524 Sitzung vom 24. eurer Diſziplin ſo einrichten, daß ihr auch mit ſolchen Elementen fertig werdet, und in einem ſolchen Augenblick einen Knaben wie den Hans Maaß aus der Anſtalt zu entfernen, würde beinahe ſo ausſehen, als wenn man den⸗ jenigen, der den Mut gehabt hat, ſich zu beſchweren, dafür ſtrafen wolle — das lehne ich ab. Ich habe im übrigen auch die Fälle der Diſziplinmaßnahmen, die zu Ausſtellungen Veranlaſſung zu geben ſchienen — z. B. das Ohrenzwicken, auch die gelegentliche Anwendung von Schimpfwörtern —, als nicht opportun bezeichnet, alſo trotz dieſer meiner freund⸗ lichen Stellung dem Hausvater gegenüber mich verpflichtet gefühlt, die Unparteilichkeit zu wahren. Das Erge bnis iſt aber leider geweſen, daß dieſer Standpunkt nicht aufrecht erhalten werden konnte. Die Richterſchen Eheleute haben ſich nunmehr jeder Diſziplin, wenigſtens den Maaßſchen Kindern gegenüber, die ich übrigens ernſtlich verwarnt habe, in Geſtalt körperlicher Züchtigung enthalten — müßt euch mit und was war die Folge? Dem Hans Maaß ſchwoll⸗ der Kamm. Er kriegt den Auftrag, Meſſer zu putzen, die nicht ſauber waren, als die Eltern ſich zu Tiſche ſetzten; die Eltern lauern auf das Abendbrot; ſie wundern ſich, wo der Junge bleibt, ſie ſchicken hin⸗ aus — „ick habe noch viel Zeit!“ läßt er ihnen ſagen. Er beſtätigte das auf meine Frage mit den Worten: „Ich habe noch ein bißchen Zeit“ hätte er ihnen ſagen laſſen. Mehrere Kinder, von denen ich eins, ein größeres Mädchen, das abſolut Ver⸗ trauen erweckte, vernommen habe, hetzte er auf und ſagte: „Wenn euch die Hauseltern Unrecht tun, dann kommt nur zu mir, und ich gehe zu meiner Mutter, und die ſagt's dem Bürgermeiſter!“ (Zuruf: Er meint Zietſch! — Große Heiterkeit.) In anderen Fällen ſagte er den Jungen: „Wenn ihr Haue kriegt, dann ſtellt euch nur ohnmächtig, dann kriegt er Angſt!“ (Heiterkeit.) Ja, meine Herren, als die Situation ſoweit gediehen war, mußte ich allerdings zu der Erkenntnis kommen: entweder die Hauseltern gehen — und zwar hat mir Herr Richter ſein Amt zur Dispoſition geſtellt — oder die Maaßſchen Kinder müſſen gehen. Und ich kann nur erklären, daß ich es als einen großen Verluſt für das Waiſenhaus gehalten hätte, wenn die Richterſchen Eheleute gegangen wären; in dieſem Augenblick durfte der Wechſel aber jeden⸗ falls nicht vorgenommen werden, denn ſonſt wäre die Diſziplin in dem Waiſenhauſe überhaupt nicht mehr aufrecht zu erhalten geweſen. Ich habe da Herrn Stadtrat Samter das Material gegeben und geſagt: „Ich bitte Sie, entfernen Sie nur den Hans Maaß“ — von dem andern war die Rede noch nicht. Das wurde angeordnet. Und nun kommt das Auffallende: in dem Augenblick, als dieſe Maßregel einſetzt, fühlt ſich der Beſchwerdeführer gedrungen, die Sache an die Offentlichkeit zu bringen. Solange nichts geſchehen war, ſolange ſich die Waiſeneltern von dem Jungen, kann man ſagen, auf der Naſe herumtanzen ließen, ſo lange ging alles ſchön, da wurde die Flucht in die Offentlichkeit nicht ange⸗ treten; aber als nun der Befehl kam: „der Hans muß raus“, da ging die Jagd los. Das iſt aller⸗ dings ein ſehr auffälliges Zuſammentreffen, und ich weiß nicht, wie ich das erklären ſoll. Nun hat ſich dadurch, daß die Sache in die Offentlichkeit, in die Zeitungen gekommen iſt, allerdings die Sache noch weiter zugeſpitzt; jetzt beſtand für das Kuratorium kein Zweifel, daß die ſämtlichen Maaß⸗ November 1909 ſchen Kinder hinaus mußten; denn ſolange dieſe Kinder in der Anſtalt verbleiben, beſteht die Gefahr, daß niemals Ruhe und Diſziplin zurückkehrt. Ich will kein Wort ſonſt über die perſönlichen Verhält⸗ niſſe der betreffenden Mütter ſagen; wenn aber eine Frau einem Mädchen, das über die ungerechten Angriffe, die der Hausmutter zuteil geworden waren, empört war, auf der Straße nachrufen kann: „Du haſt och über die Olle geweint!?