596 hauptungen, die wir aufgeſtellt haben, durchaus begründet und berechtigt ſind. 0 (Zuruf.) — Nein, nein; ach Gott, Herr Kollege Harniſch, ſo wollen wir doch die Dinge nicht betrachten, wie Sie ſie ſchon in der vorigen Sitzung zu betrach⸗ ten bemüht geweſen ſind. Sie ſind uns nicht von Frau Maaß zugegangen, die Frau Maaß hat bis vor ein paar Tagen ſchwer krank im Krankenhauſe gelegen; dieſe Aufklärungen ſind uns von ganz anderer Seite zugegangen. Jedenfalls aber möchte ich Ihnen ſagen, daß unſer Antrag ſchon zweifellos dahin wirken wird, wenn ſelbſt ſchon Ihrer Anſicht nach keine Überſchreitungen des Züchtigungs⸗ rechtes in der Waiſenhausverwaltung vorgekommen ſind, daß durch ihn ferneren Mißhandlungen wenigſtens vorgebeugt iſt. Nun hat Herr Kollege Frentzel bei der Be⸗ gründung ſeiner Reſolution ſchon geſagt: Es muß hier die Möglichkeit geſchaffen werden, daß ſolche nach ſeiner Auffaſſung „wenig begründete Anträge nicht wieder eingebracht werden dürfen, ſie müßten dafür ſorgen, daß die ſtädtiſchen Beamten Herr Kollege Borchardt hat geſagt: in dieſem Falle handelt es ſich gar nicht um einen ſtädti⸗ ſchen Beamten geſchützt wären in ihrer Ehre, in ihrem Anſehen, in ihrer Ruhe, (ſehr richtig!) ſie müſſen geſichert ſein und ſich auch geſichert fühlen“. Herr Kollege Frentzel, Sie können ellen⸗ lange Reſolutionen einbringen und Ihre Freunde eſtimmen, hier dafür einzutreten, wir werden uns niemals das Recht nehmen laſſen, wenn wir über⸗ zeugt ſind, daß ein Mißſtand vorliegt, ihn hier zu kritiſieren. Vorſteher Kanfmann: Meine Herren, ich hatte in dem Moment, als Herr Kollege Frentzel von „jenem Winkel“ ſprach, die Auffaſſung, daß er damit nicht dieſe Seite der Stadtverordnetenverſammlung (die Sozialdemokraten) meinte, ſondern ich verſtand ihn ſo, daß er geſagt hätte: irgendwelche Anſchuldi⸗ gungen, die von hier oder von dort kommen. Er hat nach meinem Gefühl — und ich will das hier feſt⸗ ſtellen — damit auf die gezielt, die Ihnen (den Sozialdemokraten) dieſes Material zugetragen haben. Ich habe aber, um ſicher zu ſein, ob ich es nicht ſelbſt falſch aufgefaßt habe, mir das Stenogramm dieſer Stelle der Rede des Herrn Kollegen Frentzel übertragen laſſen; es lautet, wie folgt: Sie geben damit auch weiter zu erkennen, daß Sie gewillt ſind, auch in Zukunft die Hand über diejenigen Leute ſchützend auszubreiten, die für die Stadt und für ihre Arbeiten dienen, damit dieſe Leute beruhigt darüber ſein können, daß, ſolange ſie ihre Pflicht tun und das tun, was ihres Amtes iſt, ſie geſchützt ſind vor Angriffen, die aus dieſem Winkel oder aus jener Ecke einfach auf ſie losplatzen nur deswegen, weil ſie eben ihre Pflicht und ihr Amt ausfüllen. Meine Auffaſſung war: die Worte „von dieſem Winkel oder aus jener Ecke“ können dem Sinne nach doch nur ſo, wie ich es geſagt habe, gemeint ſein: „von hier oder dort“, und es war nicht die Seite der Sozialdemokraten gemeint; denn dann würde nicht „jener Winkel“ mehr hineingekommen ſein. (Stadtv. Gebert: Die ehemalige Seite der Liberalen!) Jedenfalls, glaube ich, iſt meine Auffaſſung — Herr Kollege Frentzel wird ſich nachher darüber äußern — Sitzung vom 22. Dezember 1909 wohl die richtige. Ich bin deshalb nicht einge⸗ ſchritten; ich habe es aber für nötig gehalten, dies hier feſtzuſtellen. Stadtv. Vogel I1: Meine Herren, bei der vor⸗ gerückten Zeit (Rufe: Oho!) will ich keine lange Rede halten. Auf die Einzel⸗ heiten der vorgetragenen Fälle komme ich nicht zurück. (Bravo! bei der Freien Vereinigung.) Das war von vornherein nicht meine Abſicht. Daß feſt geprügelt worden iſt, wird von keiner Seite beſtritten. Es iſt auch zuläſſig; nach der Ent⸗ ſcheidung des Oberverwaltungsgerichts kann ſo ſtark geprügelt werden. Gehen Sie weiter nach dem Oſten, da wird es mit der Knute noch ärger gemacht, noch feſter ge⸗ hauen. Aber gehen Sie wo anders hin, in andere weſtliche Kulturſtaaten, da iſt dieſe Behandlung der Kinder im Erziehungshauſe nicht geſtattet. Es gibt auch nicht wenige Lehrer und Erzieher, die erklären, (Große Unruhe — Glocke des Vorſtehers) daß die Erziehung der Kinder beſſer geſchieht durch Güte. Ich will nur an Otto Ernſt erinnern und dann an Inſpektor Plaß in Zehlendorf. Meine Herren, dieſe Erziehungsanſtalt in Zehlendorf, zum Urban, iſt eine Erziehungsanſtalt für verwahr⸗ loſte Knaben und Mädchen, alſo alles Kinder, die ſchon etwas auf dem Kerbholz haben, ſie iſt auch weit größer — es ſind über 100 Kinder dort —; aber geprügelt wird dort nicht. Ja, wer mal dageweſen iſt und ſich die Verhältniſſe angeſehen hat, der ſieht, daß da in anderer Weiſe erzogen wird. Da werden die Kinder von tüchtigen Pädagogen geiſtig und körperlich ſo beſchäftigt, daß ſie gar nicht dazu kommen, Unſinn zu treiben. Sie werden eben mit Liebe erzogen und zu tüchtigen Menſchen und zu glücklichen Menſchen. Sie werden natürlich von den Lehrern unterrichtet; aber ebenſoviel können ſie ſpielen. Spielen und ſpielen, weit mehr als bei uns — das iſt der Sonnenſchein in ihr bisher dunkles Leben. Sie haben ein Theater da und Garderobe und Theaterrequiſiten, ſo viel wie den ganzen Saal hier voll haben die Kinder dort, Der Herr Stadtſchulrat kennt es, der iſt dageweſen, der wird es beſtätigen. Das Erziehungshaus am Urban iſt allerdings von einer Privatgeſellſchaft gehalten; aber es iſt anerkannt eine Erziehungs⸗ anſtalt 1a! So iſt es von unſerm Herrn Schulrat bezeichnet worden. Die Kinder — das iſt der große Unterſchied gegen die bei uns übliche Methode — werden da ſo erzogen, der Geiſt wird da ſo ent⸗ wickelt, daß ſie gar nicht zum Unſinnmachen kommen und zu Schlechtigkeiten und zum Lügen; ſie haben gar keine Veranlaſſung zu lügen. Wenn ein Lehrer mal ſo macht, (Redner ſchlägt einem Stadtverordneten auf die Schulter — Heiterkeit) — ja, das tut er; aber das tut er aus Freude: „das haſt du brav gemacht!“ ſagt er und ſchlägt dem Knaben auf die Schulter. Aber eben Herr Plaß und Fräulein Becker und die anderen Lehrerinnen und Erzieher ſind nicht im Nebenamt angeſtellt, ſondern ſie haben den ganzen Tag die Kinder unter lich. (Zuruf vom Magiſtratstiſch: Hunderte!) — Ja, das habe ich ſchon geſagt. (Zuruf: Schule!) — Ja, gewiß iſt Schule dabei. Das iſt alles anders!