Sitzung vom 19. Januar 1910 7 entſprechen, jener Vorlage, deren zweiter Teil heute vorliegt, geſagt haben. Wir haben an ſich das Erfreuliche der Beſchäftigung von Arbeitsloſen bei ſtädtiſchen Arbeiten niemals beſtritten, wir haben ſolche Be⸗ ſchäftigung im Gegenteil ſogar gefordert. Worauf Herr Kollege Wöllmer in ſeiner Rede hinweiſen wollte, das iſt die Auffaſſung, die wir geäußert haben, daß man die Frage der Arbeitsloſenfürſorge nicht allein durch Vornahme ſogenannter Not⸗ ſtandsarbeiten löſen kann, namentlich wenn es ſich um Notſtandsarbeiten im Sinne von unproduktiven Arbeiten handelt. Wenn Arbeiten zu verrichten ſind, die zeitlich verſchobene Arbeiten darſtellen, dann wird man in weiterem Sinne auch nicht von Not⸗ ſtandsarbeiten reden können. Für die Vornahme zeitlich verſchobener Arbeiten in Zeiten der all⸗ gemeinen Arbeitsloſigkeit ſind wir ſelbſtverſtändlich immer eingetreten. Wogegen wir uns wandten, war die Auffaſſung, die von einzelnen Herren in der Stadtverordnetenverſammlung geteilt wurde, daß damit, daß die Arbeitsloſen bei ſogenannten Notſtandsarbeiten beſchäftigt würden und die Stadt dafür 30 000 ℳ auszugeben bereit wäre, eine weitere Verpflichtung der Stadt gegenüber den Arbeitsloſen nicht beſtehe. Demgegenüber haben wir immer die Meinung vertreten, daß man ſich nicht einzig und allein auf die Beſchäftigung von Arbeitsloſen bei ſogenannten Notſtandsarbeiten beſchränken dürfe, ſondern daß in wirkſamſter Weiſe der Arbeitsloſenfürſorge die Wege nur durch dauernde Einrichtungen geebnet werden können, durch ſogenannte Arbeitsloſenunterſtützungen oder durch Subvention von Vereinigungen, die Arbeits⸗ loſen Unterſtützungen zahlen. Daß wir in dieſer Beziehung auch fortzuſchreiten bereit ſind, das werden wir bei den vielleicht in nächſter Zeit der Verſammlung zu unterbreitenden Vorlagen des Magiſtrats erleben.) (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt nach dem Antrage des Ma⸗ giſtrats, wie folgt: Die Etatsnummer Ord. Kapitel X Ab⸗ ſchnitt 10 Nr. 3 wird um 15 000 ℳ aus dem Dispoſitionsfonds verſtärkt.) Vorſteher Kanfmann: Puntt 6 der Tages⸗ ordnung: Bericht des Ausſchuſſes über die Vorlage betr. Abänderung der Fluchtlinien am Reichskanzler⸗ platz. — Druckſachen 371 pon 1909 und 7. Berichterſtatter Stadtv. Harniſch: Meine Herren, wir haben uns ſchon öfter über die neuen Fluchtlinien des Reichskanzlerplatzes unterhalten. Ende vorigen Jahres hatten wir uns mit der Grund⸗ idee zu befaſſen und waren damals noch in der angenehmen Lage, uns über die Koſten nicht Kopfſchmerzen machen zu brauchen. Im Gegen⸗ teil, wir konnten uns des Gedankens erfreuen, daß wir zu einer weſentlichen Verbeſſerung des Reichskanzlerplatzes kommen würden, ohne pe⸗ kuniäre Laſten übernehmen zu müſſen. Wie Ihnen ja bekannt iſt, iſt inzwiſchen durch die Anderung der Baupolizeiordnung dieſe Möglichteit ge⸗ ſchwunden. Die Adjazenten haben jetzt nicht mehr die Bereitwilligkeit, auf unſere Vorſchläge ein⸗ zugehen, weil ihnen ja das, was wir ihnen als was wir damals bei der Beratung Entſchädigung bieten wollten, in den Schoß ge⸗ fallen iſt, ohne daß ſie irgendwelche Opfer zu leiſten haben. Wir ſind alſo in die unangenehme Lage gekommen, das, was wir erſtrebten, mit barem Gelde bezahlen zu müſſen. Meine Herren, wie wichtig die Anderung des Reichskanzlerplatzes in ſeinen Fluchtlinien iſt, wird Ihnen, glaube ich, noch nie ſo klar geworden ſein wie heute abend, wo Sie die beiden Plänc nebeneinander ſehen. Gerade die Aufſtellung der beiden Pläne läßt viel klarer die Mißgeſtaltung, die der linke Plan darbietet, und die weſentliche Verbeſſerung, die der rechte Plan zeigt, ertennen. Man war ſich ſowohl im Plenum bei der letzten Beſprechung dieſer Angelegenheit als auch in der Ausſchußſitzung allgemein über die großen Vorzüge des rechten Planes klar. Wenn einzelne Aus⸗ ſchußmitglieder nicht für den Magiſtratsvorſchlag zu haben waren, ſo geſchah das nicht, weil die Herren nicht eingeſehen hätten, wie weſentliche Vorteile dieſer Plan gegen den andern bietet, ſondern nur, weil ja, die Summe von 170 000 ℳ recht erheblich iſt. Wenn wir uns aber vor Augen halten, meine Herren, daß wir in ganz großzügiger Weiſe an das Bismarckſtraßenunternehmen herangegangen ſind, eine Sache, in die wir ein Dutzend Millionen geſteckt haben, dann, meine ich, ſollten wir doch nicht kleinlich werden — die 170 000 ℳ ſind zu dieſer Summe eine Kleinigkeit —, dann dürfen wir nicht verſagen, wenn wir nun an das letzte Stück, an die Hauptſache, kommen. Der Reichs⸗ kanzlerplatz krönt ja die Bismarckſtraße, er iſt das ein und alles, der Punkt, mit dem die Bismarck⸗ ſtraße ſteht und fällt, wenigſtens was die ſpätere architektoniſche Ausgeſtaltung betrifft. Es iſt hier geſagt worden und wird auch wieder geſagt werden, daß der Platz, wie er jetzt beſteht, wunder⸗ ſchön iſt. Ja, meine Herren, das iſt die Anſicht, wenn wir im Sommer draußen ſind und uns über die Blumen freuen. Den Plan kann man jetzt gar nicht ſehen. Wenn man jetzt draußen iſt, ſieht man einen ſchönen großen Platz, im Hinter⸗ grunde den Grunewald, und dann denkt man ſich: das iſt wunderſchön! Wie traurig es werden wird, wenn der Platz bebaut ſein wird in den Anhängſeln, mit den Dammenden oben und unten, das zeigt uns der Plan links, und was noch zu retten iſt, wie gut es noch werden kann, ſehen wir immer an dem rechten Plan. Meine Herren, ich bitte Sie aus vollſter Über⸗ zeugung, dem Ausſchußantrage zuzuſtimmen. Sie haben geſehen, daß auch im Ausſchuſſe ſelbſt eine überwiegende Maſorität trotz der „hohen Be⸗ denken“, die dieſe 170 000 ℳ. mit ſich bringen, dafür war, dem Magiſtratsvorſchlage zuzuſtimmen. Ich bitte Sie, dasſelbe zu tun. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, es würde wohl eigentümlich gefunden werden, wenn ich heute ſchweigen würde, nachdem ich bei der erſten Beratung weſentliche Bedenken gegen dieſe Vorlage geäußert hatte. Ich muß auch ſagen, daß ich verſönlich — ich kann hier nur für meine Perſon und einige meiner Fraktions⸗ freunde ſprechen — durch die Ausſchußberatung nicht eines beſſeren belehrt worden bin. Es werden ja namentlich künſtleriſche Geſichtspunkte für die Anderung geltend gemacht. Darüber kann man außerordentlich verſchiedener Anſicht ſein. Ich muß hier daran erinnern, daß im Ausſchuß, auch