Sitzung vom 8. Dezember 1909 kann, daß ſpeziell für Charlottenburg durch unſere Unterſtützung das erzielt worden iſt, was wir außer der allgemeinen Tendenz unſerer früheren Be⸗ willigungen erzielen wollten, nämlich eine Ver⸗ ringerung der Vagabondage. Infolgedeſſen halten meine Freunde es auch für berechtigt, jetzt die 5000 ℳ zu bewilligen. Wir ſind uns darüber klar, daß damit nicht geſagt werden ſoll, daß nun jedes Jahr eine Unterſtützung in der gleichen Weiſe erfolgen muß. Wir ſind vielmehr der Meinung, daß in abſehbarer Zeit eine Unterſtützung von uns in⸗ hibiert werden und das Unternehmen verſuchen muß, ſich aus eigenen Mitteln zu rentieren. Für dieſes Jahr bitten aus den erwähnten Darlegungen heraus meine Freunde, die Magiſtratsvorlage nach dem Berichte des Referenten anzunehmen. Sta dtv. Zietſch: Meine Freunde ſind, wie im Vorjahre und bei den früheren Vorlagen, die die Stadtverordnetenverſammlung in derſelben Sache beſchäftigt haben, auch diesmal wieder gegen die Bewilligung der geforderten Summe. Wir haben ſchon bei den früheren Begründungen unſerer ablehnenden Stellung darauf hingewieſen, daß wir trotz einer gewiſſen Anerkennung des Wirkens des Paſtors Bodelſchwingh doch nicht im ent⸗ fernteſten von der Nützlichkeit ſeiner Einrichtung ſo überzeugt ſind, wie die Herren der übrigen Par⸗ teien innerhalb dieſes Hauſes es zu ſein ſcheinen. Wir legen nicht den Nachdruck darauf, daß die Leute erſt, wenn ſie ins Elend verſunken ſind, zu einem geringen Bruchteil ihrer Zahl aus dem Sumpf der Not und des Trunkes herausgehoben werden, ſondern wir legen viel mehr Wert darauf, die Leuta vor allen Dingen vor dem Verſinken ins Elend zu bewahren. Das tun wir am beſten durch die Or⸗ ganiſierung der Arbeiter im allgemeinen. Dieſen Organiſationsbeſtrebungen und der Betätigung der Arbeiterorganiſationen ſtehen aber häufig die Herren, die ſo warm für die Bodelſchwingh'ſchen Unternehmungen eintreten, entgegen. Ich will heut nicht wieder des näheren darauf eingehen, daß wir aus den Veranſtaltungen und Ein⸗ richtungen des Herrn von Bodelſchwingh nicht den großen Vorteil hervorgehen ſehen, der von anderer Seite den Bodelſchwingh'ſchen Unternehmungen zugeſchrieben wird. Nur dem einen möchte ich entgegentreten. Herr Dr Röthig hat angeführt, für ihn ſei der Beweis erbracht, daß die Charlotten⸗ burger Gemeinde durch Gewährung dieſer Zu⸗ ſchüſſe, die ja mit dieſen 5000 ℳ 28 000 ℳ be⸗ tragen würden, von der Belaſtung durch die Vagabondage etwas befreit worden ſei. Herr Dr Röthig war aber ſo vorſichtig, zu ſagen, ein zahlenmäßiger Beweis für dieſe Annahme ließe ſich nicht erbringen. Er würde ſich für dieſe Zeit auch um ſo ſchwerer erbringen laſſen, als ja die Nachwirkungen der wirtſchaftlichen Kriſe die Vaga⸗ bondage ganz von ſelbſt geſteigert haben. Es nimmt mich eigentlich wunder, daß die überein⸗ ſtimmenden Beobachtungen einzelner Leute, von denen Herr Dr Röthig ſprach, zu dem Reſultat geführt haben ſollten, daß gerade jetzt, wo eigent⸗ lich der Strom der Arbeitsloſen auf den Land⸗ ſtraßen bedeutend größer geworden iſt, die Nach⸗ wirkungen der Vagabondage auf unſere Gemeinde nachgelaſſen habe. Ferner glauben doch Herr Dr Röthig und ſeine Freunde ſelbſt nicht — die Ver⸗ mutung des Herrn Kollegen Protze war ja in dieſer Beziehung auch etwas ſehr optimiſtiſch