürdig, inobjektiv, lügenhaft erklärt hat (Stadtv. Zietſch: Ich?2) —Sie haben das getan, haben das von vornherein betont, ſo daß, wenn ich Ihnen in dieſer Anſicht folgen würde, die Angelegenheit ewig in einem Dunkel verbleiben müßte. Meine Herren, ſchon aus dieſen Grunde wird es ſich empfehlen, einen Ausſchuß einzuſetzen, und meine Freunde tun das, obgleich ſie eigent⸗ lich Grund, und, wie ich glaube, auch gute Gründe hatten, zu wünſchen, daß mit der heutigen Ver⸗ handlung die Angelegenheit ein für allemal begraben ſein ſollte, weil ſie auch über ihre Stel⸗ lungnahme gegenüber dem ſozialdemokratiſchen Antrage die Offentlichkeit nicht im Zweifel laſſen wollten, und weil ſie vor allen Dingen daran den⸗ ken, daß den Gerüchten, die, wie Herr Kollege Zietſch eben vorgeleſen hat, bereits auch in Zei⸗ tungen Eingang gefunden haben, endlich ein Ende gemacht werden muß. Trotzdem halten wir eine Ausſchußberatung für richtig, weil wir glauben, daß in dieſem Punkte abſolut nichts verſäumt werden darf, um auch das Geringſte, den kleinſten Gegenſtand nach jeder Richtung hin aufzuklären, und weil wir uns vorgenommen haben, dieſen Antrag, ſeine Entſtehungsgeſchichte, ſeine Be⸗ gründung und auch ſeine Verteidigung hier im Plenum beſonders ſcharf unter die Lupe zu nehmen. (Bravo!)