556 Sitzung vom 8. Meine Herren, derartige Anſchauungen über Bil⸗ dungsfragen ſtehen auf einer Höhe, daß eine ernſthafte Wderlegung in dieſer Verſammlung, die gerade allen Bildungsfragen gegenüber einen anderen Standpunkt einnimmt, nicht nötig erſcheint. Ich will nur noch, wie ich das bereits in der vorigen Sitzung getan habe, gegenüber dieſer Petition darauf hinweiſen, daß Gott ſei Dank nicht alle Organiſationen der Kaufmannſchaft ſo denken wie die Ortsgruppe Charlottenburg des Deutſchnationalen Handlungsgehilfen⸗ Verbandes. Der Verein Deutſcher Kaufleute, Ortsgruppe Charlottenburg, hat, wie ich Ihnen in der vorigen Sitzung ſchon anführte, ſeinerzeit eine Petition an den Magiſtrat gerichtet, in der er ſich für die Einführung einer derartigen Fortbildungsſchule ausſpricht. Im Namen des Ausſchuſſes bitte ich Sie, der Magiſtratsvorlage mit der erwähnten Abänderung zuzuſtimmen und die eingegangene Petition des Deutſchnationalen Handlungsgehilfen⸗ Verbandes durch dieſe Beſchlußfaſſung als erledigt zu erklären. (Bravo!) (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt mit großer Mehrheit nach dem Antrage des Ausſchuſſes, wie folgt: 1. Der Einführung der Fortbildungsſchulpflicht für die weiblichen Handlungsgehilfen und ⸗Lehrlinge zum 1. April 1910 wird zugeſtimmt. 2. Das abgedruckte Ortsſtatut betr. die Ver⸗ pflichtung zum Beſuche der Fortbildungs⸗ ſchule für Mädchen in Charlottenburg wird mit der Abänderung genehmigt, daß § 2 Punkt a lauten ſoll: „den vollſtändigen Lehrgang einer 10klaſſigen Mädchenſchule durchgenommen haben.“) Vorſteher ⸗Stellvertr. Dr. Hubatſch: Durch dieſen Beſchluß iſt die Petition gleichzeitig erledigt. Wir kommen zum folgenden Punkt der Tages⸗ ordnung, Punkt 11: Vorlage betr. Prüfung der Gültigkeit der Stadt⸗ verordnetenwahlen und Berichterſtattung des Ausſchuſſes. — Druckſache 365. Berichterſtatter Stadtv. Holz: Meine Herren, der Ausſchuß zur Prüfung der Stadtverordneten⸗ wahlen am 8., 9. und 10. November hatte ſich nur mit zwei Einſprüchen zu beſchäftigen, wie Sie aus der Vorlage erſehen, gegen die Wahl im 2. und 4. Bezirk der dritten Wählerabteilung. Der Ausſchuß kam auf Grund eingehender Beratung und Prüfung zu dem Entſchluß, die ſämtlichen 26 Wahlen für gültig zu erklären. Es intereſſiert jedenfalls, da der Ausſchuß Veranlaſſung ge⸗ nommen hat, in eine Beweiserhebung wegen der beiden Einſprüche einzutreten, von dem Inhalt der beiden Proteſte Kenntnis zu nehmen. Wir ſehen aus den Proteſten, daß die Wahlen im allgemeinen in einer ſo vorzüglichen Ordnung vor ſich gegangen ſind, daß man ſich über dieſes Re⸗ ſultat nur freuen kann. In dem Proteſt hinſchtlich der Wahl im 2. Wahlbezirk heißt es im weſentlichen: In meinem Proteſt ſtütze ich mich auf folgende Vorkommniſſe. Im Wahllokal bei Winter, Schloßſtraße 45 — Wahlbezirk I11a — Dezember 1909 hielt der bei der Wahlhandlung anweſende Magiſtratsdiener den Eingang des Wahllokals zeitweiſe zehn