gehalten —, 539 daß die 470 Leute, die in der Bodelſchwingh'ſchen Anſtalt untergebracht ſind, im Falle ſie nicht in den Bodelſchwingh'ſchen Kolonien feſtgehalten wür⸗ den, eine totale Überſchwemmung der ganzen Großberliner Gemeinden mit vagabondierenden Leuten herbeiführen würden. Was bedeuten dieſe 470 gegenüber den Tauſenden von Arbeitsloſen und Vagabondierenden in Großberlin, die heute ſchon eine ſtarke Belaſtung der Gemeinden be⸗ deuten. Dann müſſen die Herren auch wiſſen, wie die Zöglinge für die Bodelſchwingh'ſche An⸗ ſtalt herausgeſucht werden; da wird erſt zehn⸗, zwanzigmal geſiebt, ehe einer hineinkommen kann. So durchgreifend iſt die Hilfe, die da geleiſtet wird, für die Gemeinden alſo nicht. Aber wir wenden uns auch noch aus einem anderen Grunde gegen die Vorlage, und das iſt die Art der Begründung, wie ſie auch heute wieder in der Vorlage enthalten iſt. Wenn Sie die Vor⸗ lage vom vergangenen Jahre mit der heutigen Vorlage vergleichen, werden Sie finden, daß ein erheblicher Teil der ſchriftlichen Begründung der Vorlage vom vorigen Jahre mit der Begründung der Vorlage dieſes Jahres faſt Wort für Wort über⸗ einſtimmt. Das mag ſich ja zum Teil aus der Gleichheit der Sache erklären. Die Vorlage des vergangenen Jahres fängt genau ſo an wie die vorliegende: „Der Paſtor emer. von Bodelſchwingh“ uſw. Das geht die Reihe durch, bis dann einige ſcheinbar andere Anführungen kommen. Aber auch dieſe anderen Gründe ſind eigentümlicher weiſe genau dieſelben wie im Jahre 1908. Nur mit einem Unterſchiede: 1908 waren nur 410 Einzelſtübchen vorhanden, und um dieſe Zahl zu vermehren, ſollte die Lazarus⸗Kapelle in Berlin angekauft werden, um dort zwei Hauseltern⸗ wohnungen zu errichten; ein Speiſeſaal ſollte gebaut werden, ein Krankenhaus zu erbauen war nötig, es ſollte die Feldbahn ausgebaut werden, und noch einzelne kleine Anlagen bedurften der Ausführung. Um alle dieſe Pläne ausführen zu können, gaben wir 1908 10 000 ℳ dazu. Jetzt finden wir in der Vorlage die Begründung für die neue Forderung von 5000 ℳ., die wir geben ſollen, den Einwand, daß, weil dieſe Projekte ausgeführt worden ſind, müßten wir das Geld hingeben. Das ſcheint mir doch eine etwas ſehr wenig durchgreifende Be⸗ gründung für die Hergabe von 5000 ℳ zu ſein. Sie finden in der Begründung der diesjährigen Vor⸗ lage angeführt, daß die Lazarus⸗Kapelle angekauft werden mußte, daß zwei Wohnungen errichtet wurden, daß ein Speiſeſaal eingerichtet worden iſt; bloß das Krankenhaus iſt noch nicht gebaut worden. Dafür iſt aber ein Waſſerbaſſin und eine Pumpen⸗ anlage zu bauen notwendig geworden. Im ver⸗ gangenen Jahre wies man auf die Notwendigkeit hin, Geld deshalb herzugeben, weil dieſe Sachen gebaut werden mußten; dieſes Jahr ſind ſie gebaut, und jetzt iſt wieder die Notwendigkeit vorhanden, Gelder herzugeben. Für ſolche doppelte Buch⸗ führung in dieſem Sinne ſind wir nicht zu haben. Wir glauben, dieſe Geldausgabe im Intereſſe unſerer Mitbürger nicht verantworten zu können. Wir ſind der Überzeugung — das kommt auch diesmal in der klarſten Weiſe zum Ausdruck, und darin unterſcheidet ſich die Vorlage im weſentlichen von der Vorlage im vergangenen Jahre, indem der Magiſtrat es diesmal ohne weiteres zugibt —, daß wir noch weiter werden zuſchießen müſſen. Sie finden in der Vorlage folgenden Paſſus: