Sitzung vom 24. November 1909 Richter gibt ſich mit einer Sachkenntnis, einer Hingabe, einem Fleiß und einer Freundlichkeit ihrem Amte hin, daß es erſtaunlich iſt; Sie können hinkommen, wann Sie wollen, Sie finden die Frau entweder in der Küche oder am Waſchfaß oder in der Plättſtube oder an der Nähmaſchine und immer von einigen Mädchen umgeben, die von ihr lernen. (Hört, hört!) Ich würde es für einen großen Verluſt für die Anſtalt halten, wenn wir eine derartige Haus⸗ mutter verlieren würden. Ich glaube nicht, daß ſie ſehr leicht zu erſetzen ſein würde. (Stadtv. Otto: Sehr richtig!) Das ſind die Verhältniſſe, wie ſie liegen. Ich glaube nicht, daß die Ausſchußberatung ſehr viel Neues zutage fördern kann; ſelbſtverſtändlich bin ich aber gern bereit — es iſt zwar an ſich Sache des Magiſtratsvertreters, aber ich werde wohl auch Gelegenheit erhalten —, im Ausſchuß jede er⸗ wünſchte Auskunft zu geben. Mir lag nur daran, ſchon heute in der Offentlichkeit und vor der Offent⸗ lichkeit, die beunruhigt worden iſt, durch die Art, wie dieſe Angelegenheit behandelt worden iſt, Beruhigung zu ſchaffen, und ich hoffe, das ſchon jetzt als das Ergebnis der heutigen Beſprechung erwarten zu dürfen. (Lebhaftes Bravo.) Stadtv. Hirſch: Meine Herren, nachdem auch die Herren von der liberalen Fraktion ſich mit der Überweiſung des Antrages an einen Ausſchuß einverſtanden erklärt haben, hätte ich eigentlich auf das Wort verzichten können. (Sehr richtig!) Wenn ich trotzdem das Wort ergreife, ſo geſchieht es hauptſächlich, um auf die provokatoriſchen Ausführungen des Herrn Kollegen Frentzel kurz zu erwidern. Meine Herren, ſchon bei den Ausführungen meines Freundes Zietſch mußte es einem auf⸗ fallen, in welcher Weiſe Herr Frentzel und einige ſeiner Freunde ſich als freiwillige Magiſtrats⸗ kommiſſare gebärdeten, (ſehr richtig! bei den Sozialdemokraten) und ohne daß ſie überhaupt eine Ahnung hatten, um was es ſich handelt, hier geradezu als Claque für den Magiſtrat aufgetreten ſind. Meine Herren, es ſind während der Rede meines Freundes Zietſch von einigen der Herren Zwiſchenrufe ge⸗ fallen, die alles, was bisher in Parlamenten üblich iſt, in den Schatten ſtellen. (Rufe: Na, na! — Zuruf: Welche Zwiſchenrufe?) Meine Herren, als mein Freund Zietſch davon ſprach, daß einige der Schüler ſich mit Selbſtmord⸗ gedanken trugen, da ſind ganz faule Bemerkungen von einem der Herren gefallen. Als er davon ſprach, daß zwei Schüler mit den Köpfen aneinander geſtoßen ſind, rief der eine Herr: „Wo bleibt der Kopf des andern?!“ Alle derartigen Bemerkungen ſind abſolut nicht angebracht, und gerade Sie, die ſich dieſe Bemerkungen bzw. deſſen Freunde ſich dieſe Bemerkungen erlaubt haben, haben jedes Recht verwirkt, hier als Moralprediger aufzutreten und uns vorzuhalten, was wir tun ſollen. Herr Kollege Frentzel hat Gründe abſolut nicht angeführt, Herr Kollege Frentzel hat zur Sache abſolut nicht geſprochen, und wie das immer geſchieht, wenn man nicht zur Sache ſprechen kann: man ſchiebt die Sache auf ein ganz anderes Gebiet. So hat es 525 auch Herr Kollege Frentzel getan, ſo hat er die Sache auf das politiſche Gebiet hinübergeſchoben und hat nun geglaubt, den Sozialdemokraten eine Moralpauke halten zu können. Herr Kollege Frentzel, ich will Ihnen auf dieſes Gebiet nicht folgen, (Stadtv. Dr Frentzel: warum nicht?) und zwar in Ihrem eigenen Intereſſe. Würde ich das tun und Ihnen alle die Sünden Ihrer Freunde vorhalten, den ganzen Verrat, den Sie Jahrzehnte lang verübt haben, (Lachen bei den Liberalen) wir würden die ganze Nacht hier ſitzen und doch nicht fertig werden. (Lachen und Zurufe.) — Erſtens gehört das nicht zur Sache, meine Herren; (ſehr richtig!) das iſt alles gerichtsnotoriſch, deshalb brauchen wir hier nicht darüber zu reden. (Große Heiterkeit.) Wie kommt Herr Kollege Frentzel dazu, zu ſagen, wir hätten die Welt ſo oft in Erſtaunen geſetzt über die kraſſe und erbarmungsloſe Art, in der wir unbotmäßige Elemente hinauswerfen, und auf einen Zuruf meiner Freunde fügte er hinzu: Stockſchläge auf den Magen! (Zurufe.) Ja, meine Herren, wohin führt das, wenn Sie ſolche Reichsverbandslügen auch in dieſe Ver⸗ ſammlung hineintragen? Sie ſagen ja immer, Sie wollen die Politik nicht hier hineintragen; ja, meine Herren, ſoll das nicht eine heuchleriſche Phraſe ſein, dann dürfen Sie ſolche Reden, wie ſie von Herrn Kollegen Frentzel gehalten ſind, nicht halten. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Herr Kollege Frentzel ſtellt ſich hin und ruft pathe⸗ tiſch unter dem Beifall ſeiner Freunde: haben Sie doch ein bißchen Achtung vor den Menſchenrechten auch derjenigen, die nicht Ihrer Partei angehören! Das könnte man Ihnen zurufen, meine Herren. (Lachen.) Was hat die ganze Sache mit irgendwelchen partei⸗ politiſchen Fragen zu tun? Glauben Sie, der Antrag iſt geſtellt worden, weil der Lehrer Richter, von dem wir nicht wiſſen, welcher Partei er an⸗ gehört, vielleicht zu Ihrer Partei gehört? Glauben Sie, daß der Antrag anders lauten würde, wenn es ſich um einen Sozialdemokraten handeln würde? (Lebhafte Rufe: Ja!) — Ja, meine Herren, wenn Sie da Ja rufen, dann zeigt es ſich, daß Sie eben ſehr voreinge⸗ nommen hierher kommen; dann zeigt das aber auch, daß Ihnen an einer objertiven Unterſuchung nichts liegt. Und wenn Herr Kollege Frentzel davon geſprochen hat, daß es den Antragſtellern nur auf eine wirkſame Inſzenierung und ſenſationellen Aufputz ankommt, dann muß ich ſagen: wenn überhaupt von Senſation, von ſenſationellem Auf⸗ putz, von wirkſamer Inſzenierung die Rede war, dann hat ſich das gezeigt in der Art, wie Ihr Wortführer hier aufgetreten iſt, der abſolut kein Wort zur Sache geſprochen, ſondern nur den Sozialdemokraten geſagt hat: ihr habt den Mund zu halten, ihr habt überhaupt kein Recht, etwas vorzubringen. Herr Kollege Frentzel beſchwert ſich über die Form des Antrages. (Stadtv. Dr Frentzel: Nur das!)