Sitzung vom 22. Es iſt alſo ſicher richtig, was ich vorhin geſagt habe, daß dieſer Fall ſich als ein vollkommen harmloſer aufgeklärt hat, und es iſt ebenſo verſtändlich, daß der Ausſchuß zu dem Beſchluß kam, er hält dieſen Fall für die Begründung des Antrages der Stadtv. Bartſch und Gen. für belanglos. Alſo auch in dieſem Falle hat der Hausvater Richter die Handlungen, die ihm die Antragſteller zur Laſt gelegt haben, nicht verübt, wie aus der Unterſuchung des Ausſchuſſes hervorgeht. Nun zu Fall v1! Das iſt der Fall des Knaben Hoffmann, wo ſeitens des Magiſtrats keine Unter⸗ ſuchung vorlag und wo auf Veranlaſſung des Aus⸗ ſchuſſes der Magiſtrat eine Unterſuchung angeſtellt hat. Gerade dieſer Fall zeigt, wie leicht Vorgänge übertrieben und aufgebauſcht werden können und wie gefährlich es iſt, auf Grund ſolcher mitgeteilten Vorkommniſſe einen ſo ſchwerwiegenden Antrag auf ſchleunige Amtsentſetzung eines ſtädtiſchen Beamten zu ſtellen. (Stadtv Zietſch: Iſt ja gar kein ſtädtiſcher Beamter!) Die Angaben der Antragſteller lauten: Knabe Hoffmann ſoll im vorigen Winter mit einer Gartenſchere ins Ohr geſchnitten oder gezwickt worden ſein. Der Junge ſoll von Frau Richter dann am Ohr geriſſen worden ſein, ſo daß die Heilung gehindert wurde. Was hat die Unterſuchung des Magiſtrats ergeben? Der Magiſtrat hat zuerſt feſtgeſtellt, daß nur der ältere Knabe Hoffmann hier in Frage kommen kann. Es iſt nachgewieſen worden, daß er Froſtbeulen an an einem Ohr gehabt und bei ſeiner Vernehmung angegeben hat, daß ihn allerdings die Waiſen⸗ mutter einmal an einem Ohr gezogen hat, daß das aber das geſunde Ohr war; von einem Reißen oder Schneiden an dem Ohr wußte er nichts. Auch die weiter vernommenen Hoffmannſchen Kinder — ein Knabe, zwei Mädchen — haben Angaben über die behauptete Mißhandlung nicht zu machen vermocht. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß der Ausſchuß zu dem Beſchluß kam, daß dieſer Fall jeder tatſächlichen Unterlage entbehrt. Ich gehe jetzt gleich zu dem Fall vII) über. Dort lauten die Angaben der Antragſteller: Willy Schott und ein Knabe N. N. ſind im Sommer 1908 mit den Köpfen zuſammen⸗ geſtoßen worden. Willy Schott iſt ohn⸗ mächtig geworden und führt ſein Kopfleiden auf dieſen Vorgang zurück. Das Ergebnis der Unterſuchung des Magiſtrats war folgendes: Willy Schott war mit Karl Gondeck im Vordergarten in eine Prügelei geraten. Der im Hintergarten beſchäftigte Hausvater rief beide Knaben zu ſich, nahm jeden von ihnen mit einer Hand am Kragen und ſchüttelte ſie. Ein Zuſammenſtoßen mit den Köpfen wird von Schott behauptet, von Gondeck beſtritten. Der Hausvater entſinnt ſich dieſes Vorganges im einzelnen nicht. Schott gab an, ſich nicht wohl zu fühlen, und ging ins Bett, das er aber ſchon nach einigen Stunden wieder verließ. An Kopfſchmerzen hat Schott nach ſeiner 17 40 Angabe ſchon vor dem Vorfall ge⸗ itten. ) Als Fall VvII iſt verſehentlich Fall vI1II berichtet worden. Dezember 1909 585 Die Differenz zwiſchen den Angaben der Knaben bei der Unterſuchung des Magiſtrats und den Angaben des Hausvaters ſind inſofern nur formeller Natur, als der Hausvater den Vorfall in den Putzraum verlegt, während er ſich nach den Angaben der Knaben im Vordergarten zugetragen hat, daß der Hausvater nach ſeinen Angaben zu der Prügelei hinzufkam, nach den Angaben der Knaben hörte, wie Willy Schott den Gondeck verprügelte und beide Knaben in den Hintergarten rief. Nun iſt behauptet worden, daß die beiden Knaben von dem Hausvater mit den Köpfen zu⸗ ſammengeſtoßen worden ſind, während der Haus⸗ vater ſich nur entſinnt, ſie geſchüttelt zu haben. Von dem einen der Betroffenen, von dem Kleinen, von dem alſo ganz mit Recht geſagt wurde, er hätte eigentlich das Zuſammenſtoßen am deutlichſten fühlen müſſen, iſt dieſes Zuſammenſtoßen direkt verneint worden. Es kann auch nicht aufrecht erhalten werden, daß durch das vermeintliche Zu⸗ ſammenſtoßen der Köpfe der Willy Schott inſofern einen dauernden Schaden davon getragen habe, als die Kopfſchmerzen von dieſem Vorfall herrühren. Denn er hat nach ſeiner eigenen Ausſage an⸗ gegeben, daß er bereits vor dem Vorfall an Kopf⸗ ſchmerzen gelitten hat. Alſo auch dieſer Fall mußte ſo erledigt werden, wie es der Beſchluß des Ausſchuſſes vorſieht, daß der Ausſchuß ſagte: Der Ausſchuß ſieht die behaupteten An⸗ gaben nach den durch den Magiſtrat an⸗ geſtellten Ermittlungen als nicht erwieſen an. Der Antrag iſt darum für die Be⸗ gründung des Antrages durch die Antrag⸗ ſteller bedeutungslos. Meine Herren, ich möchte nun zurückkehren zum Fall VvII, an deſſen Stelle ich vorhin irrfüm⸗ licherweiſe den eben aufgeführten Fall vIII ge⸗ nommen habe. Bei dieſem Fall vII lautet die Angabe der Antragſteller: Frau Maaß iſt der Zutritt zur Waiſenanſtalt unterſagt worden, und die Waiſenmutter ſoll in Gegenwart der Kinder den Ausdruck gebraucht haben: „Das Weib kommt mir nicht mehr über die Schwelle.“ Ferner ſoll der Waiſenvater Richter zu dem Knaben Walter Maaß geſagt haben: „Du biſt verrückt, Du kommſt ins Irrenhaus, wenn Du dabei bleibſt, daß ich Dich ins Ohr geſchnitten habe.“ Auch ſollen die Maaßſchen Knaben durch nichtachtende Be⸗ handlung im Waiſenhaus in eine ſehr ge⸗ drückte Stimmung gekommen und einer der Knaben ſeiner Mutter gegenüber Selbſtmord⸗ gedanken geäußert haben. Meine Herren, in dieſem Falle hat der Ausſchuß die behaupteten Vorkommniſſe als für den Antrag unerheblich erklärt. Er hat ferner erklärt, daß nach den eingehenden Erklärungen des Magiſtrats, insbeſondere auch über ähnliche Außerungen, die im Waiſenhaus von einem der Maaßſchen Knaben getan ſein ſollen, die Beweiserhebung abgelehnt wird. Dieſe Außerungen, die die Knaben im Waiſenhauſe getan haben ſollen, beziehen ſich auf die bereits in der vorigen Stadtverordnetenſitzung vorgebrachte Affäre mit dem Stechapfel, wo der eine Knabe, der in der Schule die Beſprechung des Stechapfels mit angehört hat, den Kindern geſagt hat: wir wollen ſo tun, als nehmen wir einen Stechapfel, dann