Sitzung vom 24. November 1909 Sie ihn von dem Ergebnis der von Ihnen vor⸗ genommenen Unterſuchung nicht unterrichtet haben, nichts anderes bekommen können als be⸗ laſtendes Material. Alſo mußten wir uns ſagen: hier kann nur die Amtsentlaſſung in Frage kommen. Darauf iſt unſer Antrag aufgebaut und formuliert. Nun kommt Herr Dr Frentzel und entrüſtet ſich über unſeren Mangel an ſittlichem Empfinden; wir gingen mit der Ehre des Nebenmenſchen in leichtfertiger Weiſe um. (Sehr richtig!) Herr Dr Frentzel, wenn Sie uns mangelndes ſittliches Empfinden vorwerfen wollen, dann müſſen Sie jedem Staatsanwalt das auch vor⸗ werfen. (Stadtv. Dr Frentzel: Der macht eine Vorunter⸗ ſuchung!) — Wer ſagt Ihnen denn, daß unſer Gewährsmann keine Vorunterſuchung veranſtaltet hat? Er hat dieſelbe nur anders geführt, als ſie vom Magiſtrat vorgenommen worden iſt. Bei Gericht ſtellt ſich auch oft ein anderes Ergebnis der Unterſuchung heraus, als es der Ankläger angenommen hat. Auch der Staatsanwalt erhebt die Klage auf Grund von Vermutungen eines vorliegenden Vergehens gegen dieſen oder jenen Paragraphen. (Zuruf des Stadtv. Dr Frentzel.) — Gewiß, weil der Staatsanwalt ihn nicht ent⸗ laſſen kann. Wir ſagen auch nicht, er ſoll entlaſſen werden, ſondern der Magiſtrat ſoll darauf hin⸗ wirken; wir ſelbſt wollen ihn nicht entlaſſen, können es nicht, (Lachen bei den Liberalen) wir haben ebenſowenig die geſetzliche Gewalt wie der Staatsanwalt, der auch niemand beſtrafen kann. Was würde aber anders geweſen ſein, wenn wir geſagt hätten: gegen den Hausvater liegen Anſchuldigungen dieſer und jener Art vor, die unterſucht werden müſſen — würden die Kom⸗ binationen darüber andere geweſen ſein als jetzt? (Zurufe bei den Liberalen.) — Ach, wenn man etwas Schlechtes in eine Sache hineinlegen will, dann findet man mit dem bißchen guten Willen, der ſich jetzt bei Ihnen betätigt hat, das auch auf andere Art und Weiſe. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Herr Kollege Becker hat ſich auch entrüſtet über die Agitation, die wir angeblich mit unſerem Antrag treiben. (Stadtv. Becker: Jawohl!) Aber unſere Agitation kann ſich doch nicht nur auf die Verſetzung von Bedürfnisanſtalten beſchränken. (Große Heiterkeit.) Nun ſagt Herr Stadtrat Samter, er ſei in der Anſtalt geweſen und habe ſich bemüht, dort eine Unterſuchung zu veranſtalten, um das Unrecht, das dem Hausvater angetan worden iſt, feſtzuſtellen. Herr Stadtrat Samter hat ja auch nur Kinder verhört! (Stadtrat Samter: Wen ſollte ich denn verhören?) — Wen ſollten Sie verhören? — ganz recht! Sie haben aber auch von einer „hyſteriſchen Mutter“ geſprochen. Mit welchem Recht erheben Sie den Vorwurf der Hyſterie gegen die Mutter, wenn Sie die Mutter nicht ſelbſt gehört haben? Ich weiß nicht, ob Sie ſie überhaupt kennen. Ich kenne ſie auch nicht, und ich würde mich gar nicht für befugt halten, wenn ich an Ihrer Stelle ſtehen würde, der Mutter den Vorwurf der Hyſterie zu machen. Sie ſagten ja auch, es würde alles auf 533 die Ausſage dieſer Mutter