Minuten lang geſchloſſen, angeblich aus dem Grunde, weil das Wahl⸗ lokal überfüllt ſei. Es kommt dann eine lange Motivierung, und am Ende heißt es: Ferner wurde im Abſtimmungsbezirk 11b die Tür zum Wahllokal bereits fünf Minuten vor 8 Uhr geſchloſſen; dadurch wurden ebenfalls mehrere Wähler an der Ausübung ihres Wahlrechts behindert. Es werden Zeugen genannt. Der Ausſchuß hat ſich über dieſe beiden Proteſte eingehend unterhalten und kam an der Hand der Außerungen maßgebender Perſonen zu dem Reſultat, daß ſie nicht beachtlich ſind. Was zunächſt das zu frühe Schließen des Wahl⸗ lokales anbetrifft, ſo hat der Wahlvorſteher Wenig unter Zuſtimmung ſämtlicher Beteiligten erklärt, daß er ſeine Uhr mit den Uhren der andern Herren und mit der Rathausuhr verglichen hat, ſo daß kein Zweifel iſt, daß die Zeit richtig eingehalten worden iſt. Was den weiteren Einſpruch anbetrifft, daß der Magiſtratsdiener den Eingang verſperrt habe, ſo liegen, da der Ausſchuß beſchloſſen hatte, den Magiſtrat zu einer umfangreichen Beweiserhebung zu veranlaſſen, eine Reihe von Erhebungen vor. Dieſe Erhebungen ergeben, daß daran kein wahres Wort iſt. Zettelverteiler in Frage gekommen ſind, Maurer Guſtav Netzker, der Tiſchler Hermann Scholz und Franz Hegebarth ausgeſagt, daß in der Zeit von 6 bis 7 Uhr ein Magiſtratsdiener ſich an der Tür aufgeſtellt habe und etwa 10 Minuten lang, indem er die Hand auf die Tür gelegt habe, den Eintritt einer Reihe von Wählern verhindert habe. Demgegenüber ſteht aber nicht nur die Ausſage des beteiligten Magiſtratsdieners, ſondern auch die Ausſage einiger anderer, zunächſt einmal des Wahlvorſtehers Baumeiſter Thoens, der am 4. Dezember vernommen worden iſt, der den Vorfall beobachtet hat und ihn ſo ſchildert, daß in der Tat ein Magiſtratsdiener ſich, weil der Andrang ſehr groß war, dort aufgeſtellt hat, um den Eingang und Austritt der Wähler zu ordnen. Es heißt hier wörtlich, und das iſt intereſſant: Der dienſttuende Magiſtratsbote, der an der Tür des Wahlzimmers ſtand, ſorgte dafür, daß die Wähler Reihen bildeten. Er wurde dabei von dem Obmann einer Partei, wie ich glaube, von dem der ſozial⸗ demokratiſchen Partei, unterſtützt. Die Tür zu dem Wahlzimmer iſt ſtets geöffnet geblieben. Hier alſo hat ſich die ſozialdemokratiſche Partei als Ordnungspartei (Stadtv. Zietſch: Wie wir immer ſind!) auf die Seite des Magiſtratsdieners geſtellt und hat dafür geſorgt, daß alles richtig funktioniert. Auf Grund dieſer Beweiserhebungen hat der Ausſchuß einſtimmig den Beſchluß gefaßt, die Wahl für gültig zu erklären. Es lag dann ferner ein Einſpruch gegen die Wahl im 4. Bezirk vor. Da wurde von einem Beſchwerdeführer die Behauptung aufgeſtellt, daß die Publikation des Magiſtrats am Wahllokal entfernt worden ſei. Es heißt in dem Proteſt: Der Schutzmann Baumgarth vom 8. Po⸗ lizeirevier in Charlottenburg kam abends 3¾%7 Uhr in das im 4. Wahlbezirk, Ab⸗ Es haben zwar drei Zeugen, die als der