Sitzung vom 16. Februar 1910 der Anleihe des Jahres 1908 in Höhe von 20 Mil⸗ lionen Mark. Aber, meine Herren, in dieſem Saale ſind verhältnismäßig ſehr lange keine An⸗ leiheberatungen gepflogen worden, und ich glaube, Sie werden ſich wohl in Ihrem Inneren dem nicht verſchließen, daß die Zeit nicht mehr ſo ferne iſt, wo auch über verſchiedene andere Aufgaben, die dringend geworden ſind, und die ſich nicht mehr zurückſtellen laſſen, hier wiederum neue Beratungen werden zu pflegen ſein. Wir werden auch auf dieſem Gebiete Zurückhaltung üben müſſen, ſoweit es nur irgend möglich iſt, ohne ſelbſtverſtänd⸗ lich das Vorwärtsſchreiten unſerer Stadtgemeinde zu ſchädigen. Ich bitte Sie, meine Herren, nehmen Sie den Etat — vorausſichtlich wohl in einem Ausſchuß — an. Ich ſpreche die Hoffnung aus, daß dieſe Ver⸗ handlungen einen glatten und glücklichen Verlauf nehmen werden. (Bravo!) Stadtv. Kaufmann: Meine Herren, ich be⸗ antrage die Einſetzung eines Ausſchuſſes von 15 Mitgliedern und 15 Stellvertretern, wie bisher. Füglich könnte ich dieſem Etat gegenüber damit meine Etatsrede ſchon beendet haben; denn die Dürftigkeit des Etats als ſolcher iſt durch die Verhältniſſe derart bedingt, daß ſich ja weſentliche Verſchiebungen nicht ergeben werden. Man könnte einer Annahme des Etats in dieſer verzweifelten Stimmung möglicherweiſe en bloc befürwortend gegenüberſtehen, (Stadtrat und Kämmerer Scholtz: Kein Wider⸗ ſpruch! — Heiterkeit) wenn nicht die Gepflogenheit, die Etatsberatung ſelbſt zu benutzen, um alle Verhältniſſe der Ver⸗ waltung gründlich durchzuſprechen, etwa gefundene Mißſtände durch Aufklärung vielleicht beſeitigt zu ſehen, neue Wege anzudeuten, kurzum, wenn nicht die Unterhaltungen des Etatsausſchuſſes, der über alles und mehr als über alles ſich zu unterhalten pflegt, tatſächlich dazu dienten, die Verwaltungs⸗ organe gegenſeitig näher zu bringen. Meine Herren, der Herr Kämmerer begann ſeine Ausführungen damit, daß er meinte, dieſes Defizit brauche uns nicht ſo zu ſchrecken, weil es andere Städte auch haben. Ich folge ihm darin. Ich habe ſchon im vorigen Jahre das Wort an⸗ wenden müſſen, daß es ein Troſt iſt, Genoſſen im Elend zu haben. Es iſt zwar kein beſonderer Troſt; aber wenn wir vergleichen, was andere ſehr be⸗ deutende Städte für ein Defizit im Etatsjahr 1910 zu erwarten haben — beiſpielsweiſe Frankfurt a. M. 5 100 000 ℳ, die Stadt Berlin zurzeit ca. 4 Mill. Mark Defizit —, dann müſſen wir uns noch zu⸗ frieden geben, daß wir mit einer verhältnismäßig geringen Summe wegkommen. Woher iſt aber die Situation in allen Städten die gleiche? Überall ſind die gleichen Urſachen vor⸗ handen, und man muß ihnen mit offenen Augen gegenüberſtehen. Überall ſind die Anſprüche an die Verwaltung durch Gehaltserhöhungen, durch Lohnerhöhungen, durch Ausgeſtaltung der Wohl⸗ fahrtseinrichtungen geſtiegen. Sie haben gehört, daß 1 425 000 ℳ in Summa bereits für ſogenannte ſoziale Z3wecke gewährt werden, (Zuruf von den Sozialdemokraten: ſogenannte?) die wir mit Freude gewährt haben und wohl weiter gewähren wollen. Daß alle dieſe eine koloſſale Anſchwellung der Ausgaben herbeigeführt haben, 41 ohne daß die Einnahmen gleichen Schritt hielten, das iſt eine Erſcheinung, die überall dieſelbe iſt, mit der man rechnen muß, und in deren Folge man genötigt iſt, ſich auf das Allernotwendigſte ein⸗ zuſchränken. Von dieſem Geſichtspunkt aus, kann ich ſagen, ſind dem Etat mildernde Umſtände zu bewilligen. Wo die Mittel nicht vorhanden ſind, läßt ſich über den Rahmen des abſolut Notwendigen nicht hinaus⸗ gehen. Aber die Befriedigung des abſolut Not wendigen — im weiteſten Rahmen ſogar — hat der Magiſtrat durch Aufſtellung dieſes Etats erfüllt, und wir werden uns im Etatsausſchuß einzu⸗ ſchränken haben, um nicht mit allzuweitgehenden Nachforderungen zu kommen. Ich werde mich heute in meinen Ausführungen kürzer faſſen und dem Herrn Kämmerer zwar, wie ich es ſonſt gewohnt war, auch Schritt für Schritt folgen, aber nicht ſo eingehend; denn alles Zahlen⸗ material, das der Herr Kämmerer uns brachte, hat beweiskräftige Argumente angeführt, denen gegen⸗ über eine Kritik nicht ſtichhaltig ſein würde. Erfreulich war mir, von dem Herrn Kämmerer zu hören, daß der Abſchluß für 1909 weſentlich unſere peſſimiſtiſchen Erwartungen vom Vorjahre übertrifft. Dieſer Punkt iſt nach allen Richtungen hin befriedigend, und wir werden uns im Etats⸗ ausſchuß, wo wir vielleicht noch nähere Angaben über die mögliche Höhe dieſes Plus erhalten, darüber noch einmal des näheren unterhalten, ob wir nicht à conto dieſes zukünftigen Überſchuſſes vielleicht den einen oder den andern der Wechſel, die wir in Höhe von 217 000 ℳ. im vorigen Jahre für die Pflaſterung der Peſtalozzi⸗, Danckelmann⸗, Grol⸗ man⸗ und Kanalſtraße ausgeworfen haben, zur Einlöſung beſtimmen, damit aus dem zukünftigen Überſchuß die frühere Verpflichtung einmal erfüllt würde. Es iſt traurig, daß wir das Kapitel VIII derartig ſtiefmütterlich behandeln, umſo trauriger, als wir anderſeits nicht umhin können, trotz aller Schonung des Grundbeſitzes, die wir ausüben möchten, ihn doch zu belaſten. Wenigſtens ich für meine Perſon — und ich hoffe, darin auch Gefolg⸗ ſchaft zu finden — folge dem Magiſtrat in ſeinem Vorſchlage, mit 150% der geſetzlichen Steuern im Verhältnis zur Einkommenſteuer den Grundbeſitz zu belaſten. Ziffernmäßig hat vorhin der Herr Kämmerer Ihnen ſchon ausgeführt, daß, wenn auch die Summe, die zu zahlen iſt, eine größere Inanſpruchnahme um e pro Mille für die be⸗ bauten und 2/ſ0 pro Mille für die unbebauten Grundſtücke beanſprucht, wir in Wirklichkeit doch zurückbleiben hinter dem Berechnungsſoll vom Vorjahre, indem dieſe Steuern nur 181,26%, be⸗ tragen der Geſamtrealſteuer gegen 186,48 %, im Vorjahre. Dieſe mäßige Belaſtung des Grund⸗ beſitzes iſt auch meiner Anſicht nach umſo ruhiger hinzunehmen, als ihr gegenüber — und ich glaube, das muß für den Magiſtrat maßgebend geweſen ſein — die Einſtellung von 60 000 ℳ in den Etat für Müllverwertung mit Rückſicht auf die Haus⸗ beſitzer gemacht worden iſt. Ich erkenne an, daß die hygieniſche Seite der Müllfrage die Stadt ver⸗ anlaſſen kann, hier ihren Beitrag zu leiſten. Den⸗ noch iſt die Veranſtaltung der Müllabfuhr eine ſolche, deren Koſten die Hausbeſitzer zu tragen haben, und die Entlaſtung, die auf dieſer Seite den Haus⸗ beſitzern zuteil wird, ſoll eine qua Kompenſation ſein für das Mehr, das man ihnen bei der direkten Grundſteuer abverlangt.