530 ſolche ſchwache Mutter, meine Herren, mit wilden Kindern, die ſchwer zu erziehen ſind, die ſchlecht erzogen in die Verwaltung gekommen ſind, iſt die Urſache all dieſer Märchen, die hier aufgetiſcht worden ſind, und die wahrſcheinlich von dem ſchwachſinnigen Sohne ausgehen, der alles erzählt, was man ihm ſuggeriert. Meine Herren, über die Züchtigungen will ich noch ein Wort ſagen. Gezüchtigt hat der Lehrer Richter die Kinder, wenn ſie ſich vergingen. Dazu iſt er verpflichtet. Er hat ihnen Hiebe ge⸗ geben. Der Mann hat nicht ein Wort geſagt in ſeiner ſchriftlichen Rechtfertigung, das nachher nicht bewieſen worden iſt. Es iſt klar, daß der Mann die volle Wahrheit geſagt hat. Alles hat ſich nachher ſo herausgeſtellt, wie er es dargeſtellt hat. Er ſagt, er hat die Kinder, wo es nötig war, ge⸗ ſchlagen, und ich würde ihm gram ſein, wenn er es nicht getan hätte. Denn wo bleibt eine Er⸗ ziehung ohne feſtes Eingreifen? Der Mann würde nicht in das Waiſenhaus gehören, wenn er ſich durch ſentimentale Anwandlungen hindern ließe, mal zum Stock zu greifen, wo es nötig iſt. Ich bin meinem Vater dankbar für jeden Schlag, den er mir gegeben hat, und jeder verſtändige Menſch iſt das. Hier, wo es ſich darum handelt, 40 Kinder zu erziehen, unter denen manche krumme Bäum⸗ chen ſind, die gerade gebogen werden müſſen, da ſoll der Hausvater ſtreng, energiſch eingreifen, und wenn er einem Jungen drei, vier energiſche Hiebe über den Buckel zieht, dann werden auch blaue Striemen da ſein. (Stadtv. Hirſch: So, ſo!) — Ich möchte es mal mit Ihnen probieren, Herr Hirſch, (ſchallende Heiterkeit) ob nicht ſofort blaue Striemen kämen, wenn Sie feſt zuhauen. — Wenn der ernſte Vater einen Jungen züchtigend haut, dann iſt das auf dem Rücken des Jungen zu ſehen und ſoll zu ſehen ſein. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Es ſoll ſchmerzen, es ſoll helfen, die Jungen zu ordentlichen Menſchen zu machen. In dieſem Sinne allein hat der Lehrer Richter ſeines Amtes gewaltet, und er hat ſein Züchtigungsrecht in keinem Falle überſchritten. Alſo, meine Herren, die ganze Anklage, die auf Grund eines ganz vagen Materials von Klat⸗ ſcherei, von Suggeſtion aufgebaut iſt, fällt in ſich zuſammen. Es bleibt nichts übrig, als daß der Lehrer Richter und ſeine Frau ehrenhafte, makel⸗ loſe Leute ſind, die ihr Amt ausgezeichnet aus⸗ geübt haben. Das werden Sie im Ausſchuß, wenn Sie nachher die einzelnen Tatſachen näher kennen gelernt haben, ſelbſt erkennen, und ich gebe mich der Hoffnung hin, daß die Herren vom linken Flügel aus eigenem Gerechtigkeitsgefühl, nachdem ſie aus dem Ausſchuß herausgekommen ſind, er⸗ klären werden: wir ziehen unſern Antrag zurück, wir ſehen ein, daß dem Manne Unrecht geſchehen iſt. Meine Herren, Sie ſind als Ehrenmänner dem Ehrenmanne dieſe Erklärung ſchuldig! (Lebhaftes Bravo.) Ganz kurz noch ein Wort. Herr Gebert hat geſagt, daß die Unterſuchung 15 Wochen gedauert hat. Das iſt auch eine Übertreibung. Man ſoll ſich vor Übertreibungen hüten, namentlich wenn man angreift. Am 13. Auguſt iſt Herr Wollmann zu Herrn Stadtrat Samter gekommen und