Sitzung vom 22. unzuverläſſig und geiſtesſchwach hingeſtellt. In anderen, ebenfalls belaſtenden Fällen hat man auch die Zeugen als wenig zuverläſſig bezeichnet, während Herr Dr Röthig in ſeinem Referat, als es ſich um den Fall Helfgott handelte, die drei Mädchen als das Nonplusultra der Zuverläſſigkeitin Zeugenausſagen hinſtellte. In Fall V iſt feſtgeſtellt worden, daß wohl die Knaben mit der Drahtzange in die Ohren gezwickt worden ſind, daß ſie aber weder Schaden noch Schmerzen davon gehabt haben. Das haben natürlich die Knaben ausgeſagt, und in dieſem Falle glaubte es auch der Ausſchuß. Es liegt mir fern, auf die einzelnen Fälle weiter einzugehen. Worauf ich noch zurückkommen will, das iſt der eine Fall, von dem auch Herr Kollege Borchardt geſprochen hat, daß nämlich die Schika⸗ nierung der Kinder und die von uns angeführten Fälle auch für die Begründung unſeres Antrags vom Ausſchuſſe als belanglos bezeichnet worden ſind. Es iſt ungemein kennzeichnend, daß auch in dieſem Falle der Ausſchuß die Vernehmung der Mutter abgelehnt hat, weil es ſich in dieſem Falle um eine ganz „unerhebliche“ Sache handele, durch die gar keine Verfehlung des Waiſenhaus⸗ vaters feſtgeſtellt werden könnte. Demgegenüber iſt zu bemerken, daß man überhaupt die Mutter nicht hören wollte, auch vom Magiſtrat nicht, daß man die Mutter nicht gehört hat, daß man ſie gar nicht kennt und doch hier in der vorletzten Sitzung gegen die Mutter äußerſt weitgehende Angriffe gerichtet hat. Ich komme auf die Rede zurück, die Herr Stadtrat Samter gehalten hat. Er ſagte in ſeinen Ausführungen: Vielleicht hat ihn auch ſeine Mutter be⸗ einflußt und ihn ſo auf den Gedanken ge⸗ bracht, dieſe Mordsgeſchichte zu erzählen. Ich habe mich auch an Herrn Dr Roſenthal ge⸗ wandt und habe die Auskynft erhalten, daß der Junge wegen einer Schnittwunde nicht von ihm behandelt worden iſt. Meine Herren, wenn Sie einen noch ſchlüſſigeren Beweis dafür, daß dieſe Sache offenbar von dem geiſtes⸗ ſchwachen Jungen, durch Suggeſtion, viel⸗ leicht von ſeiten der Mutter, ausgedacht worden iſt, haben wollen — ich wüßte nicht, wie ich ihn erbringen ſollte. Das heißt alſo, alles das, was als beſchwerende Umſtände in dieſem Falle vorgebracht worden iſt, beruhte nach Herrn Stadtrat Samter auf der Einbildungs⸗ und Übertreibungsſucht der Mutter. Das wurde hier von der Stelle aus behauptet, die nachweislich zugegeben hat, daß die Frau gar nicht gehört worden iſt. Nun, Sie regen ſich doch ſo darüber auf, daß der Waiſenhausvater Richter von uns angegriffen worden iſt, ohne daß wir ihn gehört haben. Daß aber eine Frau, die zu der Zeit, wo die Verhandlungen hier gepflogen wurden, ſchwerkrank im Krankenhauſe lag, ſo angegriffen worden iſt und keine Möglichkeit der Rechtfertigung und Verteidigung hatte, ſcheint Sie nicht weiter aufzuregen. Auch die Frau Maaß hat als Mutter Seelenqualen erlitten, während ſie krank darnieder lag und ihre Kinder im Waiſenhauſe waren und ihrer Auffaſſung nach nicht ſo behandelt wurden, wie es den Kindern zukam. Darüber ſcheinen Sie ſich auch keiner Aufregung hinzugeben. Es iſt ja erklärlich, daß Sie nicht zu der Auffaſſung ge⸗ kommen ſind und nicht dazu kommen konnten, Ihrer ganzen bisherigen Anſchauung nach, daß irgendwelche Mißhandlungen oder Überſchrei⸗ Dezember 1909 595 tungen des Züchtigungsrechtes in der Waiſen⸗ anſtalt feſtgeſtellt worden ſind. Unſerer Anſicht nach iſt das aber der Fall geweſen. Herr Kollege Dr Borchardt hat davon geſprochen. Auch ich konnte es mir dadurch erklären, daß dieſe Mißhandlungen, dieſe Überſchreitungen des Züchtigungsrechtes durch die allgemeine Überlaſtung des Waiſenhausvaters hervorgerufen worden ſind. Es war ja recht bezeichnend, daß Herr Dr Frentzel in der vor⸗ letzten Sitzung auch geſagt hat: Wenn man 40 Kinder zu beaufſichtigen hat, muß man ein ſtrenges Regiment führen. Selbſtverſtändlich, wenn man 40 Kinder nebenbei zu beaufſichtigen und zu erziehen hat, dann wird es, glaube ich, mit guten Worten allein nicht immer abgehen, ſondern man wird auch ſehr leicht einmal ausrutſchen. Das iſt menſchlich durchaus erklärlich. Eben weil aber ſolch ſtrenges Regiment über 40 Kinder bei einer Nebenbeſchäftigung gar zu leicht dazu führen kann, deswegen haben ſich meine Freunde auf den Standpunkt geſtellt, daß dieſer Zuſtand nicht auf⸗ rechterhalten bleiben kann. Ich glaubte mit Fug und Recht annehmen zu dürfen, daß manche von den Herren in der Verſammlung, die gegen uns ſind, den zweiten Teil unſeres Antrages unter⸗ ſtützen würden und vielleicht auch dafür einge⸗ treten ſein würden, wenn wir ihn nicht in Ver⸗ bindung mit dem erſten Teil gebracht hätten. Sie ſtellten ſich aber nun im Ausſchuß auf den Standpunkt und werden das ſicherlich auch hier tun: wir dürfen ſchon deswegen nicht dem zweiten Teil des Antrages ſtattgeben, weil das eine Konzeſſion an die Antragſteller in Bezug auf den erſten Teil ſein würde. (Zuruf: Selbſtverſtändlich!) Das iſt noch erheblich deutlicher im Ausſchuß ausgeſprochen worden, ich glaube, ſeitens des Herrn Magiſtratsvertreters. Man hat geſagt: wenn jetzt auf Grund dieſer theoretiſchen Erwägungen der jetzige Waiſenhausvater ſeines Amtes enthoben würde, würde man in der Offentlichkeit das nicht auf dieſe theoretiſche Begründung zurückführen, ſondern es mit den Angriffen in Verbindung bringen, die von der Sozialdemokratie gegen den Mann erhoben worden ſind. — Sie ſagen — der Herr Berichterſtatter hat das wenigſtens geſagt —, durch dieſen ganzen Vorfall ſeien dem Waiſenhaus⸗ vater Sympathieerklärungen über Sympathieer⸗ klärungen aus den Kreiſen der Bürgerſchaft zu⸗ gegangen. Ich verſtehe Ihre Abſicht dabei nicht: Auf der einen Seite ſtellen Sie ſich hin und klagen uns an, die erſten Preßveröffentlichungen über den Fall vorgenommen zu haben — das iſt nicht heute geſchehen, das iſt ſo zwiſchen den Reden der vor⸗ letzten Sitzung hindurch geſagt worden. Weil wir keinen Senſationsfall aus dem Antrage machen wollten, iſt unſererſeits nicht eine Zeile darüber vorher in die Offentlichkeit gekommen, ehe die Sache hier zur Verhandlung kam. Während Sie auf der einen Seite ſagen: durch unſeren Antrag iſt dem Mann ſo und ſo viel Unrecht geſchehen, er iſt geſchädigt in jeder möglichen Beziehung —, ſagen Sie jetzt wieder: Nein, im Gegenteil, Sympathieerklärungen ſind dem Waiſenhausvater in reichem Maße zugegangen. Nun, beruhigen Sie ſich, auch uns ſind Sympathieerklärungen zugegangen, (ſehr richtig! bei den Sozialdemokraten) auch bei uns ſind verſchiedene Schreiben einge⸗ laufen, in denen us beſtätigt wird, daß die Be⸗