Sitzung vom 22. uns keinerlei Förderung erfahren, während unſere Nachbarſtadt Spandau z. B. einen großen Auf⸗ ſchwung am Nonnendamm genommen hat, einen Aufſchwung, den wir ſelber dort hätten für uns herbeiführen können. Spandau wies jüngſt bei Begebung ſeiner neuen Anleihe ſtolz auf die ſteuer⸗ kräftigen Stadtteile hin, die es dort geſchaffen habe. Es ſind hier auch Verkehrsverbeſſerungen ein⸗ getreten. Der Bahnhof Fürſtenbrunn iſt eröffnet worden, die Untergrundbahn wird jetzt zum Platz F geführt. Es iſt der Bismarckturm auf dem Hoch⸗ plateau von Weſtend geplant, gärtneriſche Anlagen ſind in Ausſicht genommen und andere Unter⸗ nehmungen dort im Gange. Deshalb möchte ich dem Magiſtrat empfehlen, doch baldmöglichſt, und zwar in dem von dem Herrn Referenten erwähnten Zeitabſchnitt, an die Aufſchließung Nord⸗Weſtends ernſtlichſt heranzugehen. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung beſchließt nach dem Antrage des Ausſchuſſes, die Petition III dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen.) 2 Vorſteher Kaufmann: IV. Petition des Arbeiters Ge⸗ ricke be tr. Wiedereinſtellung als ſtändiger Arbeiter. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, der Arbeiter Gericke iſt im Städtiſchen Krankenhaus Weſtend vom 1. April 1908 als nicht ſtändiger Arbeiter und ſeit dem 16. Auguſt 1908 als ſtändiger Arbeiter beſchäftigt geweſen; ihm iſt in dieſem Jahre zum 1. Mai gekündigt worden. Als er die Kündigung am 18. April erhalten hatte, machte er geltend, er habe im Januar einen Unfall erlitten — bis dahin hatte er von dem Unfall nichts geſagt —, und bat darum, ihn wieder als ſtändigen Arbeiter zu beſchäftigen. Irgendeine Unfallrente iſt dem Manne nicht zugeſprochen worden. Von der Verwaltung iſt er dann, nachdem er der Armen⸗ verwaltung eine Zeitlang zur Laſt gefallen war, nach drei Monate langer Arbeitsloſigkeit wieder bei der ſtädtiſchen Gasanſtalt eingeſtellt worden und wird dort für einen Tageslohn von 3 beſchäftigt. Der Magiſtrat hat hier alſo das Wohlwollen be⸗ wieſen, das man dem Manne beweiſen konnte. Wir können ihn nach dem Unfall nicht in ſeiner früheren Beſchäftigung, die ſehr ſtarke Anforderungen in körperlicher Beziehung ſtellt, als Dampfkeſſel⸗ heizer beſchäftigen. Bei dem Mann iſt wahrſchein⸗ lich tatſächlich im Januar ein Leiſtenbruch zutage getreten; er bezeichnet das als Unfall, den er bei ſeiner Beſchäftigung erlitten habe. Es iſt aber be⸗ kannt, daß ein Leiſtenbruch bei ſtarker körperlicher Beſchäftigung unter Umſtänden hervortreten kann, daß er eventuell aber ſchon lange vorher ſich vor⸗ gebildet hat. Infolgedeſſen iſt auch die Recht⸗ ſprechung des Reichsverſicherungsamts meiſtens da⸗ hin ergangen, Leiſtenbrüche nicht als Unfälle an⸗ zuſehen. Demgemäß iſt auch hier entſchieden. Der Petitionsausſchuß hat ſich auf den Stand⸗ punkt geſtellt, daß es erwünſcht iſt, da immerhin der Unfall in einem ſtädtiſchen Betriebe in die Er⸗ ſcheinung getreten iſt, dem Manne weiterhin Wohl⸗ wollen zu erweiſen, über ſeine Petition aber zur Tagesordnung überzugehen. Ich empfehle Ihnen namens des Petitionsausſchuſſes Übergang zur Tagesordnung. 