Sitzung vom 16. den wir dieſes Jahr infolge der Not in Anſpruch nehmen mußten. Ich verweiſe auf meine Aus⸗ führungen im vorigen Jahre und bin ja auch darin mit dem Herrn Kämmerer einverſtanden, wie ich auch voriges Jahr ausführte, wir ſollten damals den Ausgleichsfonds unter keinen Umſtänden angreifen; denn er ſoll ſeinem Sinn gemäß nur dann erſt eintreten, wenn ein Defizit entſtanden iſt, und nicht etwa, um zukünftigen Defizits vorzubengen. Alſo in dieſem Jahre iſt die Inanſpruchnahme ſelbſt⸗ verſtändlich, und ſich dagegen zu wehren, würde ein vollkommenes Verkennen der Verhältniſſe und des Zwecks dieſes Fonds ſein. Wie geſagt, hoffen wir, daß wir dieſen Fonds wieder ausſtatten können, wenn uns dereinſt wieder andere Quellen fließen werden! Daß die Kapitalanſammlung in Anſpruch genommen wird, hat der Herr Kämmerer als etwas ganz ſelbſtredendes angeführt, und ich glaube, er findet da unbedingte Zuſtimmung unſererſeits. Meine Herren, nun käme ich zu dem Thema, mit dem der Herr Kämmerer ſchloß, auf die Zukunft, und ich will namentlich den Gedanken beſprechen, ob man einmal andere Steuern einführen oder die Sätze der Einkommenſteuer erhöhen könne oder müſſe. Ich will dieſe Frage überhaupt hier als eine allgemeine Doktorfrage behandeln. Ich bin weit entfernt davon, dahin zu ſtreben, daß wir unter allen Umſtänden 100% überſchreiten müſſen; aber ich will auch mit offenen Augen der Frage gegen⸗ überſtehen, und wie ich bereits geſagt habe, bin ich auch heute davon durchdrungen, daß die Städte ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen können, wenn nicht dieſes Dogma des Nichtüberſchreitens der 100% allgemein fallen gelaſſen wird — „allgemem“ heißt für mich: Groß⸗Berlin muß in dieſer Be⸗ ziehung gemeinſchaftlich vorgehen. Dann iſt für mich die Grenze der 100% kein noli me tangere; die Not⸗ wendigkeit wird auch die Gemeinden dazu bringen. Ich habe im vorigen Jahre angeführt, daß Wilmers⸗ dorf mit ſeinen 90%, Schöneberg mit ſeinen 90% nicht lange werden vorhalten können; ich habe namentlich für Wilmersdorf angeführt, was ihm alles fehlt an Ausführungen, die wir haben, und ohne daß Wilmersdorf ſchon ein Rathaus hätte, ohne daß Wilmersdorf ſchon ein Krankenhaus hätte — beide Dinge hat die Stadt nun beſchloſſen —, hat Wilmersdorf jetzt bereits den Satz von 100% erreicht, den auch Schöneberg, nach einer kleinen Abſchweifung auf 90%, wieder eingeholt hat. Wir ſind jetzt wieder auf einem Strang, und ichzweifle nicht, daß gerade die beiden Vorortsnachbargemeinden, die ich nenne, meiner Anſicht nach, mit uns gleichen Schritt haltend, die 100 % wahrſcheinlich auch als knappe Grenze erachten, wenn ſie nicht ſchon früher durch die Untergrundbahn in Überſchreitungen hinein⸗ fahren als wir. Ich glaube, daß die Untergrund⸗ bahnen gerade jene Gemeinden kräftig belaſten werden, und daß infolgedeſſen der Widerſtand gegen eine gleichmäßige Erhöhung für Groß⸗Berlin, wenn ſie unerläßlich iſt, auch dort zum Stillſchweigen bringen wird. Ich will, um nicht mißverſtanden zu werden, nochmals ſagen: ich will nicht unter allen Umſtänden Erhöhung. Wird die Zukunft ſich günſtiger geſtalten, als wir es annehmen, um ſo beſſer! Aber wir wollen uns darüber klar ſein: wir können weniger, als wir jetzt in unſerem Etat Fürſorge treffen, in der Zukunft