586 kriegt der Hausvater Angſt. Es wurde danach nicht angenommen, daß der Knabe irgendwelche anderen Selbſtmordgedanken, als ſie hier ſcheinbar vor⸗ gebracht worden ſind, ſeiner Mutter gegenüber geäußert haben könne. Und gerade dieſer Fall vII iſt derjenige, von dem der Ausſchuß die behaupteten Tatſachen, für die die neuen Zeugenvernehmungen abgelehnt wurden, von vornherein als wahr unter⸗ ſtellte und ſich nur die Frage vorlegte, ob dieſe Fälle ſo gravierend ſind, daß auf ſchleunige Amts⸗ entſetzung des Herrn Richter erkannt werden müßte. Er hat — und meiner Meinung nach ganz mit Recht — dieſe Frage verneint. Nach dieſem Fall vII erklärte Herr Kollege Zietſch in dem Ausſchuß, daß er ſein weiteres Material zurückziehe. Es waren aber vorher noch vier andere Fälle zur Sprache gekommen, und es wurde dann in die Erörterung dieſer vier Fälle eingetreten. Vorher hatte der Ausſchuß mehrfach an Herrn Kollegen Zietſch die Bitte gerichtet, die Zurückziehung ſeines Materials nicht aufrecht⸗ zuerhalten, ſondern auch ſein weiteres Material dem Ausſchuß zu unterbreiten. Dieſe vier Fälle, die dann noch zur Sprache kamen, ſind der Fall vIII, den ich vorhin erörtert habe, und die Fälle IX, X und XI. Der Fall IX iſt folgender: Nach den Angaben der Antragſteller ſoll Erich Helfgott im Frühjahr 1907 mit dem Beſenſtiel geprügelt worden ſein. Das Ergebnis der Unterſuchung des Magiſtrats zeigt, daß von einer Prügelung mit dem Beſenſtiel nicht die Rede ſein kann. Die Sache iſt folgender⸗ maßen geweſen: Der Lehrling Erich Helfgott hat angegeben, daß er mit dem Knaben Alfred Gondeck vom Spiel zum Kaffeetrinken gerufen worden war. Helfgott behauptet, in der Badeſtube mit einem Beſenſtiel zuſammen mit Alfred Gondeck einen Schlag vom Waiſenvater er⸗ halten zu haben, weil ſie kaltes Waſſer in ihren Kaffee gegoſſen hatten. Drei hierzu vernommene Mädchen haben angegeben, daß die Knaben die Züchtigung im Speiſezimmer erhalten haben, und zwar, weil ſie dem Verbot entgegen, das Zimmer verlaſſen hatten. Auch iſt der Schlag nicht mit einem Beſenſtiel, ſondern mit einer Leiſte geführt worden, die Helfgott ſelbſt aus der Handwerkerkammer geholt hatte. Es war ſelbſtverſtändlich, daß infolgedeſſen der Ausſchuß dieſen Fall als erledigt anſah und ihn für die Begründung des Antrages der Stadtv. Bartſch und Gen. als belanglos erachtete. Ich möchte noch darauf hinweiſen, daß in dieſem Falle den betreffenden Kindern von den Hauseltern ſtreng verboten war, den Kaffeetiſch zu verlaſſen, weil die Hauseltern durch einen Beſuch, wenn ich mich recht entſinne, ihrerſeits ſtark in Anſpruch genommen waren und für Ordnung und Zucht deshalb nicht eintreten konnten. Daß in dieſem Falle die Züchtigung — nicht durch einen Beſenſtiel, ſondern durch eine dünne Leiſte — erfolgt iſt, iſt vollkommen am Platze geweſen und involviert durchaus nicht eine Überſchreitung des Züchtigungsrechtes. Angaben der Antragſteller im Fall X: Herta Schulz ſoll über ihre kranke Hand geſchlagen worden ſein. Sitzung vom 22. Dezember 1909 Dieſer Fall liegt bereits ſehr lange zurück und hat ſich in der erſten Zeit des Richterſchen Amtes zu⸗ getragen. Die Kinder hatten in der