28 nicht Stellung nehmen können, da ſie nicht gewohnt iſt, Sitzungen während der öffentlichen Sitzung der Stadtverordnetenverſammlung abzuhalten und die offizielle Kenntnis des Antrages uns ja vorhin erſt geworden iſt. Ich kann nur in meinem perſönlichen Namen ſprechen. (Zuruf: Hat in der Zeitung geſtanden!) — Der Antrag der Sozialdemokraten hat aber nicht in der Zeitung geſtanden. Meine Herren, was meine Perſon betrifft, ſo muß ich ſagen, daß der Antrag der Sozialdemo⸗ kraten für mich perſönlich überhaupt nicht an⸗ nehmbar iſt, da er ſich nicht nur auf die kommunal⸗ politiſche Seite der Sache bezieht, ſondern die Geſamtpolitik hineinzieht, indem er von den Wir⸗ kungen auf die politiſche Entrechtung der breiten Maſſen im Volke ſpricht. Dagegen erkenne ich durchaus an, daß der Antrag der liberalen Partei ſich in den Gründen, die er anführt, ſtreng innerhalb der kommunal⸗ politiſchen Grenzen, innerhalb der kommunal⸗ politiſchen Intereſſen gehalten hat. Wenn ich ihm trotzdem nicht ohne weiteres zuſtimmen kann, ſo liegt das vor allen Dingen daran, daß er darauf hinausläuft, die Vorlage der Regierung von vorn⸗ herein abzulehnen. Meine Herren, die Ihnen politiſch naheſtehenden Freunde in Berlin haben einen anderen Weg — und meines Erachtens einen richtigeren Weg — eingeſchlagen: ſie haben nicht eine Ablehnung der Vorlage verlangt, ſondern eine Abänderung der Vorlage in der Richtung, die Ihrer Auffaſſung entſpricht — wenigſtens nach den Zeitungsnachrichten. (Stadtv. Hirſch: Verſchlechterung!) Meine Herren, ich kann meinerſeits dem Antrag nur dann zuſtimmen, wenn Sie im Anfange hinter dem Worte „Abgeordnetenhaus“ und vor den Worten „aus folgenden Gründen“ einfügen: „„alls nicht entfprechende oder ge⸗ nügende Abänderungen erfolgen“. Von vornherein nur von der Ablehnung zu ſprechen, halte ich nicht für richtig. Sollte dieſer Zuſatzantrag — ich werde ihn dem Herrn Vor⸗ ſteher übergeben — angenommen werden, dann würde ich für meine Perſon — und ich glaube, daß ſich manche meiner Fraktionsgenoſſen mir an⸗ ſchließen würden — dem ganzen Antrage zuſtimmen. Bezüglich des Inhalts des Antrages ſelbſt möchte ich mich im übrigen ganz kurz faſſen, nach⸗ dem der Herr Referent ihn eingehend begründet hat. Ich möchte nur bezüglich der öffentlichen Stimmabgabe etwas unterſtreichen und darauf hinweiſen, daß die kleinen Geſchäftsleute, die Hand⸗ werker, die Kaufleute uſw. gerade hier in Char⸗ lottenburg, die ja durchaus nicht auf meinem poli⸗ tiſchen Standpunkt ſtehen, bei der jetzt beabſichtigten öffentlichen Stimmabgabe im weſentlichen die Stimme Null haben. Ich möchte dies mal deutlich und klar ausſprechen. Und was heißt das? Jeder Arbeiter, der dem Terrorismus nicht unter⸗ liegt, hat die Stimme eins. Wenn Sie ſich der mathematiſchen Stunde in der Schule erinnern, ſo werden Sie wiſſen, daß Eins durch Null gleich unendlich iſt. Das heißt: der Arbeiter, der heute unabhängig iſt, hat un⸗ en dlich mal ſo viel Stimmrecht als ein ſelbſtändiger Handwerker. (Heiterkeit.) 