Sitzung vom 24. November 1909 bloß fragte, was eigentlich vorgekommen war, und hatte nicht einmal der Sitzung der Fraktion, der ich angehöre, beiwohnen können, war alſo ganz ohne vorherige Information. Und nun muß ich ſagen: ich habe niemals einen weniger begründeten Antrag, niemals ſchwächeres Material vorbringen hören, als es heute ſeitens der Herren von der äußerſten Linken geſchehen iſt. Ich habe nie aus dem Munde namentlich eines Mannes wie des Kollegen Zietſch ſo gering begründete Angriffe gehört, wie ſie hier wiedergegeben wurden. Ich habe mich vor Erſtaunen nicht laſſen können, daß er, dem ich ſonſt zuſprechen muß, daß er ſich be⸗ müht, den Dingen auf den Grund zu gehen und mit wirklichen Tatſachen zu kommen, auf ein ſo ſchwaches Material ſeinen Antrag hat gründen können. (Sehr richtig!) Was ich gehört habe, war nichts als Außerungen von Kindern — ich will gar nicht deren Fähig⸗ keiten beſonders angreifen, aber es waren Auße⸗ rungen von Kindern —, und wir alle wiſſen, wie die zu bewerten ſind, wie ſie namentlich zu be⸗ werten ſind, wenn ſie ſich als verantwortliche Ausſagen darſtellen ſollen, Ausſagen, die ſich auf Vorkommniſſe bezogen, die zum Teil ſchon drei Jahre zurückliegen. Ich war erſtaunt, daß man auf der einen Seite von einer Wunde ſprechen konnte, die ſich dann als eine ſogenannte wandernde Flechte entpuppte, das heißt ein äußeres Wundſein der Haut, und daß auf ähnliche geringfügige Dinge eine ſchwere Anklage gegen einen Beamten, von dem wir nachher in der Verhandlung gehört haben, welcher Verdienſte er ſich rühmen kann, in die Offentlichkeit geſchleudert wurde. Das einzig Greifbare, was als anfechtbar in den langen Aus⸗ führungen des Herrn Kollegen Zietſch etwa noch zurückgeblieben iſt, das Hantieren mit der Schere, hat ſich als ein auch ſchon von dem Herrn Antragſteller ſelbſt ſo aufgefaßter halber Scherz erwieſen. (Stadtv. Zietſch: Nein, wir halten es heute noch nicht für einen Scherz!) Jedenfalls wird herzlich wenig davon übrig bleiben. Was die Art der Züchtigung betrifft, ſo muß ich allerdings — darin ſtimme ich mit dem Herrn Oberbürgermeiſter nicht ganz überein — ſagen, daß Stockzüchtigungen, welche noch lange Zeit ſichtbare Striemen hinterlaſſen, denn doch über das, was der Züchtiger tun ſollte, in der Regel hinauszugehen pflegen; indeſſen, ſo doſieren kann man die Züchtigung nicht immer, und wir haben heute mit Recht ausführen hören — ich will ganz objektiv ſein, Licht und Schatten gleich abwägen —, daß die Züchtigung an ſich eine wohl begründete war. Ich muß danach ſagen: es iſt in der Tat gar nichts Weſentliches, gar nichts Greifbares übrig geblieben, und ich habe auch den Eindruck, daß im Ausſchuß, wenn ich auch ſeiner Einſetzung nicht widerſprechen will, nichts Weſentliches heraus⸗ kommen wird, nichts anderes — das hoffe ich mit dem Herrn Oberbürgermeiſter —, als die volle Anerkenntnis derjenigen Herren, die Herrn Richter und ſeine Gattin angegriffen haben, daß ſie zu Unrecht vorgegangen ſind. Ich habe mich während der Ausführungen des Herrn Kollegen Zietſch in einem ſteten Kopf⸗ ſchütteln befunden. Ich habe das Kopfſchütteln auch fortſetzen müſſen — das will ich noch mit einem Worte ſagen — bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Hirſch, deſſen Angriff gegen die andere 531 Seite der Stadtverordnetenverſammlung ich, wie ich nicht anders ſagen kann, für unqualifizierbar halte. Er ſprach davon, daß wir von vornherein wiſſen, wann wir Beifall zu johlen haben — — — (Stadtv. Hirſch: „Johlen“ habe ich nicht geſagt!) — Wenn der Ausdruck „johlen“ nicht gefallen iſt, ſo waren die Ausführungen doch ungefähr ſo gemeint. — Ich muß ihm doch mit allem Ernſte ſagen, daß ich mich ganz ſo frei und unabhängig fühle wie er und irgendeiner in dieſer Verſammlung. (Sehr richtig!) Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, der Antrag beſteht aus zwei Teilen. Der erſte Teil verlangt, daß ſchleunigſt der Hausvater ſeines Amtes enthoben wird, der zweite, daß erwogen wird, ob die Verwaltung im Nebenamte weitergeführt werden kann. Nach den mehrſtündigen Verhand⸗ lungen, die wir heute gehabt haben, können wir nicht mit gutem Gewiſſen einen derartig un⸗ ſubſtantiierten Antrag, wie es der erſte iſt, einem Ausſchuſſe überweiſen. Dann würde in der Tat das, was der Herr Oberbürgermeiſter kritiſiert hat, eintreten: es wird in der Offentlichkeit wenn auch nur der Schein erweckt, daß irgendetwas dahinter ſtecke. Ich beantrage daher, den erſten Teil des Antrages der Kollegen Bartſch und Genoſſen glattweg abzulehnen und nur den zweiten Teil des Antrages einem Ausſchuſſe zu überweiſen. Meine Herren, bei der Beratung über den zweiten Teil iſt dem Ausſchuſſe vollkommen Gelegenheit gegeben, über alle Punkte zu ſprechen, über die wir heute geſprochen haben; es wird in keiner Weiſe eine Beſchränkung eintreten. Der erſte Teil des Antrags iſt aber in ſeiner ganzen Form, wie das von mehreren Rednern ſchon hervor⸗ gehoben worden iſt, ſo ungewöhnlich, ſo wenig der Würde der Stadtverordnetenverſammlung entſprechend, daß ich es ablehnen muß, dieſen Teil überhaupt einem Ausſchuſſe zu überweiſen. (Bravo!) Stadtv. Wöllmer: Meine Herren, Herr Kollege Stadthagen hat beantragt, den Antrag der Herren von der Sozialdemokratie ohne weiteres abzulehnen, (Widerſpruch des Stadtv. Dr Stadthagen) — den erſten Teil ohne weiteres abzulehnen und einen Ausſchuß nicht einzuſetzen. (Widerſpruch des Stadtv. Dr Stadthagen.) Auch aus dem Munde des Herrn Oberbürger⸗ meiſters habe ich ähnliches vorhin zu entnehmen geglaubt, daß er die Einſetzung eines Ausſchuſſes, den wir ſelbſt ja beantragt haben, nicht für nötig hält. Die Stadtverordnetenverſammlung ſollte, wie der Herr Oberbürgermeiſter ſagte, nicht aus⸗ einandergehen, ohne eine Ehrenerklärung dem ſchwer angegriffenen Lehrer Richter und ſeiner Frau zu geben. Es ſcheint in der Tat zunächſt, als wäre hierzu das beſte Mittel, den Ausſchuß nicht einzuſetzen, wodurch die Majorität der Stadt⸗ verordnetenverſammlung anerkennen würde, daß die Verdächtigungen, die außerhalb dieſes Saales und auch in dieſem Saale durch den Antrag des Herrn Kollegen Zietſch zum Ausdruck gekommen ſind, unbegründet ſind. Ich glaube aber, nach weiterer Überlegung kommt man zu der Anſicht, daß das nicht der richtige Weg iſt. Wir müſſen gerade im Intereſſe des Lehrers Richter und ſeiner Frau den Herren, die ja noch, wie ſie andeuteten,