24 Sitzung vom 16 Zu Meinem Geburtstage haben Magiſtrat und Stadtverordnete Meiner Reſidenz Char⸗ lottenburg Mir freundliche Glückwünſche ge⸗ ſandt und Mich durch das pietätvolle Gedenken der in Charlottenburgs Mauern ruhenden Königin Luiſe erfreut, deren bevorſtehender hundertſter Todestag ſo wehmütige und dankbare Erinnerungen wach ruft. Ich ſpreche Ihnen für Ihre freundliche Aufmerkſamkeit Meinen herzlichen Dank aus. Berlin, den 31. Januar 1910. (gez.) Wilhelm. R An den Magiſtrat und die Stadtverordneten zu Charlottenburg. Von Herrn Kollegen Meyer und Gen. iſt folgender Antrag eingegangen: Wir beantragen, zu beſchließen: Die beiden Häuſer des Landtags werden erſucht, die von der Königlichen Staats⸗ regierung eingebrachte Vorlage über die Anderung des Geſetzes bezüglich der Wahlen zum Abgeordnetenhauſe aus folgenden Grün⸗ den abzulehnen: 1. Die in der Vorlage enthaltene Klaſſen⸗ einteilung geſtaltet das Wahlrecht der Charlottenburger Bürgerſchaft zum Preu⸗ ßiſchen Abgeordnetenhaus zu einem be⸗ ſonders ungleichmäßigen und ungerechten. Durch Beibehaltung der Wahlkreisein⸗ teilung wird die völlig. unzulängliche Vertretung der Stadt Charlottenburg im Abgeordnetenhauſe gegenüber der Ge⸗ ſamtzahl der Abgeordneten aufrechter⸗ halten. 3. Die öffentliche Stimmabgabe bedroht die Freiheit der Abſtimmung unſerer Bürgerſchaft. Ferner iſt ein Antrag von Herrn Kollegen Bartſch und Gen. eingegangen: Die Stadtverordnetenverſammlung wolle be⸗ ſchließen, an den preußiſchen Landtag eine Petition abzuſenden, in der vom Standpunkte der Charlottenburger Bevölkerung die ſogenannte Wahlrechtsreform in ihren Wirkungen auf die politiſche Entrechtung der breiten Maſſe des Volkes, beſonders der Charlottenburger Arbeiter und Handwerker, dargelegt und der Landtag erſucht wird, die Vorlage abzulehnen, ferner den Magiſtrat zu erſuchen, dem Beſchluſſe der Verſammlung beizutreten. Für beide Anträge iſt die Dringlichkeit bean⸗ tragt worden. Ich möchte zuerſt feſtſtellen, daß nach unſerer Geſchäftsordnung die Dringlichkeit beſchloſſen wer⸗ den kann nach deren Begründung, und zwar ſagt unſere Geſchäftsordnung: Die Beratung. .. erfolgt früheſtens, nach⸗ dem die Tagesordnung zwei freie Tage in den Händen der Mitglieder geweſen iſt. Iſt dieſe Friſt nicht innegehalten, ſo kann die Verhandlung nur dann ſtattfinden, wenn deren Dringlichkeit vom Magiſtrat oder von 10 Mitgliedern beantragt — es hat hier eine größere Anzahl von Mitgliedern die Dringlichkeit beantragt — und von der Verſammlung beſchloſſen iſt. Selbſtändige Anträge von Mitgliedern oder 10 . Februar 1910 Vorlagen des Magiſtrats, welche nicht vor der Sitzung zur Kenntnis der Verſammlung gebracht ſind, dürfen in der Sitzung, in welcher ſie eingebracht ſind, nur dann zur Beratung gelangen, wenn hiergegen von keinem Mit⸗ gliede oder dem Magiſtrat Einſpruch erhoben wird. Ich gebe nunmehr Herrn Kollegen Meyer das Wort zur Begründung der Dringlichkeit. Antragſteller Stadtv. Meyer: Meine Herren, die Frage, über die wir zu beraten Ihnen vor⸗ ſchlagen, iſt die wichtigſte nicht nur, ſondern auch die dringlichſte der Zeit. Würden wir heute nicht darüber beraten, ſo hätten wir früheſtens erſt in drei Wochen hierzu die Möglichkeit, alſo unter Umſtänden dann, nachdem das Geſetz bereits vom Abgeordnetenhauſe verabſchiedet wäre, jedenfalls aber, wenn die Arbeiten bereits in einem Stadium ſich befänden, in dem unſere Stimme kein Gehör mehr finden würde. Ich bitte aus dieſem Grunde, die Dringlichkeit zu beſchließen. Vorſteher Kaufmann: Ich bitte diejenigen, die die Dringlichkeit beſchließen wollen, die Hand zu erheben. (Geſchieht.) Das iſt die Mehrheit. (Stadtv. Becker: Ich widerſpreche!) — Sie widerſprechen der Dringlichkeit? Es würde dieſer Widerſpruch nach der Abſtimmung zu ſpät kommen, außerdem aber der Geflogenheit der Verſammlung nicht entſprechen. Am 21. April 1909 war unter dem Vorſitz des Herrn Stadtverordneten⸗ Vorſteher⸗Stellvertreters Dr Hubatſch ein Dring⸗ lichkeitsantrag eingebracht, der ebenſo lag wie heute. Es wurde damals von Herrn Stadtv. Zietſch widerſprochen, weil der Antrag nicht bereits zwei Tage vorher in den Händen der Mitglieder geweſen war. Es iſt damals der Antrag — wie zur heutigen Sitzung — den Herren Kollegen vor der Sitzung auf ihre Plätze gelegt worden, und der Herr Stadtverordneten⸗ Vorſteher⸗ Stellver⸗ treter Dr Hubatſch hat damals ausgeführt — und ich ſchließe mich ſeinen Ausführungen an —: In § 17 der Geſchäftsordnung heißt es: Iſt die Friſt — d. h. zwei Tage — nicht innegehalten, ſo kann die Ver⸗ handlung nur dann ſtattfinden, wenn deren Dringlichkeit vom Magiſtrat oder von 10 Mitgliedern beantragt und von der Verſammlung beſchloſſen iſt. Der Antrag iſt von mehr als 10 Mitgliedern geſtellt, und er iſt nicht erſt in der Sitzung, ſondern ſchon vorher zur Kenntnis gebracht worden. Stadtv. Becker (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren, ich muß meinen Widerſpruch aufrecht⸗ erhalten. Ich kann nicht anerkennen, daß der Antrag durch das Hinlegen auf die Plätze der Verſammlung zur Kenntnis gebracht worden iſt. Der Antrag iſt zur Kenntnis der Verſammlung durch das Verleſen durch den Herrn Vorſteher gebracht worden, und dieſe Kenntnisgabe hat erſt nach Eröffnung in der heutigen Sitzung ſtattgefunden. Folglich iſt mein Widerſpruch meiner Anſicht nach unwider⸗ legbar.