Sitzung vom 8. Dezember 1909 Stadtv. Vogel 1: ſichtigung der Kolonie Hoffnungstal hat ſich ge⸗ zeigt, daß die dort ausgeführten Arbeiten für viele Arbeitsloſe nicht geeignet ſind, daß ſie dieſe Arbeiten nicht zu leiſten imſtande ſind. Deshalb iſt im Jahre 1907, als ein Zuſchuß von 10 000 ℳ bewilligt werden ſollte, ausdrücklich die Bedingung an die Bewilligung geknüpft worden, daß von dieſem Betrage 3000 ℳ zur Einrichtung von Werkſtätten für gelernte Arbeiter zu verwenden ſind. Das iſt damals vom Herrn Kollegen Dr Penzig beantragt worden, und dem haben außer meiner Fraktion auch eine ganze Reihe von Liberalen ſich ange⸗ ſchloſſen: z. B. die Kollegen Bollmann, Dzia⸗ loszynski, Holz, Jachmann, Sachs und Thieme. Alle dieſe Kollegen haben gewollt, daß die Leute, die zu dieſen Erdarbeiten nicht geeignet ſind, — es gibt da viele Schneider, Zigarrenmacher, Weber uſw. — in dieſen zu errichtenden geeigneten Werk⸗ ſtätten beſchäftigt werden ſollten. Paſtor Bodel⸗ ſchwingh hat ſich auch dazu bereit erklärt; daß es geſchehen iſt, davon habe ich noch nichts erfahren. Stadtrat Seydel: Die Herren, die im Sommer vorigen Jahres draußen in Hoffnungstal waren, konnten ſich überzeugen, daß die Werkſtätten be⸗ ſtanden, und daß in ihnen auch Handwerker be⸗ ſchäftigt wurden. Die Werkſtätten ſind unmittel⸗ bar, nachdem wir das Geld dafür gegeben hatten, errichtet worden, und zwar nicht nur für den damals von uns gewährten Betrag von 3000 ℳ, ſondern mit einem viel höheren Aufwande, ich glaube von 10 000 ℳ. Es beſteht kein Grund zu der Annahme, daß die Werkſtätten heute nicht mehr im Betriebe ſind. Damit ſind die Bedenken des Herrn Stadtv. Vogel wohl beſeitigt. Stadtv. Zietſch: Herr Kollege Stadthagen hat mich mißverſtanden, wenn er glaubt, aus meinen Ausführungen herausleſen zu können, daß ich den Herren von den bürgerlichen Parteien, die im Saale anweſend ſind, allgemein den Vorwurf gemacht hätte, daß ſie gegen die Beſtrebungen der Gewerkſchaften, Arbeitsloſenunterſtützung zu ge⸗ währen, ſind. Das habe ich weder im ſpeziellen behauptet noch im generellen Sinne gemeint; denn ich hätte mich in Widerſpruch zu dem geſetzt, was meine Erfahrungen in der jüngſten Zeit mich ge⸗ lehrt haben. Ich habe die Auffaſſung, daß eine ganze Reihe der Herren bemüht ſind, durch eine ſtädtiſche Einrichtung gegen die Arbeitsloſigkeit in irgendeiner Weiſe einzuſchreiten. Herr Kollege Stadthagen irrt aber, wenn er meint, daß wir ſelbſt immer zugegeben hätten, daß die ſogenannten ſozialdemokratiſchen gewerkſchaftlichen Organiſa⸗ tionen nichts getan hätten, um die Landſtraße von Vagabonden zu entvölkern. Herr Kollege Stadt⸗ hagen hat darin ohne weiteres recht, wenn er der Annahme iſt, daß die gewerkſchaftliche Organiſierung gerade der Leute, die dem Trunke ergeben ſind, die alſo in den Wirkungsbereich der Bodelſchwingh'ſchen Anſtalten gehören, ſehr ſchwer durchgeführt werden kann. Das geben wir zu, weil für den Beitritt zur Gewerkſchaft eine gewiſſe beſſere materielle Grund⸗ lage, ein