Kirche während des Gottesdienſtes Störungen verurſacht, es waren darüber Beſchwerden bei dem Hausvater einge⸗ gangen, und als die Kinder nach Hauſe kamen, wurden alle diejenigen, die die Störungen während des Gottesdienſtes hervorgerufen hatten, durch einen Schlag auf die Hand gezüchtigt. Unter dieſen Kindern befand ſich auch Herta Schulz, die allerdings eine kranke Hand hatte; die Erkrankung aber befand ſich auf dem Handrücken, und der Schlag iſt in durchaus zuläſſiger Weiſe auf die innere Handfläche, alſo auf die geſunde Seite der Hand, geführt worden. Der Hausvater Richter hat ſelbſt ange⸗ geben, daß er keine Ahnung gehabt hat, daß die Herta Schulz eine kranke Hand gehabt hat; es hat ferner die Herta Schulz ſelbſt angegeben, daß der Schlag, den ſie bekommen hat, gar nicht ſchlimm geweſen iſt. Ich möchte alſo auch in dieſem Falle konſtatieren, daß eine Überſchreitung des Züchti⸗ gungsrechtes nach Anſicht der Mehrheit des Aus⸗ ſchuſſes und nach meiner eigenen Anſicht nicht ſtatt⸗ gefunden hat, und daß alſo auch dieſer Fall für die Begründung des Antrages auf Amtsentſetzung vollkommen ausſcheidet und hinfällig iſt. Fall XI. Angaben der Antragſteller: Die Geſchwiſter Zeh ſollen ſo geprügelt worden ſein, daß die andern Kinder ſich darüber erregt haben. Einige Kinder ſollen bis zu 30 Schlägen gezählt haben. Dieſe Geſchwiſter Zeh hatten ſich herumgetrieben und unter der lügenhaften Vorſpiegelung den Haus⸗ eltern gegenüber, daß ſie Nachhilfeunterricht hatten, um Nahrung gebettelt, ſo daß Perſonen ſich an den Hausvater Richter wandten mit der Frage, ob denn gar keine Ordnung im Hauſe gehalten würde. Die beiden Kinder ſind wegen ihres Vergehens in durchaus zuläſſiger Weiſe gezüchtigt worden. Eduard Zeh kann nicht ſagen, wieviel Schläge er bekommen hat — das iſt ja ſelbſtverſtändlich —, aber das Ergebnis der Unterſuchung des Magiſtrats hat gezeigt, daß er ſelbſt nicht glaubt, daß es eine größere Anzahl geweſen iſt, und die Anna Zehy hat ſelbſt angegeben, daß ſie nur einige wenige Schläge auf die Hände bekommen hat, ſo daß alſo von „bis zu 30 Schlägen“ gar keine Rede ſein kann. Somit iſt alſo auch in dieſem Falle der Beſchluß des Ausſchuſſes vollkommen berechtigt, der ebenſo wie in früheren Fällen lautet, daß dieſer Fall als erledigt angeſehen wird, und daß der Ausſchuß den⸗ ſelben für die Begründung des Antrages der Stadt⸗ verordneten Bartſch und Genoſſen für belanglos anſieht. Meine Herren, das ſind die Fälle, die dem Ausſchuß vorgelegen haben, und das die Momente, auf Grund deren ein verdienſtvoller Beamter plötzlich und mit Schimpf und Schande ſeines Amtes entſetzt werden ſollte! Eine Reihe derſelben, und gerade diejenigen, die am ſchlimmſten ausſehen, entbehren, wie der Ausſchuß feſtgeſtellt hat, jeder taſächlichen Grundlage, und auch in den Fällen, wo geſchlagen wurde und geſchlagen werden mußte im Intereſſe der Erziehung und im Intereſſe der Auf⸗ rechterhaltung der Ordnung und Zucht im Hauſe, iſt eine Überſchreitung des Züchtigungsrechtes in keinem Falle erfolgt. Es kann alſo keine Rede ſein, daß auf Grund dieſer Fälle auf eine ſchleunige Amtsentſetzung der Hauseltern hätte erkannt werden müſſen.