598 Es iſt geſagt worden, wir hätten nicht nach dem Worte meines Freundes Wöllmer gehandelt, der als die Aufgabe des Ausſchuſſes es bezeichnet hätte, Zeugen zu vernehmen. Meine Herren, Herr Kollege Wöllmer hat in Übereinſtimmung mit verſchiedenen Rednern, die damals geſprochen haben, eben geglaubt, daß Sie neues Material uns vorlegen, neue Zeugen uns angeben werden, und daß wir dann allerdings die Ver⸗ nehmung dieſer Zeugen herbeizuführen haben würden. Und was haben Sie uns für Zeugen gebracht? Da iſt immer wieder verlangt worden, man ſolle Herrn Wollmann und Frau Maaß ver⸗ nehmen! Meine Herren, ich möchte Sie bitten, mir den Richter zu zeigen, der heute über die Schuld eines Angeklagten nicht denjenigen vernimmt, demgegenüber die Handlung begangen ſein ſoll, ſondern denjenigen, dem der Betroffene das weiter erzählt hat, oder gar denjenigen, der das gehört hat, was dem erſten weiter erzählt worden iſt. Dann hat es geheißen, wir ſollten die Kinder vernehmen. Nun, zunächſt hat ſich im Ausſchuſſe — Herr Kollege Röthig hat das auch angedeutet — ein recht erheb⸗ liches Material gegen die volle Glaubwürdigteit dieſes oder jenes Kindes aufgetürmt, was ja ganz ſelbſtverſtändlich iſt, weil es ſich eben um Kinder handelt. Aber vor allen Dingen ſind ja alle Kinder mit Ausnahme des einen, das auf Verlangen des Ausſchuſſes noch nachträglich vernommen worden iſt, vom Magiſtrat vernommen worden, und wir haben nicht die geringſte Urſache gehabt, an der Ernſtlichkeit und der Richtigkeit der vom Magiſtrat vorgenommenen Unterſuchung zu zweifeln. (Sehr richtig!) Im Gegenteil haben die Mitteilungen, die uns von den Herren Magiſtratsvertretern im Ausſchuſſe gemacht worden ſind, gezeigt, daß dieſe Unter⸗ ſuchung in einer Weiſe geführt worden war, welche durchaus geeignet war, die objektive Wahrheit zu ermitteln. Auf der anderen Seite aber waren wir im Ausſchuß allerdings der freventlichen Anſicht, daß eine Vernehmung der Kinder durch das große Forum des Ausſchuſſes oder auch nur in Gegenwart des Ausſchuſſes ganz und gar nicht geeignet geweſen wäre, die objektive Wahrheit zu ermitteln, daß dann ſogar die Gefahr geweſen wäre, daß die Kinder ſich intereſſant machen wollten und deshalb mehr erzählt hätten, als ſie verantworten konnten, ganz abgeſehen davon, daß wir doch auch Bedenken haben mußten, ohne zwingende Urſache die Auto⸗ rität des Vorgeſetzten dieſer Kinder durch derartig umfangreiche und umſtändliche Vernehmungen noch zu ſchädigen. Heute iſt nun noch von den ſozialdemokratiſchen Rednern Bezug genommen worden — das iſt ja das einzige objektive Material, das geblieben iſt — auf den Brief des Herrn Sanitätsrats Dr Roſenthal. Ich habe aus dem Brief des Herrn Dr Roſenthal erſehen, daß er auf dem Standpunkt ſteht, den ich als meinen perſönlichen Standpunkt eingangs bezeichnete, nämlich, daß er ein Gegner von Schlägen im allgemeinen iſt. Ich habe daraus weiter geſehen — das gebe ich Ihnen zu —, daß Herr Dr Roſenthal dieſen Fall der Züchtigung nicht als unbedingt harmlos angeſehen hat. Aber in dem Zeugnis des Herrn Dr Roſenthal fehlt doch die beſtimmte Er⸗ klärung, daß eine