30 Ich darf ja leider nicht darauf hoffen, daß der ſo abgeänderte Antrag, der nun ein Antrag der Liberalen und Sozialdemokraten iſt, eine ein⸗ ſtimmige Annahme in der Stadtverordneten⸗ verſammlung findet. Ich hoffe aber, daß nur ſehr wenige Elemente ſich finden, die gegen den Antrag ſtimmen werden. Sollte der Antrag hier eine große Mehrheit auf ſich vereinigen, meine Herren, ſo wäre das eine Kundgebung, die freilich im Vergleich zu den impoſanten Kundgebungen an anderer Stelle nicht viel beſagt; aber es wäre immerhin eine Kundgebung des Charlottenburger Bürger⸗ tums, und wenn überhaupt der Preußiſche Landtag noch Vernunftgründen zugänglich iſt, dann, meine Herren, glaube ich, werden die vielen Kundgebungen, die nun von den Vertretern aller Städte ausgehen, ſchließlich nicht ganz ohne Eindruck auf ihn bleiben. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Antragſteller Stadtv. Meyer (Schlußwort): Meine Herren, ich werde Herrn Kollegen Hirſch auf einen Teil ſeiner Ausführungen nicht folgen, weil ich es nicht für angebracht halte, mich in dieſem Moment mit den Differenzen zwiſchen denen, die ſich heute zu einem gemeinſamen Votum ver⸗ binden, zu beſchäftigen. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Ich begnüge mich deshalb mit der Feſtſtellung, daß ſeine Auslegung meiner Ausführungen über die Boykottgefahr nicht zutreffend iſt. Die Frage des Stadtverordnetenwahlrechts hat heulte völlig aus der Debatte auszuſcheiden. (Stadtv. Hirſch: Sie wollen wohl Dilvomat werden? — Heiterkeit.) Ich werde mich weder durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Hirſch noch durch ſeinen Zwiſchenruf dazu verlocken laſſen, mit irgendeinem Wort aus der Reſerve hervorzutreten, welche bei bei der heutigen Debatte gegenüber allen Fragen geboten iſt, die mit den vorliegenden Anträgen keinen Zuſammenhang haben. Die Frage des Kommunalwahlrechts ſteht in keinem Zuſammen⸗ hange damit. (Stadtv. Hirſch: Doch!) Dagegen muß ich doch mit einigen Worten das Lob zurückweiſen, das Herr Kollege Hirſch uns dafür gezollt hat, daß wir „ſeit einigen Tagen“ in energiſcher Weiſe in die Bewegung für das Reichstagswahlrecht eingetreten ſeien. Das Studium der Geſchichte meiner Partei wird Herrn Kollegen Hirſch belehren, daß er hier Tage mit Jahrzehnten verwechſelt. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Ich kann mich begnügen, ihn hierauf hinzuweiſen, und von näheren Ausführungen abſehen. An Herrn Kollegen Dr Stadthagen richte ich die Bitte, ſein Amendement zurückzuziehen aus den Gründen, die Herr Kollege Hirſch dargelegt hat, daß nämlich ein möglichſt einmütiges Votum dieſer Verſammlung und namentlich eine Übereinſtim⸗ mung aller liberalen Parteien, die hier vertreten ſind, dringend erwünſcht iſt, um den Eindruck nach außen zu verſtärken. Ich glaube nicht, daß Herr Kollege Stadthagen ſelbſt von ſeinem Stand⸗ punkt aus auf dieſem Amendement zu beſtehen nötig hätte. Denn unſer Antrag richtet ſich aus⸗ drücklich gegen die von der Regierung eingebrachte Vorlage. Wird ſie um⸗ geſtaltet, entſpricht ſie nachher unſeren Wünſchen, Sitzung vom 16. Februar 1910 bringt ſie das Reichstagswahlrecht, oder auch nur weſentlichen Fortſchritte auf dem Wege, der nach unſerer Anſicht gegangen werden muß, dann ver⸗ liert unſere heutige ablehnende Haltung ganz von ſelbſt ihr Fundament, und einer derart umgeſtal⸗ teten Vorlage ſtellt ſich unſer Antrag natürlich keineswegs entgegen. Auf der anderen Seite bin ich aber nicht in der Lage, wenn Herr Kollege Dr Stadthagen ſein Amendement aufrecht erhalten wollte, dafür zu ſtimmen, und ich glaube, auch meine Freunde werden das nicht tun. Wir wollen klar und deutlich den ſchärfſten Proteſt gegen dieſe Vorlage zum Ausdruck bringen und müſſen deshalb auf jeden Zuſatz verzichten, der auch nur den oberflächlichen Eindruck erwecken könnte, als wenn dieſer Proteſt durch irgendwelche Wenns und Abers abgeſchwächt werden ſollte. (Bravo!) Antragſteller Stadtv. Hirſch (Schlußwort): So verlockend es auch wäre, auf die Schluß⸗ ausführungen des Herrn Kollegen Meyer einzu⸗ gehen, ſo verzichte ich doch lediglich mit Rückſicht auf die Sache darauf. Ich möchte Herrn Kollegen Meyer nur ganz kurz erwidern, daß ich die Geſchichte ſeiner Partei ſehr genau ſtudiert habe. Da ich ſie viel genauer ſtudiert habe als er ſelbſt, (Heiterkeit) ſo bin ich zu dem entgegengeſetzten Reſultat ge⸗ kommen. Ich will das aber an dieſer Stelle nicht weiter ausführen; dafür wird ſich ein andermal Gelegenbeit finden. Wenn Herr Kollege Meyer das Lob, das ich ſeinen Freunden gezollt habe, zurückweiſt, ſo bin ich ſehr gern bereit, dieſes Lob zurückzuziehen. (Heiterkeit!) Stadtv. Dr. Stadthagen (perſönliche Be⸗ merkung): Meine Herren, Herr Kollege Hirſch hat von meiner Harmloſigkeit geſprochen. Ich kann ihm nur erwidern, daß ich ihn noch niemals für ſo harm⸗ los erachtet habe, als ſeine Reden uns allen immer klingen. (Au! bei den Sozialdemokraten.) Im übrigen bin ich nicht in der Lage, dem Wunſche des Herrn Kollegen Meyer zu entſprechen und mein Amendement zurückzuziehen. Ferner wurde behauptet, ich habe den Antrag⸗ ſteller, Herrn Kollegen Meyer, und ſeine Freunde in Widerſpruch zu der freiſinnigen Fraktion im Ab⸗ geordnetenhaus bringen wollen. Das iſt mir durchaus nicht eingefallen, ſondern ich habe von dem Antrage Caſſel in der Berliner Stadtver⸗ ordnetenverſammlung geſprochen. Vorſteher Kaufmann: Wir kommen zur Abſtimmung. Es liegen vor die Anträge des Herrn Kollegen Meyer und Gen. und des Heryn Kollegen Bartſch und Gen. Zu dem Antrag Meyer liegt das Amendement des Herrn Kollegen Dr Stadthagen vor: im Fall der Annahme des Antrages Meyer hinter dem Worte „Abgeordnetenhaus“ hin⸗ zuzufügen: „falls nicht entſprechende und ge⸗ nügende Abänderungen erfolgen.“ Ferner liegt der Zuſatzantrag des Herrn Kollegen Hirſch vor, zu dem Antrage Meyer und Genoſſen noch einen Punkt 4 hinzuzufügen, der folgendermaßen lautet: