Sitzung vom 16. Februar 1910 ſchöne Schulden; aber ihnen ſtehen ſo viele Ver⸗ mögensobiekte gegenüber, vor allen Dingen ſind ſie für werbende Anlagen kontrahiert, daß wir auf dieſem Gebiete keine Furcht zu haben brauchen, ſondern ruhig in die Zukunft blicken können. Be⸗ dauerlich iſt es allerdings, daß der Kurs unſerer Anleihen durch Maßnahmen der Regierung ein ſo niedriger iſt. Zu den Ausgaben möchte ich ſehr wenig ſagen. Der Herr Kämmerer hat auf das Volksſchul⸗ weſen hingewieſen. Die Zahlen, die er gegeben hat, ſind ja an ſich durchaus richtig, aber man muß ſie doch etwas genauer betrachten, und dann wird man ſich ſagen müſſen, daß es in bezug auf die Klaſſenzimmer ſo roſig, wie er es darſtellt, durch⸗ aus nicht ausſieht Der Herr Kömmerer ſagt: die fliegenden Klaſſen ſind beſeitigt, das iſt eine erfreuliche Erſcheinung; er ſagt auch: wir haben nur noch ſehr wenig Mietsklaſſen; er führt dann an, daß in der Sybelſtraße noch eine große Anzahl von Klaſſen leer ſehen. Nun betrachten Sie aber die Verteilung der Klaſſen! Da werden Sie finden, daß in Gegenden, wo eine verhältnismäßig geringe Arbeiterbevölkerung iſt, gans naturgemäß noch Klaſſen leer ſtehen, während da, wo die Arbeiterbevölkerung ſich zuſammendrängt, jenſeits der Spree, ein Mangel an Schulen vorhanden iſt. Man darf eben nicht vergeſſen, daß die Entwicklung Charlottenburgs dahin geht, daß die Arbeiter⸗ bevölkerung auf einen ganz beſtimmten Stadttei! zuſammengedrängt wird, und wenn man eine Statiſtik darüber aufmacht, wie viel Schulklaſſen wir haben, darf man nicht ganz Charlottenburg, ſondern dann muß man die einzelnen Stadtteile in Betracht ʒiehen; dann wird das Bild doch weſentlich anders werden. Daß tatſächlich nicht alle Bedürfniſſe befriedigt ſind, ergibt ſich auch daraus, daß wir im Etat eine Summe von 1000 ℳ finden, woraus das Schul⸗ geld für diejenigen Kinder beſtritten wird, die aus dem Stadtteil Königsdamm in Berliner Schulen gehen. Iſt das ein Beweis, daß die Bedürfniſſe befriedigt ſind? Nein, das beweiſt gerade das Gegen⸗ teil. Das iſt eine Folge der Art und Weiſe, wie Sie über die Anträge meiner Freunde hinweg⸗ gegangen ſind. Wir hatten in guten Jahren beantragt, mehr Geld für Schulbauten einzuſtellen: da war es immer die Mehrheit der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung, die ſich dagegen gewandt hat; heute ſehen wir, wie gut es geweſen wäre, wenn wir namentlich in dem Stadtteil jenſeits der Spree rechtzeitig Schulen gebaut hätten. Betrachten Sie doch die Bautätigkeit in jener Gegend! Dann werden Sie ſehen, daß da beinahe, man möchte ſagen, über Nacht neue Häuſer entſtehen, Häuſer, die kleine Wohnungen haben, die von der minder bemittelten Bevölkerung bezogen werden. Da wird über kurz oder lang ein ſolcher Bedarf an Schulräumen ſein, daß wir mit denen, die wir jetzt haben, nicht mehr auskommen werden. Meine Herren, das Armenweſen fordert auch wieder eine vermehrte Ausgabe. Das iſt ja auch ganz natürlich. Wir ſehen, daß allein für Bar⸗ unterſtützungen 75 000 ℳ mehr in den Etat ein⸗ geſtellt ſind. Ich glaube, daß das, was im Armen⸗ etat ſteht, zu gering veranſchlagt iſt: wir haben ja auch geſehen, daß wir in jedem Jahre erhebliche Nachbewilligungen für das Armenweſen haben machen müſſen. Ich