erhebliche, das Züchtigungsrecht überſchreitende Mißhandlung durch Herrn Richter vorgenommen iſt; (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Protokoll falſch!) Sitzung vom 22. Dezember 1909 es fehlt eine beſtimmte Bekundung dieſer Art; und wer bedenkt, auf welches lückenhafte Material ärztliche Atteſte vielfach ausgeſtellt werden müſſen, der wird zugeben, daß eine nicht ganz poſitiv die Überſchreitung des Züchtigungsrechts feſtſtellende Erklärung des Arztes als Schuldbeweis nicht ver⸗ wertet werden kann. Meine Herren, angeſichts aller Beweismittel, die Sie uns hier vorgeführt haben, möchte ich Sie bitten, uns mal ehrlich die Frage zu beantworten: was würden Sie von dem Richter ſagen, der es wagen würde, auf Grund eines ſolchen Beweis⸗ materials auch nur die kleinſte Strafe gegen einen Angeklagten zu verhängen? (Sehr gut!) Ein Sturm der Entrüſtung würde gegen einen der⸗ artigen Richter allgemein und völlig gerechtfertigter⸗ weiſe ſich erheben! Meine Herren, ich will zum Schluß — das kann nicht ſcharf genug betont werden — noch einmal vor der Offentlichkeit erklären, daß wir in den Ausſchuß gegangen ſind, um vollſtändig und reſtlos die Angelegenheit aufzuklären, daß wir nichts zu verhehlen haben, daß aber anderſeits ein Teil des angeblichen Materials von den Sozial⸗ demokraten zurückgezogen worden iſt, und die Schlüſſe, die ſich hieraus ergeben, die Schlüſſe, die ſich auch daraus ergeben, daß Sie ſelbſt heute noch nicht das Material beigebracht haben, dürfen wir mit Seelenruhe der Offentlichkeit überlaſſen. (Stadtv. Hirſch: Dann haben Sie Komödie geſpielt!) — Herr Kollege Hirſch, der Zwiſchenruf mag ja recht geiſtreich ſein, aber er hätte in einen anderen Zu⸗ ſammenhang gepaßt, während er hier doch gar keinen Sinn hat. Es iſt davon geſprochen worden, daß wir heute ein Urteil zu fällen haben. Dieſes Urteil, ſoweit es ſich auf den Hausvater Richter bezieht, kann ſicherlich in den Augen jedes gerecht denkenden Menſchen nur ſein, daß der Hausvater Richter von allen Anſchuldigungen, die gegen ihn erhoben worden ſind, unbedingt und ohne jeden Vorbehalt freizuſprechen iſt. Aber, meine Herren, dieſer Freiſpruch iſt einer jener Art, bei dem die Ver⸗ urteilung auf die Ankläger zurückfällt. (Bravo!) Borſteher Kaufmann: Von Herrn Kollegen Jachmann und einigen andern Stadtverordneten iſt der Antrag auf Schluß der Debatte geſtellt worden. Ich werde über den Antrag abſtimmen laſſen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Rednerliſte!) — Meine Herren, ohne jede Diskuſſion wird über einen Schlußantrag, wenn er von 10 Mitgliedern geſtellt iſt, nach § 44 der Geſchäftsordnung ab⸗ geſtimmt. Wünſchen Sie noch, die Rednerliſte verleſen zu haben? Ich glaube, das wäre nicht ganz richtig; denn dann könnte ein befangeneres Urteil darüber abgegeben werden, ob die Herren für den Schluß ſtimmen oder nicht. Ich bitte die Herren, die für den Schluß der Debatte ſind, die Hand zu erheben. (Geſchieht.) Der Schluß der Debatte iſt abgelehnt. (Widerſpruch.) Wir ſchreiten in der Debatte fort. Stadtv. Dr. Frentzel: Meine Herren, der Herr Stadtverordnetenvorſteher hat ſehr in meinen