Berln Sitzung vom 8. Dezember 1909 allgemeines Intereſſe der Bevölkerung daran vor⸗ handen, daß dieſe Art des Beſtattungsweſens von Anfang an dem geſchäftlichen Konkurrenzkampf der kirchlichen und privaten Veranſtalter entzogen (Sehr richtig!) und auf die Stadt übertragen wird. Meine Herren, wer von Ihnen in der traurigen Lage geweſen iſt, einer Feuerbeſtattung eines Angehörigen in Gotha beizuwohnen — in den übrigen Orten mit ſtädtiſchen Krematorien wird es ebenſo ſein —, der wird wiſſen, daß ſogar die heute noch für die Hinterbliebenen beſtehende große Unannehmlichkeit, die Pein des Reiſens mit der Leiche, nahezu aufgewogen wird durch die überaus würdige Art und Weiſe, wie eine derartige Feuerbeſtattung ſich in dieſen Orten vollzieht. (Sehr richtig!) Deshalb müſſen wir dafür ſorgen, daß mit dem⸗ ſelben Moment, wo die Möglichkeit der Feuer⸗ beſtattung in Preußen gegeben wird, denen, die dieſe Todesart nun einmal für ſich wünſchen (Heiterkeit) — die dieſe Art der Beſtattung für ſich wünſchen, auch in unſerer Stadt eine ebenſo würdige Beſtattung zuteil wird, vor allen Dingen unſeren eigenen Mitbürgern. Die Erfahrungen der Städte, in denen zurzeit die ſtädtiſchen Feuerbeſtattungen ſtattfinden, ſprechen ſicherlich dafür, den von uns geſtellten Antrag zur Annahme zu bringen. (Bravo!) (Die Verſammlung ſtimmt dem Antrage der Stadtverordneten Meyer und Gen. zu.) Vorſteher⸗Stellvertr. Dr. Hubatſch: Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung: Bericht des Ausſchuſſes über die Borlage betr. Fortbildungsſchulpflicht für die weiblichen Hand⸗ lungsgehilſen und ⸗Lehrlinge. — Druckſachen 337, 364. Berichterſtatter Stadtv. Otto: Meine Herren, der Ausſchuß empfiehlt Ihnen die Annahme der Magiſtratsvorlage mit nur einer Abänderung des Ortsſtatuts. Dem Punkt 1 der Magiſtratsvorlage: Der Einführung der Fortbildungsſchul⸗ pflicht für die weiblichen Handlungsgehilfen und ⸗Lehrlinge zum 1. April 1910 wird zu⸗ geſtimmt hat der Ausſchuß ohne erhebliche Debatte zu⸗ geſtimmt. Das Ortsſtatut iſt einer eingehenden Erörterung unterzogen worden. Es wurden ver⸗ ſchiedene Anregungen gegeben und Vorſchläge gemacht; aber nur ein Abänderungsantrag wurde ſchließlich beſchloſſen. Sie haben in dem Ausſchuß⸗ bericht, der Ihnen vorliegt, dieſen Abänderungs⸗ antrag in folgender Form: Ziffer 2: Es wird folgende Anderung des Ortsſtatuts beſchloſſen: 2 E Punkt a ſoll lauten: „den vollſtändigen Lehrgang einer zehnktlaſſigen Mädchenſchule durchge⸗ nommen haben.“ Die Magiſtratsvorlage ſah vor, nur eine neun⸗ klaſſige Mädchenſchule zu fordern. Der Ausſchuß hat aber mit Rückſicht darauf, daß in Preußen ſeit der Mädchenſchulreform anerkannte höhere Mädchenſchulen zehnklaſſig ſein müſſen, ſich auf 555 den Standpunkt geſtellt, daß nur die Abſolvierung einer ſolchen anerkannten höheren Mädchenſchule von dem Beſuch der Fortbildungsſchule befreit. Dementſprechend empfiehlt Ihnen der Ausſchuß dieſe Abänderung der Magiſtratsvorlage und im übrigen die Annahme der Vorlage. Nachdem der Ausſchuß ſeine Beratungen beendet hatte, ging bei der Stadtverordneten⸗ verſammlung zur Hand des Ausſchuſſes noch ein Geſuch der Ortsgruppe Charlottenburg des Deutſch⸗ nationalen Handlungsgehilfen-Verbandes, juriſtiſche Perſon, Hauptſitz Hamburg, um Ablehnung des Antrages des Magiſtrats der Stadt Charlottenburg auf Errichtung von Fortbildungsſchulen für weibliche kaufmänniſche Angeſtellten ein. Der Ausſchuß hat über dieſes Geſuch nicht mehr verhandelt; deshalb geſtatten Sie mir, mit einigen Worten auf das Geſuch einzugehen. An die Spitze ſeiner ziemlich umfangreichen Schrift ſtellt der Deutſchnationale Handlungs⸗ gehilfen⸗Verband, Ortsgruppe Charlottenburg, folgenden Satz: Wir bedauern außerordentlich, daß der Magiſtrat zu ſeinem Antrage gekommen iſt, ohne die im § 142 der Reichsgewerbeordnung vorgeſchriebene Anhörung der beteiligten Ar⸗ beitgeber⸗ und Arbeitnehmertreiſe in die Wege geleitet zu haben. Demgegenüber ſtelle ich aus den Akten feſt, daß der Magiſtrat 12 Kaufleute und Fabrikbeſitzer und 10 weibliche Handlungsgehilfen eingeladen und gehört hat, ehe er ſeine Vorlage machte. Der Einladung haben 6 Kaufleute und 3 weibliche Handlungsgehilfen entſprochen. Es darf erwartet werden, daß diejenigen Kreiſe, die ſich veranlaßt ſehen, Petitionen an die Stadtverordneten⸗ verſammlung zu richten, ſich wenigſtens vorher über die einſchlägigen Verhältniſſe unterrichten und nicht Behauptungen ausſprechen, die auf Grund der Akten als völlig unzutreffend bezeichnet werden müſſen. Im übrigen geht die ganze Petition trotz ihrer Ausführlichkeit, trotz ſtatiſtiſchen Materials, trotz Zitierung hervorragender oder weniger hervor⸗ ragender Männer und Frauen darauf hinaus, aus Konkurrenzfurcht der Einführung der Fort⸗ bildungsſchulpflicht für weibliche Handlungsgehilfen entgegen zu ſein. Ich will Ihnen aus drei Sätzen, die ich wörtlich aus der Petition entnommen habe, dieſe Behauptung beweiſen. Unterſtrichen heißt es in der Petition: Kann die Stadtverordnetenverſammlung verantworten, daß nun auch Charlottenburg an ſeinem Teile beiträgt, den Männern, den ſteuerzahlenden Handlungsgehilfen, lohn⸗ drückende Frauenkonkurrenz zu ſchaffen? Und auf ähnlicher Höhe ſtehen zwei andere Sätze; der eine iſt aus dem Eingange, der andere aus dem Schluſſe der Petition entnommen. Im Eingange heißt es: Die Frauen finden im Handlungsgewerbe weder lohnende noch in geſundheitlicher Beziehung zuträgliche Beſchäftigung; und am Schluſſe heißt es: Die Fortbildungsſchule nützt, wenn ſie Fachbildung bringt, in beſtem Falle jenen Prinzipalen, die billige Frauenarbeit ſuchen, und einige Kenntniſſe dabei gebrauchen, ſie ſchädigt das breite Heer der Handlungs⸗ gehilfen und nützt dem Individuum der Frau ebenſowenig wie der Volksgemeinſchaft.