594 vorgenommen werden könnte, teilzunehmen. Der Magiſtrat hatte auch in entgegenkommendſter Weiſe dieſes Zugeſtändnis gemacht und geſagt: Selbſtverſtändlich werden wir den Herren vom Ausſchuß, die daran intereſſiert ſind, Gelegenheit geben, den Zeugenvernehmungen beizuwohnen. Darauf hat der Ausſchuß beſchloſſen, daß der Ma⸗ giſtrat dem Ausſchuß keine Mitteilungen zu machen habe, wann die Unterſuchungen ſtattfinden ſollten, um ſo den einzelnen Mitgliedern die Möglichkeit zu nehmen, an dieſen Verhandlungen teilzunehmen. (Zuruf vom Magiſtratstiſch.) — Herr Bürgermeiſter, ich habe nur abgelehnt, mit in das Waiſenhaus zu gehen, um mir nicht durch die Beſichtigung ein Bild vom Waiſenhaus zu verſchaffen, das, wie ich im Ausſchuß ſagte, nicht mehr das Bild ſein würde und ſein kann, das es vielleicht geweſen iſt, ehe die Beſchwerde erhoben worden iſt. (Lachen.) Wenn in dieſer Weiſe die Beweisanträge, die wir im Ausſchuß geſtellt haben, abgelehnt worden ſind, wenn es uns nicht möglich geweſen iſt, das, was auch Herr Kollege Wöllmer von uns forderte, im Ausſchuß durchzuſetzen, dann müſſen Sie uns ohne weiteres zugeben, daß wir zu der Auffaſſung kommen mußten, daß es dem Ausſchuß nicht darum zu tun war, die unſerer Auffaſſung nach weit⸗ gehendſte Aufklärung über die einzelnen Fälle herbeizuführen. Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): Sie gehen darin zu weit. Sie können nicht von dem Ausſchuß behaupten, doß es ihm nicht darum zu tun war, die nötigen Aufklärungen zu geben. Der Ausſchuß iſt meiner Anſicht nach doch mit Ernſt an die Sache herangegangen. Ich möchte um das eine überhaupt bitten — wir ſind doch heute hier als Richter in der Sache berufen —, daß wir die Angelegenheit, die bis jetzt ziemlich würdevoll geführt worden iſt, auch möglichſt weiter ſo führen, bis wir zu unſerem Urteilsſpruch kommen, und alle Dinge, die davon abweichen, beiſeite laſſen. Stadtv. Zietſch (fortfahrend): Ich bin mit dem Herrn Vorſteher vollſtändig darin einverſtanden, daß, wenn wir hier als Richter über die Sache urteilen wollten, wir uns auch nicht in eine Partei⸗ ſtellung hineindrängen laſſen dürfen. Dann hätte aber Herr Kollege Frentzel ſeine Rede nicht halten dürfen, die ja weit von dem Standpunkt der Würdigkeit entfernt war, den er vorhin ein⸗ genommen zu ſehen wünſchte. — Jedenfalls ſind verſchiedene Dinge, die wir im Ausſchuß vorge⸗ bracht hatten und die wir dem Ausſchuß als Be⸗ weismaterial angeboten hatten, abgewieſen worden, weil man uns ſagte: das alles gehört gar nicht zur Sache, das hat mit der Begründung des Antrages nichts zu tun. Dagegen ließ man es ſich gefallen und hörte mit geſpanntem Ohr zu, wenn ſeitens des Magiſtrats Stimmungsbilder aller Art im Ausſchuſſe über dieſe oder jene Verhältniſſe im Waiſenhauſe gegeben wurden. (Zuruf vom Magiſtratstiſch.) — Das iſt nicht verboten, ſelbſtverſtändlich nicht, und uns war es auch intereſſant, dieſe Dinge kennen zu lernen. Aber noch viel intereſſanter war es für uns, den Eindruck zu bemerken, den alle dieſe Stimmungsbilder bei den Ausſchußmitgliedern hin⸗ terlaſſen hatten. Sitzung vom 22. Dezember 1909 Warum habe ich denn nun mein weiteres Material dem Ausſchuſſe nicht mitgeteilt?