Sitzung vom 22. Dezember 1909 dokumentieren, daß er und ſeine Freunde in bezug auf die Frage des Stadtverordnetenwahlrechts reaktionär ſind. Das habe ich bereits gewußt. Was im übrigen die Bemerkungen des Herrn Kollegen Crüger in bezug auf dasjenige Mitglied meiner Fraktion betrifft, das dem Sparkaſſen⸗ vorſtande angehört, ſo kann ich ausdrücklich hier konſtatieren, daß von einem Mißtrauensvotum, das wir Herrn Kollegen Vogel erteilen, abſolut nicht die Rede iſt. Ebenſowenig kann davon die Rede ſein, daß Herr Kollege Vogel etwa die Intereſſen der Mieter nicht genügend wahrgenommen hat; (Stadtv. Dr Crüger: Na alſo!) er hat ſie mindeſtens in demſelben Maße wahr⸗ genommen wie die Freunde des Herrn Kollegen Crüger. (Heiterkeit.) Wenn ich vorhin erklärt habe, daß wir bei der Wahl des Sparkaſſenvorſtandes den Wünſchen der Petenten Rechnung tragen, ſo betone ich, daß ich mich ausdrücklich dabei auch des Einverſtändniſſes des Herrn Vogel verſichert habe, der erklärt hat, daß er eine Wahl nicht mehr annehmen will, daß er ſogar bereit iſt, zurückzutreten. Ich möchte nur wünſchen, daß die übrigen Hausbeſitzer das eben⸗ falls täten. Stadtv. Dr. Crüger: Meine Herren, ich lege doch Wert darauf, feſtzuſtellen, daß Herr Kollege Hirſch ausdrücklich anerkannt hat, daß meine Freunde aus der Fraktion im Sparkaſſenvorſtande genau ebenſo wie Herr Kollege Vogel auch die Rechte der Mieter vertreten haben. (Bravo! und Heiterkeit.) Stadtv. Hirſch: Meine Herren, ich muß konſtatieren, daß Herr Kollege Crüger mich miß⸗ verſtanden hat. Ich habe nicht geſagt, daß ſeine Freunde die Rechte der Mieter ebenſo vertreten haben wie Herr Kollege Vogel, ſondern ich habe geſagt, daß Herr Kollege Vogel die Rechte der Mieter mindeſtens in demſelben Maße vertreten hat wie die Freunde die Herrn Kollegen Crüger. Das muß ſich aus dem ſtenographiſchen Bericht ergeben. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Vorſteher Kaufmann: Herr Kollege Crüger hat mir eine ſehr undankbare und undurchführ⸗ bar Aufgabe geſtellt, (Stadtv. Hirſch: Und das iſt Ihr Freund!) ich möchte Herrn Kollegen Hirſch zu einem Antrage veranlaſſen. Ein anderer Antrag läßt ſich abſolut nicht aus dieſer Sache faſſen als der Antrag, zur Tagesordnung überzugehen, weil eben die Stadt⸗ verordnetenverſammlung zu wählen hat. Die Motive, die Herr Hirſch angeführt hat — aus⸗ zuſprechen: es tut ihm leid, daß kein anderer Weg vorhanden iſt — das iſt kein Antrag; das heißt offene Türen einrennen. Deſſen war ſich auch der Petitionsausſchuß bewußt, daß er nichts anderes mit der Petition machen konnte, als zur Tages⸗ ordnung überzugehen. Berichterſtatter Stadtv. Litten (Schlußwort): Meine Herren, ich habe in der Sache auch nichts weiter anzuführen. Ich habe geſagt — das iſt ſchon von anderer Seite geſagt worden, und ich ſtelle es noch einmal feſt —, daß im Petitionsausſchuß alle einſtimmig für den Antrag geſtimmt haben, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen. 571 (Die Verſammlung beſchließt nach dem An⸗ trage des Ausſchuſſes, über die Petition I1 zur Tages⸗ ordnung überzugehen.) Borſteher Kaufmann: III. Petition des Liberalen Be⸗ zirksvereins Charlottenburg⸗ Weſt betr. Aufſchlie ßung von Nord⸗Weſtend. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Flatau: Meine Herren, die Petition, über die ich Ihnen zu berichten habe, erneuert ein im Jahre 1905 an die ſtädtiſchen Körperſchaften gerichtetes Erſuchen um bauliche Erſchließung der nördlich der Spandauer Chauſſee belegenen Teile von Weſtend. Die Petition weiſt eine über das Gewöhnliche hinausgehende Zahl von Unterſchriften auf, wie ſie denn wirklich eine Frage von außerordentlicher Tragweite für die künftige Entwicklung unſerer Stadt berührt. In Würdigung der großen Bedeutung, die die Angelegenheit beanſpruchen darf, wurde die Eingabe in einer mehrſtündigen Verhandlung des Ausſchuſſes, und zwar, wie Sie auch aus dem gedruckten Protokoll entnehmen können, unter Mitwirkung des Herrn Oberbürgermeiſters und des Herrn Stadtver⸗ ordnetenvorſtehers, durchberaten. Das Ergebnis der Beratung finden Sie in dem Antrage des Aus⸗ ſchuſſes, die Petition dem Magiſtrat zur Berück⸗ ſichtigung zu überweiſen. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß der Ausſchuß die Anträge der Petenten lediglich aus dem Geſichts⸗ punkte geprüft hat, ob ſie durch das Geſamtintereſſe von Stadt und Einwohnerſchaft gerechtfertigt erſcheinen, oder ob Erwägungen dieſer Art ihrer Berückſichtigung etwa entgegenſtehen. Das Gebiet von Nord⸗Weſtend fällt wirtſchaftlich in den Bereich jenes großzügig angelegten hiſtoriſchen Straßen⸗ zuges, der die Hauptverkehrsader des alten Char⸗ lottenburgs bildet. Wenn dieſer Straßenzug: die Charlottenburger Chauſſee, Berliner Straße, Spandauer Straße und Spandauer Chauſſee, zurzeit in ſeinem den Kern des alten Charlottenburg durchziehenden Teile nicht die Höhe der Ent⸗ wicklung aufweiſt, die man gerade im Hinblick auf die Großzügigkeit der ganzen Anlage erwarten müßte, ſo liegt das Hindernis vielleicht nicht zum wenigſten darin, daß die natürliche Fortſetzung dieſes Straßenzuges über die Höhe von Weſtend hinaus durch die unterlaſſene bauliche Erſchließung von Nordweſtend einigermaßen unterbunden iſt, wäh⸗ rend bekanntlich auf der anderen Seite zwiſchen dem Bahnhof Tiergarten und dem Brandenburger Tor die bauliche Verbindungslinie zwiſchen Berlin und Charlottenburg überhaupt fehlt. Es iſt nun nicht leicht zu beurteilen, ob mehr die Notwendigkeit oder Neigung dazu geführt hat, daß in den letzten Jahrzehnten die ſtädtiſchen Körperſchaften ihre Aufmerkſamkeit beſonders den neuen Gebieten Charlottenburgs zugewendet haben. Maßgebend war dabei wohl in erſter Linie der Geſichtspunkt, durch Erſchließung dieſer neuen Gebiete beſonders ſtarke Steuerquellen der Stadt zuzuführen — eine Erwartung, die allerdings nicht bezüglich aller Teile in vollem Umfange Erfüllung gefunden hat. Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): Herr Kollege Flatau, ich möchte Sie darauf aufmerkſam