“ dann iſt die Gefahr, daß die Diſziplin vollſtändig unter⸗ graben wird, doch ſo groß, daß man dieſe Kinder, die einen ſolchen Rückhalt bei ihrer Mutter finden, allerdings aus der Anſtalt entfernen mußte — und das hat nun das Kuratorium beſchloſſen, und Herr Stadtrat Samter hat zu meiner Freude ſeine Zuſtimmung dazu gegeben. Nun, meine Herren, die zweite in dem Antrage mit gleicher Bedeutung behandelte Frage: die Beſchäftigung des Hausvaters im Nebenamt. Herr Stadtrat Samter iſt bereits darauf eingegangen, daß das eine Frage iſt, die in erſter Linie von dem Kuratorium des Waiſenhauſes gelöſt werden muß. Allerdings, wenn ſie ſo gelöſt werden ſoll, wie Herr Stadtv. Zietſch es will, daß der Magiſtrat den Lehrern unterſagen würde, ſolche Amter anzu⸗ nehmen, dann würde das Kuratorium ſich außer⸗ ſtande ſehen, in der bisherigen Weiſe das Amt zu beſetzen, weil wir eben keinen Lehrer zur Über⸗ nahme mehr finden könnten. Ich möchte aber vor einem ſolchen Schritt dringend warnen. Seit ich im Kuratorium bin — das iſt ſeit 1898 — habe ich die Beſetzung dieſer Hausvaterſtelle nur im Nebenamt kennen gelernt: der erſte war der damalige Lehrer Quadfaſel, der zweite war der Lehrer — jetzige Rektor — Stübert, und der dritte iſt jetzt der Lehrer Richter. Es iſt durchaus erforder⸗ lich, meine Herren, daß ein ſolcher Mann eine ge⸗ wiſſe pädagogiſche Ausbildung hat, und Sie mögen von der pädagogiſchen Begabung des Lehrers Richter ſo gering denken wie Herr Stadtv. Zietſch, ich kann Ihnen nur ſagen: ich ſchätze die pädago⸗ giſche Seite an der Amtsführung der beiden Ehe⸗ leute Richter, ſelbſt unter Einrechnung der kleinen Mißgriffe mit dem Ohrenzwicken. Im übrigen aber wirkt es hier noch ganz beſonders zugunſten des Herrn Richter, daß Herr Richter Lehrer an derjenigen Schule iſt, in der die ſämtlichen Waiſen⸗ hauskinder, mit wenigen Ausnahmen, unterrichtet werden, ſo daß 9eer Richter auch infolge ſeiner Stellung als Lehrer dieſer Schule eine gewiſſe Aufſicht über die Schulerfolge ſeiner Kinder hat, immer von ſeinen Kollegen Nachricht erhält, wie die Kinder ſich in der Schule betragen, alſo fort⸗ während auf dem laufenden iſt. Das hat ſich ſehr gut bewährt, und ich würde es bedauern, wenn darin eine Anderung eintreten müßte. Was aber die ökonomiſche Seite anbetrifft, meine Herren, ſo unterſchätzt Herr Stadtv. Zietſch die Tätigkeit der Frau ganz außerordentlich. Ich kann Ihnen ſagen, daß, wenn ich Herrn Lehrer Richter ſehr hoch ſchätze, ich ſeine Frau nicht einen Deut an Bedeutung hinter ihren Mann zurückſtelle. (Sehr richtig!) Die Frau hat an der Erziehung der Mädchen — auch der Knaben, aber beſonders der Mädchen — Eminentes geleiſtet; es gibt kein Mädchen — ſie bleiben nach Vollendung der Schulpflicht noch 2 Jahre gebührenfrei in der Anſtalt und werden im Hauſe beſchäftigt —, das nicht vorzüglich für das häusliche Leben vorbereitet wäre.) Die Frau