“ Herr Kollege Dr Röthig hat auch davon als Bericht⸗ erſtatter geſprochen. Der Herr Bürgermeiſter hat daraus ſogar geſchlußfolgert, weil ich nichts weiter vorgetragen habe, hätte ich auch kein Material mehr gehabt. Herr Bürgermeiſter, es war noch weiteres Material da, Ihre Schlußfolgerung iſt unrichtig. Herr Kollege Röthig hätte bei ſeiner Bericht⸗ erſtattung auch ſagen müſſen, wenn er anführte, der Ausſchuß und auch der Magiſtrat haben mich ge⸗ beten, weitere Fälle vorzubringen, war um ich die weiteren Fälle nicht vorgebracht habe. Weil ich nämlich im Ausſchuſſe in der Auffaſſung be⸗ ſtärkt wurde, daß die dort von mir vorgetragenen Sachen nicht die Behandlung erfahren würden, die ich im allgemeinen Intereſſe verlangen zu können glaubte. (Oho! bei den Liberalen. Stadtv. Dr Crüger: Au!) Die ganzen Verhandlungen im Ausſchuſſe konnten, meiner Auffaſſung nach, nicht zu dem Reſultat führen, das eine objektive Unterſuchung ohne weiteres hätte feſtſtellen müſſen. Wenn wir über⸗ haupt gewußt hätten, daß die Ausſchußverhand⸗ ungen ſich in dieſer Weiſe abſpielen würden, dann hätten wir mit Ihnen, meine Herren, ohne weiteres in der vorletzten Sitzung übereingeſtimmt, daß kein Ausſchuß einzuſetzen wäre. Was dort im Ausſchuß beraten worden iſt und was Ihnen als weitere Aufklärung gedient hat, das war ja nichts anderes als das ſtellenweiſe Verleſen der Akten des Magiſtrats. Dieſe Akten hätten Sie ſich aber auch hier verleſen laſſen können; dazu bedurfte ch irgendwelcher Ausſchußberatungen ſicherlich nicht. Nun ſtehen Sie auf dem Standpuntt, es ſei nichts, rein gar nichts durch die Feſtſtellungen im Ausſchuß erwieſen worden. Ich gehe auf den erſten Fall, zu dem Herr Kollege Borchardt ſchon geſprochen hat, indem er Ihnen den Gegenſatz zu der Behauptung zeigte, daß der Brief des Dr Roſenthal keine Vorhaltungen zeigte, während ſie doch darin enthalten waren, nicht näher ein. In dem Falle 1 handelte es ſich darum, daß der eine Knabe mit dem Stocke ſo ge⸗ ſchlagen worden iſt, daß ihm ſchlecht geworden iſt und er ins Bett gebracht und mit Pain expeller eingerieben werden mußte. Sie konnten ja nicht ſtreiten, daß hier eine ſtrenge Züchtigung vorge⸗ nommen war; um was Sie ſich ſtritten, war nur der Begriff, ob dabei das Maß des Zuläſſigen überſchritten worden iſt. Da hat ja Herr Kollege Röthig geſagt: Selbſt wenn es dicht an die Grenze der Überſchreitung herangegangen ſein ſollte, ſo berechtige das doch nicht zu dem Antrage auf Amtsentſetzung. Wo iſt denn aber die Grenze? Die läßt ſich nicht ziehen, ſie wird von dem einen ſo weit, von dem andern ſo weit gezogen werden. Wir zogen ſie eben in dieſem Falle bedeutend enger, als Sie ſie in Anſehung Ihrer Auffaſſung zu ziehen bereit geweſen waren. Im Falle III ſoll der Knabe Maaß mit der Roſenſchere ins Ohr gezwickt worden ſein. Die Erklärung vom Magiſtrat erfolgte dahin, daß dem Kinde ſcherzweiſe die Roſenſchere ans Ohr gelegt worden iſt, weil es am Tiſch ein „bi ßche n“ ſchwatzte. Was ich ſchon in der vorletzten Sitzung, ehe die Herren vom Magiſtrat geſprochen hatten, ſagte, als ich meinen Antrag begründete, iſt ein⸗ getroffen. Man hat die belaſtenden Zeugen als