Sitzung vom 8. Dezember 1909 Das muß hier ausdrücklich feſtgeſtellt werden. Es handelt ſich für mich nicht um rechtliche Deduk⸗ tionen, nicht um die Prüfung, ob wirklich nach dem Buchſtaben des Ortsſtatuts oder der Polizei⸗ verordnung hier verfahren iſt, ſondern es handelt ſich für mich darum, ob dieſe Eximierung einzelner Haus⸗ beſitzer vom Standpunkt der Stadt⸗ kommune Charlottenburg aus zu billigen i ſt. Nach der Richtung hat ſich der Ausſchuß dahin erklärt, daß es nicht zu billi⸗ gen iſt, und ich freue mich, feſtſtellen zu können, daß der Herr Oberbürgermeiſter ausgeſprochen hat, daß der Magiſtrat jedenfalls bereit ſein wird, dem Ortsſtatut die Faſſung zu geben, von der wir wünſchen, daß ſie bereits dem Ortsſtatut gegeben wäre, als es in Geltung trat. (Allſeitiges lebhaftes Bravo.) (Die Verſammlung beſchließt einſtimmig nach dem Antrage des Ausſchuſſes, wie folgt: Der Magiſtrat wird erſucht, eingehend zu erwägen, ob die zurzeit der Müllabfuhr nicht unterliegenden Hausbeſitzer zu Recht von der Müllabfuhr⸗Verpflichtung befreit ſind und erforderlichenfalls der Stadtverordneten⸗ verſammlung eine Vorlage zu unterbreiten, nach der das Ortsſtatut für Müllabfuhr eine Ergänzung erfährt, durch die die Gebühren⸗ pflicht für alle Hausbeſitzer eingeführt wird.) Vorſteher Kaufmann: Punkt 8 der Tages⸗ ordnung: Antrag der Stadtv. Meyer und Gen., betr. Krematorium. — Druckſache 362. Der Antrag lautet: Stadtverordnetenverſammlung möge beſchlie⸗ ßen, Magiſtrat zu erſuchen, die Errichtung eines ſtädtiſchen Krematoriums in die Wege zu leiten. Berichterſtatter Stadtv. Meyer: Meine Herren, ein ähnlicher Antrag wie der, den wir jetzt geſtellt haben, hat bereits im März vorigen Jahres die Stadtverordnetenverſammlung beſchäftigt und Annahme gefunden. Damals ſchwebte der Rechts⸗ ſtreit über die Benutzung des Hagener Krema⸗ toriums beim Oberverwaltungsgericht, und Herr Kollege Dr Stadthagen, der den Antrag begründete, faßte ſowohl die Möglichkeit ins Auge, daß das Oberverwaltungsgericht die Benutzung des Krema⸗ toriums für zuläſſig erachtete — in dieſem Falle, meinte er, würde ein Krematorium in Charlottenburg natürlich ſofort der Benutzung übergeben werden können —, als auch die, daß das nicht geſchieht; für letztere Eventualität legte Herr Kollege Dr Stadt⸗ hagen dar, daß es nichts ſchadete, wenn trotzdem alle Vorarbeiten getroffen würden und wenn ſogar, unter Umſtänden auch das Krematorium bereits errichtet würde, weil das die Wirkung haben könnte, einen moraliſchen Druck auf die preußiſche Staats⸗ regierung auszuüben. Nun hat das Oberverwaltungsgericht ge⸗ ſprochen, und die zweite Eventualität iſt ein⸗ getroffen: die Benutzung des in Hagen gebauten Krematoriums iſt verboten worden. Wenn wir deſſen ungeachtet im gegenwärtigen Moment den Antrag wiederholen und Sie bitten, den Beſchluß 551 nochmals zu faſſen, der gefaßt worden war, ſo ſind es vor allen Dingen drei neue Tatſachen, die mehr denn früher für eine derartige Entſcheidung ſprechen. Zunächſt hat ſich die Zahl der Staaten, in denen in Deutſchland die Leichenverbrennung genehmigt worden