573 (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt nach dem Antrage des Peti⸗ tionsausſchuſſes, über die Petition IV zur Tages⸗ ordnung überzugehen.) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Dezember 1909 V. Petition des Strecke nwärters Carow betr. Ruhelohn. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, eine mehr grundſätzliche Bedeutung hat die nächſte Petition. Es handelt ſich hier um einen Arbeiter, der über 19 Jahre im Dienſte der Stadt, und zwar als Streckenwärter bei der Kanali⸗ ſation für das Druckrohr zwiſchen hier und den Rieſel⸗ feldern, gearbeitet hat. Dieſer Arbeiter leidet jetzt ſtark an Ischias und hat außerdem noch ein ſchweres Herzleiden; er iſt im Alter von nahezu 66 Jahren nunmehr penſioniert worden. Die Penſion iſt unſerem Ortsſtatut gemäß auf rund 900 Mark berechnet worden. Von der Penſion wird ihm aber die Unfallrente in Höhe von 206 Mark abgerechnet; dieſe hatte er bisher bekommen infolge eines Un⸗ falls, den er im Jahre 1886 bei der Eiſenbahn erlitten hatte, wo er früher von 1879 bis 1888 als Weichenſteller beſchäftigt war. Ferner wird ihm von der Penſion abgerechnet die Invalidenrente im Betrage von 237 Mark, die er bezieht, da er im Kriege 1870/71 von einer Chaſſepotkugel ver⸗ wundet worden iſt. Er bekommt alſo tatſächlich von der Stadt nach dieſen Abzügen 456 Mark Penſion und bittet nun, daß ihm doch die Unfall⸗ rente nicht abgezogen werde. Er ſagt, daß die Zeit von 10 Jahren, die er bei der Eiſenbahn war, der Stadt inſofern zugute kommt, als er ja doch dem Staate Arbeit geleiſtet habe. Andererſeits könnte doch die Stadt nicht dadurch einen Vorteil haben, daß er vorher beim Staate beſchäftigt geweſen ſei. Der Unfall, den er vorher gehabt hat, hat ihn in ſeiner Beſchäftigung bei uns nicht beeinträchtigt. Das Zeugnis über ihn iſt nach allen Richtungen befriedigend, lautet außerordentlich günſtig. Das Leiden, das er jetzt hat, hat er ſich im weſentlichen in der Beſchäftigung bei uns zugezogen, da er bei Wind und Wetter draußen ſein mußte; infolge⸗ deſſen bekam er nach 10 jähriger Tätigkeit Rheuma⸗ tismus, erhielt auch Unterſtützung zum Zwecke von Badereiſen. Der Mann iſt alſo in einer ſehr üblen Lage. Es iſt auch feſtgeſtellt, daß die Angehörigen nicht imſtande ſind, ihn zu unterſtützen, daß er im Gegen⸗ teil noch teilweiſe zuſchießen muß. Andererſeits iſt der Magiſtrat vollkommen im Recht, wenn er ſagt: nach dem Ortsſtatut müſſen ihm die beiden Poſten abgezogen werden. Meine Herren, wenn wir nicht vor 14 Tagen in einer Stadtverordneten⸗ ſitzung von dieſem Rechtsſtandpunkte abgewichen wären, dann würde der Petitionsausſchuß trotz der Sachlage wahrſcheinlich beantragt haben, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen, um eben dauernd auf der feſten Rechtsgrundlage zu bleiben. Wir haben aber dieſen Rechtsgrundſatz neulich verlaſſen bei einem Beamten, der ſich in höherer Stellung befunden, der ſich eine Penſion von beinahe 4000 Mark erdient hat. Wir haben dieſen Rechtsſtandpunkt trotz meiner energiſchen Warnung — das darf ich wohl auch in öffentlicher Sitzung ſagen — verlaſſen und haben die Penſion allerdings nicht anders feſtgeſetzt, aber widerruflich