Stadtv. Dr. Erüger (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren, über die Frage hätten wir nur dann uns ſchlüſſig machen können, wenn Herr Kollege Becker rechtzeitig ſeinen Widerſpruch er⸗ hoben hätte. (Sehr richtig!) Er hat aber den Widerſpruch erhoben, nachdem die Angelegenheit nach Maßgabe des Satzes 2 des § 17 der Geſchäftsordnung bereits ihre Erledigung gefunden hatte. Wir befinden uns bereits mitten in der Verhandlung. 2 2 Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren, ich bin auch der Meinung, daß der Ein⸗ ſpruch des Herrn Kollegen Becker nicht rechtzeitig erfolgt iſt. Sie haben tatſächlich erſt dazwiſchen⸗ gerufen, nachdem bereits die Abſtimmung vor⸗ genommen war. Im übrigen ſtehe ich ja ſonſt auf Ihrem Standpunkt, daß das Hinlegen der Anträge auf die Plätze unmittelbar vor der Sitzung nicht genügt. Aber wic hatten bereits einen ähn⸗ lichen Fall; es liegt ein Präzedenzfall vor, wo die Stadtverordnetenverſammlung gegen den Ein⸗ ſpruch meines Freundes Zietſch entſchieden hat, daß es vollſtändig genügt, wenn kurz vor der Sitzung der Zettel auf die Plätze gelegt wird. enn ich nicht ſehr irre, waren auch Herr Kollege ecker und ſeine Freunde damals gegen unſerer Auffaſſung. Jetzt müſſen Sie ſchon die Kon⸗ ſequenzen von dem ziehen, was Sie damals beſchloſſen haben. Stadtv. Dr. Crüger (zur Geſchäftsordnung): Eine Abſtimmung iſt meines Erachtens gar nicht mehr möglich; der Beſchluß iſt bereits gefaßt, die Dringlichkeit iſt beſchloſſen. Wir müſſen jetzt in die Verhandlung eintreten. Vorſteher Kaufmann: Ich hatte vorhin in meinen erſten Ausführungen ja ſchon geſagt, daß der Einſpruch zu ſpät gekommen iſt. Denn ich habe direkt den § 17 der Geſchäftsordnung ver⸗ leſen, dann habe ich Herrn Kollegen Meyer das Wort zur Begründung der Dringlichkeit gegeben, dann habe ich erſt über die Dringlichkeit abſtimmen laſſen, die Verſammlung hat die Dringlichkeit beſchloſſen, und dann erſt, Herr Kollege Becker, iſt Ihr Einſpruch erfolgt. Stadtv. Becter (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren, ich kann doch meinen Einſpruch erſt er⸗ heben, nachdem die Dringlichteit beſchloſſen iſt; vorher iſt er doch gegenſtandslos. (Widerſpruch.) — Ja, meine Herren, das iſt eine Spitzfindigkeit! Stadtv. Dr. Erüger (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren, ich lege ganz entſchieden dagegen Verwahrung ein, daß es ſich hier um eine Spitz⸗ findigkeit handelt. 1 (Sehr richtig!) Es handelt ſich um eine ganz korrekte, geſchäfts⸗ ordnungsmäßige Behandlung der Sache. 1 (Sehr richtig!) Der Herr Vorſteher hat den § 17 der Geſchäfts⸗ ordnung verleſen, hat dann ganz klar zum Aus⸗ druck gebracht, daß nach dieſem Paragraphen der Geſchäftsordnung die Sache behandelt werden ſoll, dagegen iſt kein Einſpruch erhoben, ſondern es iſt Beſchluß gefaßt worden, und nachdem der Sitzung vom 16. Februar 1910 25 Beſchluß gefaßt worden iſt, hat Herr Kollege Becker den Widerſpruch erhoben. Er mußte dagegen Widerſpruch erheben, meine Herren, nachdem der Herr Vorſteher Kenntnis gegeben und geſagt hat, wie die Sache behandelt werden ſoll. Er mußte ſagen, daß Satz 3 zur Anwendung kommt und nicht Satz 2. Das hat er nicht getan; infolge⸗ deſſen iſt der Widerſpruch vergebens. Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Wenn Herr Kollege Becker unmittelbar, nachdem der Herr Vorſteher die Beſtimmung der Geſchäfts⸗ ordnung verleſen hatte, den Einſpruch erhoben hätte, würde ich ihm beitreten, (Sehr richtig!) ſo leid es mir auch getan haben würde, daß bei einer Sache, die uns ſo nahe geht, die Dringlichkeit nicht hätte beſchloſſen werden können. Aber Herr Kollege Becker hat dieſes Verfahren nicht ein⸗ gehalten. Ich würde Herrn Kollegen Becker bitten, den ſtenographiſchen Bericht der Sitzung vom 21. April vorigen Jahres durchzuleſen; da war ein ganz ähnlicher Fall. Und wenn Herr Kollege Becker lernen will, wie man in Zutunft einen Einſpruch rechtzeitig erhebt, dann kann er dort nachleſen, wie es gemacht werden muß. Vorſteher Kaufmann: Die Geſchäftsord⸗ nungsdebatte iſt erledigt. Wir treten ſofort in die Beratung der dringlichen Anträge ein. Stadtv. Dr. Stadthagen (zur Geſchäftsord⸗ nung): Meine Herren, ich möchte doch bitten, den Antrag — ich habe für die Dringlichkeit geſtimmt — erſt nach der Etatsberatung zur Beratung zu ſtellen. Die Etatsberatung iſt in den letzten Jahren mehrfach ſchon in den ſpäten Nacht⸗ ſtunden vor ſich gegangen; es ſollten derartige Anträge, die ja wichtig ſind, aber doch nicht die Wichtigkeit haben wie unſere Etatsberatung, die alle Jahre einmal ſtattfindet, nicht dazwiſchen geſchoben werden. Wir werden nach der Etats⸗ beratung auch noch in der Lage ſein, wie die andern Sachen auch dieſe Anträge zu beraten. Vorſteher Kaufmann: Ich möchte darauf aufmerkſam machen, daß die Angelegenheit wahr⸗ ſcheinlich erledigt ſein wird, bevor der Herr Käm⸗ merer im Saale iſt. (Zurufe: Iſt da! — Heiterteit.) Stadtv. Meyer (zur Geſchäftsordnung): Ich bitte dringend, zu beſchließen, daß die Wahlrechts⸗ anträge vor allen übrigen Punkten der Tages⸗ ordnung beraten werden. (Sehr richtig!) Ich bin durchaus entgegengeſetzter Anſicht wie Herr Kollege Dr Stadthagen; ich bin der Meinung, daß es überhaupt keine Angelegenheit gibt, die ſich an Wichtigkeit mit dieſer meſſen kann, (Bravo!) und muß mich auf das entſchiedenſte dagegen wehren, daß etwa dieſe Angelegenheit in ſpäter Nachtſtunde und vor halbleeren Bänken zur Be⸗ ratung kommt. Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Auch meine Freunde ſind dafür, daß wir die Anträge ſofort beraten, da es nach außen hin einen äußerſt ſchlechten Eindruck machen würde, wenn wir eine