526 — Ja, wir werden in Zukunft bei Ihrer Fraktion an⸗ fragen, in welcher Form wir unſere Anträge zu ſtellen haben. (Sehr gut! und Heiterkeit.) Dann wird allerdings überhaupt nichts Ver⸗ nünftiges mehr herauskommen. Wir müſſen uns derartige Bemerkungen von Ihrer Seite verbitten; wir wiſſen allein, was wir zu tun haben. Herr Kollege Frentzel ſcheint überhaupt un⸗ geduldig und nervös zu ſein. Er hat ſich darüber beſchwert, daß der Begründer des Antrags ſich zuerſt mit einigen Zeitungsartikeln beſchäftigt hat, ehe er auf den Antrag ſelbſt einging. Ja, erſtens wußten Sie ſchon — (Lebhafte Zurufe; Stadtv. Viel ſpäter!) Ja, Sie werden doch nicht beſtreiten, daß Sie ſofort in die Magiſtratsbüros liefen und ſich Er⸗ kundigungen holten, um zu wiſſen, an welcher Stelle Sie oho ſchreien ſollen — (Große Unruhe, lebhafte Zurufe und Lachen bei den Liberalen.) Sie wußten ja ſchon, daß alles nicht ſtimmt, weil Sie ſich eben nur auf einſeitige Informationen verlaſſen. Herr Kollege Frentzel beſchwert ſich auch, daß der Antragſteller die Zeitungsnachrichten in den Bereich ſeiner Erörterungen gezogen hat. Ja, das war dringend notwendig, und Sie ſehen ja, von welcher Seite die Zeitungsnachrichten aus⸗ gegangen ſind. Ich mache dem Magiſtrat daraus keinen Vorwurf, ich bitte mich nicht mißzuverſtehen, im Gegenteil, ich erkenne das durchaus an und möchte nur wünſchen, daß der Magiſtrat in allen Fällen die Zeitungen informiert. Bloß dagegen verwahre ich den Antragſteller, daß ihm der Vorwurf gemacht wird, daß er auf die Zeitungsnotizen ein⸗ gegangen iſt. Das war ſeine Pflicht meiner Meinung nach. Dr Frentzel: Nun ſagt Herr Kollege Frentzel, mein Freund. Zietſch hätte ſein Beweismaterial ſchon ſelbſt dadurch entkräftet, daß er die Kinder als lügenhaft bezeichnet habe. Ich weiß nicht genau, ob das Wort „lügenhaft“ gefallen iſt; aber das eine weiß ich: es iſt gerade ein Zeichen dafür, wie objektiv mein Freund Zietſch vorgegangen iſt, daß er ſelbſt hier geſagt hat: wir können uns auf das Zeugnis der Kinder nicht ohne weiteres verlaſſen, denn man weiß ja, daß Kinder zu Unwahrheiten neigen. So war ſeine Außerung gemeint, und anders konnte ſie nicht verſtanden werden. Er hat ganz deutlich, als er auf dieſe Jungen hinwies, geſagt, er gäbe zu, daß die Zeugen eventuell einmal die objektive Unwahrheit ſagen könnten, und wolle deshalb, daß die Sache afen wird. (Stadtv. Otto: Aber Richter muß entlaſſen werden) — Ja, Herr Kollege Otto, Sie gehören auch zu denjenigen, die bei den haarſträubendſten Dingen einfach ein Lachen übrig haben, die glauben, durch überhebendes Lachen alles aus der Welt ſchaffen zu können. Aber auf denkende Leute werden Sie dadurch keinen Eindruck ausüben. Nun hat mein Freund Zietſch ja ganz be⸗ ſtimmte Fälle angeführt, und ich war erſtaunt, daß es dem Herrn Stadtrat Samter nicht gelungen iſt, die einzelnen Fälle zu entkräften. (Rufe: Na, nu! bei den Liberalen.) Natürlich, Sie waren ja von vornherein überzeugt; Sie müſſen das ja! (Stadtv. Dr Frentzel: So0?2) Sitzung vom 24. November 1909 — Wir wiſſen doch, welche Rolle Sie hier ſpielen! (Heiterkeit. Stadtv. Dr Frentzel: So!) Herr Stadtrat Samter hat ſelbſt davon geſprochen, daß Jagdhiebe verabreicht ſind, und ganz auffallend war es, daß ein Junge geſagt haben ſoll: „Ja, verdient habe ich es.“ Meine Herren, wer hat ſich bei dieſen Worten des Herrn Stadtrats Samter nicht an den Prozeß erinnert, der ſich vor kurzem abgeſpielt hat, wo auch die Mädchen vor Gericht geſagt haben: „Ja, ich habe Schläge bekommen, aber ich habe es verdient?“ (Zurufe: Colander!) Ich will natürlich Richter nicht mit Colander vergleichen; ich weiſe das fern von mir, daß meine Außerung etwa ſo aufgefaßt wird. Herr Stadtrat Samter hat weiter davon geſprochen, daß der eine Junge ganz gehörig gezüchtigt worden iſt, er hat auch die Sache mit der Schere nicht in Abrede ſtellen können, nur ſie ſo entſchuldigt: ja, das iſt eine Schere, die nicht ſchneidet. (Heiterkeit.) Meine Herren, ich weiß nicht, ob das Mittel ſind, die ſonſt andern Kindern gegenüber beliebt werden. Herr Stadtrat Samter hat auch zugegeben, daß ſich Blutstropfen gezeigt haben; alſo ſo ganz harmlos ſcheint doch die Sache mit der Schere auch nicht zu ſein. Herr Stadtrat Samter hat auch nicht beſtreiten können, daß das tuberkulöſe Mädchen auf die Hände geſchlagen iſt, nur ſoll es nicht die Außen⸗ fläche, ſondern die Innenfläche geweſen ſein. Herr Stadtrat Samter hat ferner nicht beſtreiten können, daß Kindern der Beſuch der Mutter im Krankenhauſe verboten iſt; er hat nur Entſchul⸗ digungsgründe dafür angeführt. Es kommt eben ganz darauf an, wie man die Sache beurteilt. Alſo das, was mein Freund Zietſch vorgebracht hat, iſt durch die Ausführungen des Herrn Magiſtrats⸗ vertreters nicht entkräftet worden, und wer nicht von vornherein in der feſten Abſicht den Saal betreten hat, was auch immer von den Sozial⸗ demokraten komme, abzuſtreiten, und was auch immer vom Magiſtratstiſche geſagt werden wird, mit Jubel zu begrüßen, der muß zugeben, daß tatſächlich die Behauptungen nicht beſtritten ſind. Es iſt möglich, daß ſich vielleicht der eine oder andere Fall nicht ganz genau ſo zugetragen hat, aber etwas ſcheint doch an allen dieſen Fällen zu ſein. Nun ſagt Herr Stadtrat Samter: zwiſchen dem, was der Gewährsmann der Antragſteller getan hat, und dem, was die Antragſteller getan haben, liege ein himmelweiter Unterſchied. Ja, meine Herren, was ſollte der Gewährsmann tun? Der Gewährsmann hat ein Vierteljahr auf Antwort gewartet, und ich glaube, wenn der Magiſtrat dem Gewährsmann eine Antwort erteilt hätte, wenn er ihn nicht ſo von oben herab behandelt hätte: ach Gott, ob der Antwort kriegt, iſt Neben⸗ ſache —, dann wäre die Sache wahrſcheinlich überhaupt nicht im Plenum zur Sprache ge⸗ kommen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. ) Es iſt ein ſonderbares Verhalten des Magiſtrats, einen Bürger, der ſich an ihn wendet — ich ſehe ganz davon ab, daß der Mann im Ehrendienſte der Stadt ſteht —, ſolange auf Antwort warten zu laſſen. Denn daß der Herr geſtern eine Antwort bekommen hat, iſt wohl nur auf einen Zufall zurückzuführen. Ich glaube, es hätte dem Ma⸗ giſtrat nichts geſchadet, wenn er ſich herbeigelaſſen