zurückgeführt, aber ge⸗ hört haben Sie dieſe Frau nicht. Herr Kollege Becker hat davon geſprochen, daß die ganze Geſchichte nur auf einem Klatſch aufgebaut ſei. Sonderbarer⸗ weiſe iſt man aber ſeitens des Magiſtrats, wie der Herr Oberbürgermeiſter ja auch ſpeziell erläutert hat, jedem Klatſchgerücht nachgegangen, bis auf den Sohn des Beſchwerdeführers. Man weiß ſogar, daß er ſich in Hamburg befindet. — Nur die Frau Maaß, alſo die Nächſtſtehende, hat man nicht gefunden und hat mit ihr nicht darüber ſprechen können. Halten Sie denn das für eine objektive Unterſuchung? (Stadtrat Samter: Die iſt doch gar nicht dabei geweſen!) — Aber ihr iſt es doch unmittelbar von den Kindern geſagt worden! (Widerſpruch des Stadtrats Samter.) Sie haben die Kinder auch nur gehört. Da fällt mir wiederum ein, was der Herr Bürgermeiſter feſtgeſtellt hat. Der Herr Bürgermeiſter ſagte: wir haben die Kinder verhört und haben darüber ein Protokoll aufgenommen, wir ſind erfreut darüber, daß die Ausſage der Kinder faſt wörtlich mit der ſchriftlichen Erklärung des Hausvaters übereinſtimmt. Na, ich meine, man könnte auch die Schlußfolgerung ziehen, daß dieſe Überein⸗ ſtimmung aus gewiſſen Gründen ſehr leicht ge⸗ weſen ſein dürfte. Auf die übrigen Widerſprüche, die ſich in den Ausſagen des Herrn Stadtrats Samter befunden haben, möchte ich nur kurz eingehen. Herr Stadt⸗ rat Samter ſagte: Wir mußten die Maaßſchen Kinder jetzt aus der Anſtalt herausnehmen, weil das im Intereſſe der Sicherheit und Aufrecht⸗ erhaltung der Diſziplin notwendig geweſen ſei. Eins von dieſen Kindern ſoll geiſtig minderwertig ſein, und die anderen Kinder haben auf Herrn Stadtrat Samter, als er in der Anſtalt geweſen iſt, den Eindruck gemacht, daß ſie äußerſt geſchickte und gute Kinder ſind. (Stadtrat Samter: „Gut“ habe ich nicht geſagt!) — Dann haben Sie ſich anders ausgedrückt; jedenfalls wollten Sie ſagen, daß die Kinder auf Sie einen angenehmen Eindruck gemacht haben. Auf einmal werden dieſe Kinder nun zur größten Gefahr für die Aufrechterhaltung der Diſziplin in der Anſtalt! Zugegeben worden iſt von Herrn Stadtrat Samter — das hat auch mein Freund Hirſch aus⸗ drücklich hervorgehoben —, daß die Kinder ge⸗ züchtigt worden ſind. Der Herr Bürgermeiſter hat auch geſagt, er hätte bemängeln müſſen, daß Schimpfworte in der Anſtalt gebraucht worden ſind. Er hat auch das nicht für richtig gehalten. Herr Stadtrat Samter gibt zu, daß Kinder gezüchtigt worden ſind; Herr Bürgermeiſter Matting hat von andern Leuten wieder feſtſtellen laſſen, daß niemals jemand, der die Anſtalt beſucht habe, den Eindruck bekommen habe, daß irgendwelche Züchtigungen (Zuruf — übertriebene Züchtigungen, will ich mich dann berichtigen — vorgenommen worden ſind. Wir ſtreiten ja auch miteinander gar nicht darüber, daß gezüchtigt worden iſt in der Anſtalt, ſondern nur darum, ob das berechtigte Maß dabei inne⸗ gehalten iſt. Darüber kann man aber geteilter Meinung ſein. Man braucht nicht, wie der Herr Oberbürgermeiſter bei allen Leuten ein ſo dickes