540 Der erhoffte Erfolg iſt nicht ausgeblieben. Um ſo mehr halten wir uns jetzt für ver⸗ pflichtet, die Kolonien in den ſchwierigen Jahren der Entwicklung nicht im Stiche zu laſſen. Daß dieſe ſchwierigen Jahre der Entwicklung mit dem Jahre 1909 nicht abgeſchloſſen ſein werden, dürfte auch den Herren bewußt ſein, die auch heute wieder für eine Unterſtützung der Bodelſchwingh⸗ ſchen Kolonien eintreten. Darin bin ich auch der Meinung des Herrn Kollegen Protze: die ſchwierige Lage der Bodelſchwingh'ſchen Kolonien bei Bernau wird ſo lange anhalten, bis die Obſtbäume Früchte tragen. Darauf wollen wir aber nicht warten, dieſes Riſiko können wir nicht übernehmen. Wir wollen nicht weitere Verpflichtungen gegenüber den Bodelſchwingh'ſchen Unternehmen dadurch ein⸗ gehen, daß wir diesmal wieder 5000 ℳ bewilligen. Es iſt mit den bisherigen Bewilligungen von 23 000 ℳ genug. Wenn wir jetzt nicht bald die Schraube oben abdrehen, kann ſie endlos weiter gedreht werden. Meine Freunde ſind gegen die Vorlage. Stadtrat Seydel: Nur einige wenige Worte auf die letzten Ausführungen. Es iſt zunächſt er⸗ klärlich, meine Herren, daß eine Vorlage, die den⸗ ſelben Gedanken verfolgt wie eine frühere, dieſer auch in Worten und Wendungen ähnlich iſt. Ich darf dabei perſönlich bemerken, daß ich bei Ab⸗ faſſung dieſer Vorlage die Vorlage vom vorigen Jahre kaum angeſehen habe das macht ſich ganz von ſelbſt, daß einem bei derſelben Sache die⸗ ſelben Worte in die Feder fließen. Ebenſo iſt es nicht unnatürlich, wenn damals die Vorlage damit begründet wurde, daß größere Geldmittel für Neubauten erforderlich ſeien, daß nun zur Be⸗ gründung der heutigen Vorlage ausgeführt wird, daß jene Neubauten inzwiſchen errichtet ſind; — nämlich deshalb, weil das Geld, das damals dafür geſammelt wurde, und wozu auch wir unſer Scherflein beigetragen haben, nicht gereicht hat; die Belaſtung der Kolonie war eben inzwiſchen zu ſtark geworden. Dazu hat die Kolonie in dieſen Jahre zum erſtenmal ein Defizit gehabt; das hat uns ganz beſonders mit beſtimmt, ihr jetzt wieder zu helfen. Wir hoffen allerdings, und ich halte das auch für ſelbſtverſtändlich, daß in ſpäteren Jahren — nicht, wie Herr Zietſch meint, in einer ſehr fernen Zukunft, ſondern in einer ziemlich nahen Zukunft — ſchon ein gewiſſer Ertrag aus den Obſtbäumen zu erzielen ſein wird. Es ſind zum Teil Sträucher, die ſchon jetzt tragen, zum Teil iſt es Zwergobſt, das in abſehbarer Zeit zu tragen anfangen wird. Ich bin ſogar davon überzeugt, daß wir nicht mehr allzu lange zu warten brauchen, bis die Kolonie ſoviel abwirft, daß ſie ſich ſelbſt erhalten kann. Natürlich bin ich nicht in der Lage, heute die Erklärung abzugeben, daß der Magiſtrat die heutige Forderung für die letzte hält, die er bewilligen zu können glaubt. Nach dem Urteil des Sachverſtändigen, der ſich über die Ertrag⸗ fähigkeit der Obſtbäume geäußert hat, iſt ein nennenswerter Ertrag nicht vor 5 bis 6 Jahren zu erwarten. Wir werden daher künftige Anträge der Kolonie ebenſo gewiſſenhaft prüfen müſſen wie die bisherigen, und können nicht etwa heute hier ſchon ſagen: wir werden in Zukunft weitere Beiträge nicht bewilligen. Ich bitte jedenfalls, die heutige Vorlage zu genehmigen. Sitzung vom 8. Dezember 1909 Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, eine Bemerkung des Herrn Kollegen Zietſch ver⸗ dient doch, etwas erörtert und zurückgewieſen zu werden. Er meinte, wir — ich nehme an, daß er die bürgerlichen Parteien dieſes Hauſes gemeint hat; ich kann natürlich nur für mich und meine Freunde ſprechen, aber ich nehme an, daß die anderen Herren auf demſelben Standpunkte ſtehen — wir bekämpften immer ihren Weg, dem Laſter, der Arbeitsloſigkeit uſw. entgegenzutreten, ihren Weg, der namentlich in der Or ganiſierung der Arbeiter beſtände. Meine Herren, wir be⸗ kämpfen durchaus nicht die Beſtre⸗ bungen, die auf Organiſierung der Arbeiter abziele n. Was wir bekämpfen, iſt etwas ganz anderes. Wir wollen den Orga⸗ niſationen aber nur dann Unterſtützung von ſtädtiſcher Seite zuteil werden laſſen, wenn ſie nicht politiſche Zwecke verfolgen. Es iſt aber auch voll⸗ kommen falſch, wenn Herr Kollege Zietſch be⸗ hauptet, daß nur auf dieſe Weiſe die Schwierig⸗ keiten, die hier beſeitigt werden ſollen, beſeitigt werden könnten. Dieſe Organiſationen, d i e ſo zialde mokratiſchen Gewerkſchaf⸗ ten z. B.,, haben bisher den Strom der Arbeitsloſen von der Landſtraße noch nicht fortbringen können. Es iſt ja allgemein bekannt, daß dieſe Organiſationen nur die gut zahlenden, die gut ſituierten Arbeiter umfaſſen. Das haben die Herren ſo und ſo oft ſelber zugegeben, daß ſie gar nicht ſich das Ver⸗ dienſt zubilligen können, daß ſie gerade die Kreiſe zu beſſern vermögen, die v. Bodelſchwingh beſſern will, oder die durch andere, ähnliche ſoziale Ein⸗ richtungen gebeſſert und gehoben werden ſollen. Ihnen iſt das bisher in keiner Weiſe gelungen. Ich glaube alſo doch, neben Ihren Beſtre⸗ bungen, die bis zu einem gewiſſen Grade auch von uns moraliſche Unterſtützung verdienen, und denen ja ähnliche, aus unſeren Kreiſen hervorgegangene Organiſationsbeſtrebungen zur Seite zu ſtellen ſind, neben dieſen Beſtrebungen müſſen hier auch noch andere ſoziale Wege beſchritten werden. Ich muß ſagen, die Herren, die draußen geweſen ſind, werden ſicher den Eindruck gewonnen haben, daß die Bodelſchwingh'ſchen Einrichtungen, wo eine Unterſt ützungnurgegen Arbeit gewährt wird, tatſächlich etwas ſehr Unter⸗ ſtützenswertes ſind. Meine Herren, die Entſcheidung über die Frage, wie weit wir als Kommune Charlottenburg dabei beteiligt ſind, wie weit wir dadurch Vorteile haben, wie hoch ſich der Zuſchuß bemeſſen und auf wie lange er ſich erſtrecken ſoll, iſt natürlich Sache der perſönlichen Auffaſſung. Nach dieſer Richtung wird es ſich vielleicht auch empfehlen, bei der nächſten Etatsberatung einmal die Frage zu be⸗ rühren. Wir haben bei der vorjährigen Etats⸗ beratung beſchloſſen, daß die ganzen Vereins⸗ beiträge, die wir zahlen, einmal einer Reviſion unterzogen werden ſollen, und der Magiſtrat hat, wenn ich nicht irre, ſich bereit erklärt, in eine Prü⸗ fung der Vereinsbeiträge einzutreten. Bei dieſer Gelegenheit wird vielleicht die Frage auch mit er⸗ örtert werden können, ob die Höhe der Summen, die wir bereits bewilligt haben und in Zukunft ſnoch bewilligen werden, mit den Vorteilen im Ein⸗ klang ſteht. Für heute werden wir, glaube ich, gut tun, dem Antrage des Berichterſtatters zu folgen und die Summe zu bewilligen.