höheres geiſtiges Niveau Vorausſetzung iſt, als dies bei den meiſten Zöglingen der Bodel⸗ ſchwingh'ſchen Anſtalt vorausgeſetzt werden kann. Aber Herr Kollege Stadthagen darf nicht vergeſſen: die Gewerkſchaften wirken dadurch prophylaktiſch, Meine Herren, bei der Be⸗ daß ſie ſchon die jungen Leute in ihren Kreis 541 hineinziehen; dadurch. entziehen ſie dieſelben dem Schnapsgenuß und auch der Verwahrloſung. So entlaſten die Gewerkſchaften tatſächlich aber auch die Landſtraßen von den ſogenannten Vagabonden. Herr Kollege Stadthagen irrt aber auch, wenn er annimmt, daß ich geſagt haben ſollte, daß die Mehrheit der anweſenden Herren in ſyſtematiſcher Weiſe den Organiſationsbeſtrebungen der Arbeiter entgegenwirke. Das tun die Herren nicht; auch diejenigen Herren, deren Partei Herr Kollege Stadt⸗ hagen jedenfalls außerhalb dieſes Hauſes zugehört, kämpfen nicht gegen all e Arbeiterorganiſationen, ſondern nur gegen diejenigen, die ihnen unbequem ſind; die gelben Arbeiterorganiſationen dagegen unterſtützen ſie. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Protze (Schlußwort): Meine Herren, die Ausführungen des Herrn Kollegen Zietſch ſprechen eigentlich dafür, daß wir dieſe 5 000 Mark bewilligen. Herr Kollege Zietſch ſagte, es komme in der Hauptſache darauf an, die Arbeiter durch Organiſation vor dem Elend zu bewahren. Das iſt ja ſehr ſchön, Herr Kollege Zietſch, darüber freue ich mich. Wir müſſen doch aber auch dafür ſorgen, daß die Perſonen, die dem Elend verfallen ſind, gerettet werden, und des⸗ halb müſſen wir die 5 000 Mark bewilligen. (Stadtv. Hirſch: Hinauswerfen!) — Das glaube ich nicht, daß ſie hinausgeworfen ſind. Herrn Kollegen Vogel möchte ich erwidern: wenn er draußen geweſen iſt, ſo hätte er die Werkſtätten ſehen können. Ich habe Schuhmacher⸗, Tiſchler⸗ und andere Werkſtätten dort geſehen. Natürlich wird nicht für jeden auch paſſende Arbeit vorhanden ſein; ein Luftſchiffer wird viel⸗ leicht teine Arbeit dort finden können. Aber Land⸗ arbeit kann doch auch jeder machen. (Die Verſammlung beſchließt nach dem An⸗ trage des Magiſtrats, wie folgt: Zur Unterſtützung der zur Bekämpfung des Vagabundentums und der Bettelei in Groß⸗Berlin geſchaffenen von Bodelſchwingh ſchen Kolonien bei Bernau wird ein ein⸗ maliger Beitrag von 5 000 ℳ bewilligt. Der Betrag iſt dem Dispoſitionsfonds zu ent⸗ nehmen). BVorſteher Kaufmann: Punkt 6 der Tages⸗ ordnung: Anfrage der Stadtv. Mann und Gen. betr. Nachrichtenamt. Druckſache 360. Die Anfrage lautet: Anläßlich der in letzter Zeit vielfach in der Preſſe aufgetauchten unzutreffenden Mit⸗ teilungen über ſtädtiſche Angelegenheiten fragen die Unterzeichneten an, ob der Ma⸗ giſtrat Einrichtungen getroffen hat, um der Verbreitung derartiger Nachrichten entgegen⸗ zutreten.) Frageſteller Stadtv. Mann: Meine Herren, unſere Anfrage gipfelt darin, den Magiſtrat zu erſuchen, in größerem Maßſtabe als bisher die Preſſe zu informieren. Wir haben in letzter Zeit in Charlottenburg Vorgänge gehabt, die in fürch⸗