hat die Dinge zu Protokoll gegeben. Dann iſt das Proto⸗ Sitzung vom 24. November 1909 koll an Herrn Bürgermeiſter Matting gegangen, und der hat zum 21. Auguſt eine Kuratoriums⸗ ſitzung einberufen. Dort iſt von den Dingen Kenntnis genommen und Herr Richter iſt auf⸗ gefordert worden, ſich ſchriftlich zunächſt zu äußern. Das iſt am 21. Auguſt geſchehen. Dieſe Außerung iſt am 25. Auguſt Herrn Bürgermeiſter Matting zugegangen, und am 31. Auguſt hat er die Unter⸗ ſuchung abgeſchloſſen. Alſo nicht 15 Wochen hat die Unterſuchung gedauert, (Stadtv. Gebert: Mein Gewährsmann hat erſt geſtern Beſcheid bekommen!) ſondern vom 13. bis zum 31. Auguſt. Sie ſtützen ſich nun darauf daß der Mann keinen Beſcheid be⸗ kommen hat. Als ob es darauf ankommt! Es kommt darauf an, daß ein Ehrenmann mit Schmutz beworfen worden iſt, es kommt darauf an, dieſen Ehrenmann rein zu waſchen, und nicht darauf, ob Herr Wollmann einige Tage früher oder ſpäter eine Mitteilung erhalten hat. Das iſt höchſt gleichgültig. (Sehr richtig! — Widerſpruch bei den Sozial⸗ demokraten.) Glauben Sie denn, daß die Wochen ſpurlos an den Richterſchen Eheleuten vorübergegangen ſind? (Sehr richtig!) Herr Richter und ſeine Frau ſind in die allergrößten ſeeliſchen Unruhezuſtände verſetzt worden. Die Luſt am Leben haben ſie verloren. Das iſt nicht zu viel geſagt. Die Frau iſt vor den Anklagen zuſammengebrochen. Das iſt durch jene un⸗ ſinnigen Klatſchereien erreicht worden. Da handelt es ſich nicht darum, ob Herr Wollmann, der Klatſch⸗ gerüchte weitergetragen hat — im beſten Sinne natürlich, nehme ich an, aber es bleiben doch immer Klatſchgeſchichten — ein paar Tage früher oder ſpäter durch eine Antwort informiert worden iſt. Herr Gebert, Sie wollen damit nur Ihre eiegne ſchwache Poſition verteidigen. (Sehr richtig!) Sie verſuchen deshalb, in einem Nebenpunkt an⸗ zugreifen. Der Hieb, meinen Sie, iſt die beſte Waffe, aber Ihre Waffe iſt ſtumpf. Alſo, meine Herren, ziehen Sie in den Aus⸗ ſchuß und ſtellen Sie die zu Unrecht angegriffene Ehre des ehrenwerten Mannes auch Ihrerſeits wieder her! (Lebhaftes Bravo.) Stadtv. Dr. Landsberger: Meine Herren, ich gehöre zu denen, die mit abſoluter Unbefangen⸗ heit in die heutige Verhandlung kamen, allerdings mit einer gewiſſen Beklommenheit; denn es war mir nicht gleichgültig, daß heute ein Verhandlungs⸗ gegenſtand auf der Tagesordnung ſtand, welcher in einer, mir in der Stadtverordnetenwirkſamkeit — nicht bloß in der hieſigen, ſondern in der viel⸗ jährigen, die ich überhaupt hinter mir habe — noch nicht vorgekommenen Weiſe gegen einen ſtädtiſchen Beamten vorging. Ich hatte keinen Zweifel, daß die Begründer des Antrags mit erdrückenden Tatſachen, mit überzeugenden Tatſachen, die ſie noch im Köcher hatten, herauskommen würden, und daß die Szene zum Tribunal werden müßte, daß wir ohne weiteres überzeugt werden würden, daß mindeſtens ſehr ſchwerwiegende Gründe gegen den öffentlich angegriffenen ſtädtiſchen Beamten vorliegen müßten. Daher meine Beklommenheit. Sonſt war ich zur Sache gar nicht orientiert, hatte hier und da eine Zeitungsnotiz geleſen, die auch