7 Meine Herren, hier ſehen Sie, wie ein ſolches Wahlrecht wirkt, ſo daß wir unbedingt darauf be⸗ Sitzung vom 16. Februr 1910 ſtehen müſſen, daß die geheime Stimm⸗ abgabe eingeführt wird. Im übrigen kann ich mich den meiſten Aus⸗ führungen des Herrn Referenten anſchließen, wenn ich auch nicht in allen Punkten ſeiner Begründung und ſeinen Wünſchen folgen kann, namentlich nicht bezüglich der Wahltreiseinteilung. So weit wie er würde ich da nicht gehen. Immerhin liegt aber meines Erachtens auch in dieſer Beziehung eine gewiſſe Benachteiligung der Stadt Charlottenburg gegenüber anderen Wahlkreiſen vor, wenn wir nur durch einen Abgeordneten vertreten ſind. Falls Sie alſo den Zuſatzantrag annehmen, würde ich mich meinerſeits dem Antrage der liberalen Partei anſchließen. Vorſteher Kanfmann: Der Zuſatzantrag des Herrn Kollegen Dr Stadthagen lautet ganz wörtlich ſo, wie der Herr Kollege ihn eben vorgetragen hat: in dem Antrage Meyer hinter dem Worte „Abgeordnetenhaus“ hinzuzufügen: „falls nicht entſprechende und genügende Abänd⸗ rungen erfolgen“. Antragſteller Stadtv. Hirſch: Meine Herren, durch ein Verſehen bin ich, obwohl ich Antrag⸗ ſteller bin, erſt nach dem Herrn Kollegen Stadt⸗ hagen zum Worte gekommen. Ich habe nichts dagegen; ich freue mich ſogar darüber, da ich da⸗ durch Gelegenheit bekommen habe, auf die Aus⸗ führungen des Herrn Kollegen Stadthagen mit einigen Worten einzugehen. Ich muß zunächſt lebhaft bedauern, daß Herr Kollege Stadthagen in einem Moment, wo eigent⸗ lich alle liberalen Parteien, gleichviel wieweit ihr Liberalismus geht, zuſammenſtehen ſollten, um eine Vorlage der Regierung abzuwehren, in dieſe Einſtimmigkeit hier einen gewiſſen Mißton hinein⸗ gebracht hat. Es war wirklich nicht nötig, daß er über den Terrorismus ſprach. Jeder weiß ja, was er damit gemeint hat. Ich weiß nicht, ob er das nur geſagt hat, um ſeinen von niemandem ver⸗ ſtandenen Witz hier vorzubringen; jedenfalls aber wäre es richtiger geweſen, wenn er davon voll⸗ kommen geſchwiegen hätte. Nun haben wir geglaubt, daß innerhalb der Stadtverordnetenverſammlung — vielleicht mit ſehr wenigen Ausnahmen — Einſtimmigkeit in der Sache erzielt werden wird, und daß es zu einer einheitlichen Kundgebung kommt. Dieſe Hoffnung iſt dadurch vereitelt, daß Herr Kollege Stadthagen ein Amendement eingebracht hat, das für meine Freunde und hoffentlich auch für die Freunde des Herrn Kollegen Meyer unannehmbar iſt. Herr Kollege Stadthagen will nicht, daß wir beim Landtage um Ablehnung der Vorlage vetitionieren, ſondern er hofft, daß aus dieſer Vorlage noch irgend etwas herauskommt, und er glaubt nun, Herrn Kollegen Meyer dadurch gewinnen zu können, daß er ihm vorwirft, er ſetze ſich in Widerſpruch mit ſeinen Parteifreunden im Abgeordnetenhauſe. Herr Kollege Stadthagen, das ſtimmt nicht. Der Vertreter der freiſinnigen Volkspartei im Abgeordnetenhauſe, Herr Abgeordneter Traeger, hat ausdrücklich erklärt, daß die Vorlage für ſeine Freunde unannehmbar iſt, daß ſie am liebſten überhaupt keine Kommiſſionsberatung wünſchten, und daß ſie nur mit Rückſicht darauf, daß die Kommiſſionsberatung von großen Parteien be⸗ antragt iſt, in die Kommiſſionsberatung willigen. (Sehr richtig bei den Liberalen.)