Sitzung vom 24 worauf ſie mir für dieſes Kind Frida erklärt hat: davon ſei nicht die Rede, ſie müſſe das Mädchen nur nach Hauſe nehmen, weil ihre ältere Tochter inzwiſchen aus der Schule entlaſſen und in den Dienſt gegangen ſei und ſie nunmehr eine Tochter wieder im Hauſe haben müſſe, um die jüngeren Kinder, die, wenn ich nicht irre, noch gar nicht ein⸗ mal in die Schule gehen, in ihrer Abweſenheit zu beaufſichtigen, da ſie einen Aufwartedienſt uſw. habe. Bei dieſer Gelegenheit habe ich ſie dann weiter gefragt, was ſie über die Wollmannſchen Beſchwerden wiſſe, und darauf hat ſie mir aller⸗ dings erklärt, daß ihr Sohn Willi mit Gefühlen des Haſſes die Anſtalt verlaſſen habe, wenigſtens habe er nach ſeiner Entlaſſung Außerungen getan, die ſie ſo habe auslegen müſſen. Sie hat mir gleich⸗ zeitig aber bei dieſer Gelegenheit geſagt: der Junge hat in der Anſtalt ſoviel Praktiſches und Nützliches gelernt, daß es ihm jetzt in ſeiner neuen Stellung — er iſt, wenn ich nicht irre, Laufburſche in dem Seidengeſchäft von Heſſe — außerordentlich zu⸗ ſtatten kommt, er iſt ſofort in die Kantine geſteckt worden, weil er mit den häuslichen Verrichtungen, mit Putzen uſw. wunderbar Beſcheid weiß, und er iſt dadurch in die Lage gekommen, ſich eine ſehr angenehme Stellung für ſein weiteres Fort⸗ kommen zu ſchaffen. Das iſt der Fall Schott. Wenn ich nicht irre, hat ſie mir auch von dem an⸗ geblichen Zuſammenſtoßen der Köpfe geſprochen. Ich konnte mich natürlich mit der Frau Schott, die ja auch nichts weiter tun konnte als ſich auf die Mitteilungen ihres Sohnes zu beziehen, in weitere Erörterungen darüber nicht einlaſſen. Nun iſt die Frage geſtellt worden, wie denn die Unterſuchung geführt worden ſei. Meine Herren, als die Beſchwerden mir am 15. Auguſt von Herrn Stadtrat Samter überreicht wurden mit der Bemerkung: „Das ſind ja beinahe Ver⸗ hältniſſe wie in Mieltſchin!“, war ich in hohem Maße überraſcht und — ich gebe gleich zu — auch überzeugt, daß hier maßloſe Übertreibungen ob⸗ walten müßten. Meine Herren, ich kenne die Richterſchen Eheleute ſeit vier Jahren, ſolange ſie die Anſtalt leiten, und nicht nur ich, ſondern jedes Kuratoriummitglied, vor allen Dingen die Herren, die mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit in die Anſtalt kommen. Das iſt z. B. Herr Bauinſpektor Walter, der die bauliche Aufſicht über die Anſtalt führt, der Arzt, der Schatzmeiſter; — ſie alle, übrigens auch Herren außerhalb des Kuratoriums, die gelegentlich und vielfach ſogar mit mehrfachen Wiederholungen nach dem Waiſenhauſe gekommen ſind, jeder hat mir nur immer erklärt, welchen unbefangenen, welchen fröhlichen, welchen vertrauensvollen Ein⸗ druck die Kinder machen. Von einer groben Züchti⸗ gung hat niemals jemand etwas geſehen oder ge⸗ hört. Ich bin zu jeder — Tagesſtunde kann ich nicht ſagen: denn vormittags gehe ich nicht hin, die Kinder find dann nicht da, ſie ſind in der Schule — aber Nachmittagsſtunde in das Waiſenhaus ge⸗ kommen, und ich habe den Waiſenhausvater immer in heiterer Gemeinſchaft mit den Kindern im Garten, auf dem Spielplatz, bei den Schularbeiten oder ſonſt wie geſehen und niemals bei den Kindern eine Träne, ein ſcheues oder gedrücktes Weſen be⸗ obachtet. Alle Mitglieder des Kuratoriums, die ſonſt noch Beziehungen zu den Kindern und ihren Angehörigen haben, ſind von mir gebeten worden, irgendwelche ihnen zugänglichen Informationen zu ſammeln und mir zugänglich zu machen. Herr .November 1909 523 Dr Erdmann hat die Zöglinge und auch frühere Zöglinge, die zu ihm in die Sprechſtunde gekommen ſind, befragt, andere Herren haben ſich mit den Eltern in Beziehungen geſetzt und Ertundigungen eingezogen. Dabei hat ſich auffälligerweiſe — vielleicht auch nicht auffälligerweiſe ergeben, daß am zufriedenſten und glücklich über die Unter⸗ bringung ihrer Kinder in der Anſtalt diejenigen Eltern ſind, die ihre volle Penſion für ihre Kinder dort bezahlen; diejenigen Eltern aber, denen alles gratis geliefert wird, können für ihre Kinder nicht genug bekommen, (hört, hört!) — und das ſind diejenigen, die den Hauseltern das Amt verleiden. Die Beobachtung iſt eine leider ſehr oft wiederkehrende, daß an den Montagen, wenn derartige Kinder am Sonntage ihren Aus⸗ gehtag gehabt haben, dann die Aufſäſſigkeit be⸗ ginnt; dann iſt die Unzufriedenheit — das läßt ſich in einzelnen Fällen mit unbedingter Zuver⸗ läſſigkeit nachweiſen — von Müttern, die ihre Lieblinge nicht genug dort draußen gehätſchelt ſehen, geſchürt worden, und dann fängt die Schwierigkeit der Diſziplin an. Meine Herren, ich will nicht weiter auf die Materie eingehen. Ich habe mich im übrigen auch über den dienſtlichen Ruf des Hausvaters von neuem noch einmal zum Überfluß erkundigt und kann Ihnen nur beſtätigen, daß von allen Seiten, die den Lehrer Richter kennen, dem Stadtſchul⸗ inſpektor, mit dem ich angefangen habe, ſeinem Rektor und dem Stadtſchulrat dem Manne das günſtigſte Zeugnis ausgeſtellt wird. Er hat noch niemals, ſoviel mir bekannt iſt und aus den Akten feſtſteht, in diſziplinarer Beziehung zu Klagen Ver⸗ laſſung gegeben, gilt als ſachlicher, ruhiger, be⸗ ſonnener Mann. Alle dieſe Momente zuſammen⸗ genommen werden es berechtigt erſcheinen laſſen, daß ich, als der Herr Wollmann zu mir kam, für die Richterſchen Eheleute Partei ergriffen habe. Darauf bin ich hinausgegangen zu der Anſtalt, ebenfalls mit Herrn Bauinſpektor Walter als Schrift⸗ führer, und habe genau wie Herr Stadtrat Samter verfahren und die Kinder in Abweſenheit der Eltern natürlich einzeln vernommen und genau, wie Herr Stadtrat Samter, väterlich den Kindern zugeredet und geſagt: mir liegt ja daran, daß ihr mir die volle Wahrheit ſagt, und wenn ihr euch mit Recht beklagt, werde ich für Abhilfe ſorgen. Das Ergebnis iſt von Stadtbauinſpektor Walter ordnungsmäßig zu Papier gebracht worden; es deckt ſich faſt wörtlich, möchte ich ſagen, mit dem vor⸗ her eingeforderten ſchriftlichen Bericht des Waiſen⸗ vaters. Dieſes Material habe ich dem Kuratorium vorgelegt, und das Kuratorium hat beſchloſſen — ſo ungefähr lautet der Beſchluß —: es nimmt mit Befriedigung Kenntnis von dem Ergebnis der Unterſuchung und drückt den Waiſeneltern das Vertrauen aus. Dieſen Ausgang habe ich alsdann Herrn Stadtrat Samter mitgeteilt. Trotz dieſes ſehr erfreulichen Ergebniſſes der Unterſuchung habe ich mich aber — um in keiner Weiſe die Ob⸗ jektivität zu verletzen — nicht entſchließen können, nun etwa einſeitig die Partei der Eltern zu er⸗ greifen. Der Wunſch der Eltern, die Knaben, vor allen Dingen den aufſäſſigſten von allen, den Hans Maaß, aus dem Waiſenhauſe loszuwerden, war ja verſtändlich. Als mir dieſer Wunſch aus⸗ geſprochen wurde, habe ich den Richterſchen Ehe⸗ leuten geſagt: Daran iſt gar nicht zu denken, ihr