unter keinen Umſtänden tun. Es kann nur eine größere In⸗ anſpruchnahme kommen, und da die Einnahmen Feb uar 1910 43 aus den reinen Steuerverhältniſſen ſich unter keinen Umſtänden in dem gleichen Verhältniſſe be⸗ wegen, wie das Wachſen der Ausgaben ſich immer gezeigt hat und zeigen wird, ſo werden wir immer an ergiebigere Einnahmequellen denken müſſen. Meine Herren, die Ausblicke in die Zukunft ſind ja im Moment nicht ſehr troſtreich. Ich bin auch da mit dem Herrn Kämmerer einverſtanden, daß ich glaube: die mageren Jahre können noch einige Zeit anhalten, wenn zwar ſich auch die Ein⸗ kommenſteuer im nächſten Jahre durch das Aus⸗ ſcheiden des Jahres 1907, wie ich eingangs erwähnte, weſentlich ſteigern wird. Wir müſſen es uns zum Prinzip machen, ohne irgendwie das Notwendige leiden zu laſſen, uns das Wünſchenswerte zu verſagen, und zwar ſo lange, bis wieder die Quellen der Einnahmen reichlicher gefloſſen ſind. Daß die Stadt Charlottenburg in ihrer Ent⸗ wicklung günſtig fortſchreiten wird, daß die Pläne, die augenblicklich noch im Schoße der Verwaltung gepflegt werden, die einem großen Teil der Herren Kollegen auch bekannt ſind — ich will nicht darauf eingehen —, zur weiteren günſtigen Entwicklung unſerer Stadtgemeinde bei⸗ tragen werden, darin wird keiner einen Zweifel ſetzen, der die Wirkungen der neuen Unterneh⸗ mungen ins Auge faßt. Streifen kann ich ja die Fortführung der Untergrundbahn nach ver⸗ ſchiedenen Richtungen, die Fortführung über die Spree hinüber, und was ſonſt für Pläne alles ſchweben. Ich kann ſie nicht alle erwähnen, weil ſie teilweiſe noch in den Deputationen ruhen und ungeboren ſind. Ich verſage es mir deshalb, darauf einzugehen. Aber die Ausführungen, die geplant ſind, die in den nächſten Jahren der Stadt noch einen weſentlichen Anreiz geben werden, werden geeignet ſein, uns in abſehbarer Zukunft doch in beſſere Verhältniſſe zu bringen. Deshalb, meine Herren, gehen wir ohne Peſſimismus an dieſen Etat heran. Wir wollen uns im Etatausſchuß zu unter⸗ halten ſuchen, ob und wo ſich etwas abſchleifen oder anſetzen läßt. Ohne das Prinzip der Spar⸗ ſamkeit zu verlaſſen, bitte ich Sie alſo, im Etats⸗ ausſchuß möglichſt recht eingehend und gründlich die Dinge zu erörtern. Ich bin aber überzeugt, wie ich eingangs ſagte: der Etat wird ziemlich ebenſo wieder herauskommen, wie er in den Aus⸗ ſchuß hineingekommen iſt. (Bravo!) Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, daß das Geſamtbild des Etats recht ungünſtig iſt, iſt ſowohl von dem Herrn Kämmerer wie von dem Herrn Vorſteher betont worden. Man muß vor allen Dingen bedenken, daß es ungünſtig iſt, trotz⸗ dem wir vom Elettrizitätswerk infolge der Über⸗ nahme bereits etwa 600 000 ℳ mehr als früher als Überſchuß haben einſtellen können. Aber leider iſt es nötig geworden, um die Million, die wir früher immer in jeden Etat aus dem vorjährigen Etatsüberſchuß einſtellen konnten, zu erreichen, daß wir aus dem einſtweiligen Kapitalſammlungs⸗ fonds 285 000 ℳ nehmen und aus dem Ausgleich⸗ fonds 526 000 ℳ. Meine Herren, der Ausgleichs⸗ fonds iſt damit ziemlich erſchöpft. Wir haben nun dadurch in dieſem Jahre glücklich ungefähr eine Million erreicht. Wir müſſen daraus für die Zukunft meines Erachtens den Schl u ß ziehen, daß wir es für die zukünftigen Etats möglichſt ver⸗