iſt, wiederum vermehrt. Ich erinnere nur daran, daß ſeitdem in zwei Königreichen, in Sachſen und Württemberg, die Leichenverbrennung geſtattet worden iſt. Ferner iſt im vorigen Jahre durch die Preſſe eine Ankündigung gegangen, der zufolge die preußiſche Staatsregierung ſich ernſthaft damit trägt, die notwendigen Schritte zur Ge⸗ nehmigung der Leichenverbrennung auch in Preußen zu ergreifen — eine offenſichtlich offiziöſe Notiz, der kein Widerſpruch entgegengeſtellt worden iſt. Vor allen Dingen aber muß es auffallen, daß kürz⸗ lich die ſechſte ordentliche Generalſynode den bis dahin mit großer Energie eingenommenen Stand⸗ punkt verlaſſen hat, daß Geiſtliche im Ornat an Trauerfeiern, die einer Leichenverbrennung voraus⸗ gehen, ſich nicht beteiligen dürfen. Es darf uns befriedigen, daß es bei dieſer Gelegenheit ein Char⸗ lottenburger Geiſtlicher war, der den Tatſachen offen ins Geſicht geſchaut und erklärt hat, man dürfe die Augen nicht mehr verſchließen, die Leichen⸗ verbrennung ſei da. Nicht unbeachtet kann bleiben, daß der Vizepräſident des Evangeliſchen Ober⸗ kirchenrats ſelbſt die Beſchlußfaſſung in der General⸗ ſynode gebilligt und gefördert hat. Unter dieſen Umſtänden, meine Herren, darf man annehmen, daß auch in Preußen die Regierung ſich nicht mehr lange dem dringenden Bedürfnis, das in dieſer Richtung unzweifelhaft beſteht — darüber brauche ich in dieſer Verſammlung kein Wort zu verlieren —, verſchließen wird und die Zulaſſung der Feuerbeſtattung nahe bevorſteht. Heute handelt es ſich deshalb nicht darum, daß wir auf Vorrat ein Krematorium gebaut haben wollen, ſondern wir hoffen, daß, bevor die Vorarbeiten fertig ſein werden und die Vorlage, die der Magiſtrat uns auf dieſen Antrag hin machen ſoll, zu einer Er⸗ ledigung gelangt iſt, die Gewißheit der Benutzungs⸗ möglichkeit bereits geſchaffen ſein wird. Darum, meine Herren, bitte ich Sie im Namen der Antragſteller, unſerem Antrage zuzuſtimmen, möchte aber nicht verfehlen, ausdrücklich, obwohl es ja an ſich ſelbſtverſtändlich iſt, hinzuzufügen, daß unſerer Anſicht nach ein ſolcher Beſchluß in keiner Weiſe in Verbindung ſteht mit der Frage der Er⸗ richtung eines Gemeindefriedhofs, daß alſo die Er⸗ richtung eines Krematoriums dem Wunſche, den wir in jener Beziehung hegen, keineswegs präjudiziert. Stadtv. Zietſch: Meine Freunde ſtehen auf dem Standpunkt, daß dieſer Antrag des Herren Kollegen Meyer und Genoſſen ohne weiteres zu unterſtützen iſt. Wir haben ja auch ſchon im ver⸗ gangenen Jahre, als die Frage hier angeregt worden war, denſelben Standpunkt eingenommen, und ich ſtimme auch darin den Ausführungen des Herrn Kollegen Meyer vollkommen bei, daß ſich durch die, wenn auch nur ſcheinbar, die Sache günſtiger verſchiebenden Umſtände die Dinge ſo geſtaltet haben, daß eine neuerliche Einbringung des Antrages ſich rechtfertigen läßt, und wir ſind auch der Meinung, daß der Magiſtrat immer und immer wieder an die Notwendigkeit der Errichtung eines Krematoriums erinnert werden muß. Ich glaube aber, daß der Magiſtrat jetzt dieſelben Be⸗ denken gegen die Ausführung des Antrages geltend