522 vielmehr auf eine wirkſame Inſzenierung und einen ſenſationellen Aufputz an. (Erneutes lebhaftes Bravo. — Unruhe und Wider⸗ ſpruch bei den Sozialdemokraten.) Bürgermeiſter Matting: Nachdem es nach den Erklärungen des Herrn Stadtv. Dr Frenzel wohl mit Sicherheit anzunehmen iſt, daß die Ange⸗ legenheit in einen Ausſchuß kommen wird, würde es vielleicht entbehrlich ſein, zumal durch die Aus⸗ führungen des Herrn Stadtrats Samter die An⸗ gelegenheit ſchon ziemlich eingehend materiell be⸗ leuchtet iſt, daß ich auch das Wort ergreife. Wenn ich es tue, ſo geſchieht es deshalb, weil ich an drei namentlich in die Debatte gezogen worden in. Zum erſten Mal von Herrn Stadtv. Zietſch, der darauf Bezug genommen hat, daß die Morgen⸗ poſt in irgendeiner ihrer Notizen mich als ihren Gewährsmann nennt. Herr Stadtv. Zietſch ſcheint es wunderlich zu finden, daß ich vor dem Abſchluß der Unterſuchung oder vor der Verhandlung in dieſer Verſammlung eine Zeitung mit Information verſehe. curuf.) — Wenn ich Sie falſch verſtanden habe, ſoll mir das leid tun. Ich weiß nicht, wie ich anders hätte vorgehen ſollen. Ich bin in dieſen Tagen wieder⸗ holt auch von anderen Preſſevertretern beſucht und um Auskunft in dieſer Angelegenheit gebeten worden. Es hatte in den Zeitungen geſtanden, es habe eine Unterſuchung bereits ſtattgefunden, und der betreffende Vertreter der Preſſe fragte mich: was iſt denn dabei herausgekommen? Ich habe ihm das Ergebnis der Unterſuchungen mit⸗ geteilt, wie es aktenmäßig ſchon feſtgelegt war, wie es auch Herrn Stadtrat Samter und Herrn Ober⸗ bürgermeiſter bekannt geworden war. An einer anderen Stelle in der Preſſe iſt der Magiſtrat an⸗ gegriffen worden, daß er nicht genügend Material und nicht rechtzeitig genug der Preſſe zugänglich gemacht hat. Ja, meine Herren, wie man's macht, macht man's bekanntlich falſch; entweder man gibt dem einen zu viel oder dem anderen zu wenig Material — es iſt nie richtig, wie verfahren wird. Die Notiz, daß der Zuſatz „IV. Mädchenklaſſe“ auf die Möglichkeit ſittlicher Vergehen ſchließen laſſe, iſt, ſoviel ich weiß, von keiner Stelle des Magiſtrats ausgegangen; ich habe wenigſtens nicht entfernt auch nur eine Bemerkung gemacht, welche ſo auf⸗ gefaßt werden kann. Wobei ich bemerken will, daß es allerdings nur einen Hausvater Richter im Waiſenhaus gibt, ſo daß ein Zweifel über die Identität der Perſon wohl nicht beſtehen konnte. (Sehr richtig!) Die zweite Bemerkung ging dahin, daß Herr Armenpfleger Wollmann ſich an mich um Auskunft gewendet, daß ich aber mich ihm gegenüber ſehr zugeknöpft verhalten und von vornherein eine den Richterſchen Eheleuten auffallend freundliche Stellung genommen habe, ſo daß ſchließlich der Herr Wollmann bzw. der Antragſteller ſich genötigt geſehen habe, die Flucht in die Offentlichkeit anzu⸗ treten, ich alſo gewiſſermaßen daran ſchuld ſei, daß die Sache hier in der Weiſe, wie es geſchehen iſt, verhandelt werden muß. Meine Herren, davon kann nicht entfernt die Rede ſein. Der Armen⸗ pfleger Wollmann kam, wenn ich nicht irre, Ende Auguſt zu mir und fragte mich über den Stand der Sache. Darauf war ich nicht in der Lage, ihm Sitzung vom 24. November 1909 eine vollſtändig erſchöpfende Auskunft zu geben, und ich habe ihm geſagt: Sie haben ſich ja im übrigen mit Ihrer Beſchwerde nicht an mich gewendet, ſondern an Herrn Stadtrat Samter, Herr Stadtrat Samter iſt der Dezernent, der mich nur als den Vorſitzenden des Waiſenhauskuratoriums um die Unterſuchung gebeten hat, ich werde die Unter⸗ ſuchung erledigen, werde das Material Herrn Stadtrat Samter zuſtellen, und dann ſteht es Ihnen frei, ſich an Herrn Stadtrat Samter zu wenden, dem ja dann, nachdem er ſeinerſeits das Material geprüft und die Objektivität desſelben feſtgeſtellt haben wird, überlaſſen bleiben wird, Ihnen die Auskunft zu geben, die er für zweckmäßig hält. Daß ich die mir vorgetragenen Angaben ſämtlich für unwahr oder doch erheblich übertrieben halte,davon habe ich allerdings ſchon hierbei keinen Zweifel gelaſſen. Meine Herren, daß ich — oder das Kura⸗ torium; geſtatten Sie, daß ich das gelegentlich mal durcheinander bringe, weil ich zufälligerweiſe der Vorſitzende des Kuratoriums bin — keine Ver⸗ anlaſſung hatte, mich mit Herrn Wollmann in weitere Auseinanderſetzungen einzulaſſen, ihm mein Material zugänglich zu machen, ihn wo⸗ möglich als Zeugen nachher bei den Verhandlungen zuzuziehen, das werden Sie mir wohl nach⸗ empfinden. Ich bin lediglich Herrn Stadtrat Samter in meiner Eigenſchaft als Vorſitzender des Kuratoriums verantwortlich für die ordnungs⸗ mäßige Führung der Unterſuchung, und dieſe Pflicht habe ich erfüllt. Nun bin ich endlich hier wiederholt in meiner Eigenſchaft als Vorſitzender des Kuratoriums an⸗ geſprochen worden, und ich bin gern bereit, mich über die mehrjährigen Erfahrungen meines Amtes zu äußern. Bis auf den Fall des Knaben Schott, der angeblich mit dem Pantoffel geſchlagen ſein ſoll, iſt mir auch nicht ein einziges Vorbringen des Herrn Stadtv. Zietſch heute neu und unbekannt geweſen. Es iſt mir bekannt, daß vor Jahren die Frau Schulz bei mir geweſen iſt, um ſich wegen der Verletzung der Hand ihrer Tochter durch Schläge zu beſchweren. Darauf iſt die Sache unterſucht worden, und die Frau hat den Beſcheid erhalten, daß zu irgendeiner Maßregel keine Veranlaſſung vorgelegen habe. Schon damals iſt nach meiner Erinnerung der Fall ſo harmlos aufgeklärt worden, wie er hier heute feſtgeſtellt worden iſt. Die Frau Schott hat ſich in meiner Abweſen⸗ heit, als ich auf Urlaub war, an Herrn Oberpfarrer Riemann gewendet wegen irgendeiner Beſchwerde, und als ich nun in dem neuen Material des Herrn Wollmann von dieſem Vorgange Kenntnis erhalten habe, habe ich mich mit Herrn Oberpfarrer Riemann in Verbindung geſetzt und ihn gefragt: was iſt denn damals vorgegangen? Die Sache iſt ſo unbe⸗ deutend geweſen, daß Herrn Oberpfarrer Riemann ſelbſt der ganze Vorfall entgangen war und er mir keine Auskunft mehr geben konnte. Nun fügte es ſich aber, daß Frau Schott, und zwar auch im Auguſt, den Antrag ſtellte, ihr Kind Frida Schott zum 1. Oktober d. JI. aus dem Waiſenhaus entlaſſen zu ſehen. Inzwiſchen war die Wollmannſche Be⸗ ſchwerde bereits eingegangen. Ich habe infolge⸗ deſſen Veranlaſſung genommen, dieſe Frau Schott zu mir perſönlich vorzuladen und ſie zu fragen, welche Gründe ſie für die Herausnahme des Kindes Frida aus der Anſtalt habe, ob das etwa Be⸗ ſchwerdegründe ſeien, ob ſie unzufrieden ſei mit der Handhabung der Diſziplin in der Anſtalt,