fürchte, wir werden auch in dieſem Jahre nicht davon verſchont werden. Wir 47 werden überhaupt ſo lange mit einer Vermehrung der Ausgaben für das Armenweſen zu rechnen haben, als wir nicht beſtrebt ſind, die Urſachen für die Armut wenigſtens in etwas zu mildern. Meine Herren, eine der Haupturſachen, mit denen wir im letzten Jahre zu kämpfen hatten, war ja die große Arbeitsloſigkeit, und ich benutze die Gelegenheit, um von dieſer Stelle aus den Verfaſſern der Denkſchrift über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitsloſigkeit den Dank meiner Freunde für die vorzügliche Arbeit auszuſprechen, die ſie uns geliefert haben. Ich hoffe aber und wünſche lebhaft, daß es nicht bloß bei der Denk⸗ ſchrift bleibt, daß man nicht bloß ſagen kann: Char⸗ lottenburg hat eine wunderſchöne Denkſchrift aus⸗ gearbeitet, ſondern daß den Worten auch die Tat folgt, und daß, wenn nachher die Mittel zur Arbeits⸗ loſenverſicherung von der Stadtverordnetenver ſammlung angefordert werden, die Verſammſung dann nicht verſagt. Unter den ſonſtigen Gemeindeeinrichtungen finden wir einige erfreuliche Summen eingeſtellt. Wir finden da 1000 ℳ zur Errichtung einer ſtädtiſchen Fürſorgeſtelle für Alkoholkranke. Ich glaube, daß wir alle dieſe Neuforderung begrüßen, wenn der Magiſtrat und die Gemeindebehörden den Kampf gegen den Alkoholismus aufnehmen, ſo weit das in den Kräften der Gemeindebehörden ſteht. Allerdings wünſche ich nicht, daß der Magiſtrat dann etwa zu ſolchen Mitteln greift, wie er es vor zwei Jahren verſucht hat, und uns etwa wieder eine neue Schankkonzeſſionsſteuer unterbreitet. Dieſe Steuer, von der man jetzt wieder munkeln hört, iſt hoffentlich ein für allemal für Charlotten⸗ burg begraben. Nun noch ein Wort über die Angaben für ſozialpolitiſche 3Zwecke. Der Herr Kämmerer hat ſogar von kulturellen und Wohlfahrtszwecken ge⸗ ſprochen. Es hört ſich groß an, wenn man lieſt, daß 1 925 000 ℳ für ſolche Zwecke ausgegeben werden. Es fragt ſich nur: was verſtehen Sie unter ſozialpolitiſchen und kulturellen Wohlfahrts⸗ zwecken? Ich glaube, wenn wir die Poſten im einzelnen prüfen und nur das ſtehen laſſen, was wirklich für ſozialpolitiſche 3wecke ausgegeben iſt, ſo wird die Summe ſich ganz erheblich verringern. Ich fürchte ſehr, Sie rechnen darunter auch alle die Zehntauſende, die Sie alljährlich Herrn Paſtor v. Bodelſchwingh, und das Geld, das Sie für andere 3wecke ausgeben, die unſerer Meinung nach keine kulturellen und keine Wohlfahrtszwecke ſind, ſondern für die das Geld nach unſerer Meinung zum Fenſter hinausgeworfen iſt. Ich bitte, ſich auch einmal genau anzuſehen, welche Vereine Unterſtützungen bekommen: Herr Kollege Stadthagen hat das ja angeregt; da werden Sie auch eine ganze Menge Geld finden, das auch unter den Angaben für ſozialpolitiſche Zwecke figuriert, aber mit Sozialpolitik abſolut nichts zu tun hat. Auch die Summen, die jetzt wieder zur Unterſtützung für verſchiedene Vereine gefordert werden, werden im Auüsſchuß genau geprüft werden müſſen. Wir finden da Summen, die meine Freunde nun und nimmermehr bewilligen werden, und die hoffentlich auch von der Mehrheit abgelehnt werden. Ich erinnere an das, was zun Unterſtützung des Deutſchen Schulvereins in Oſter⸗ reich verlangt wird. Ja, meine Herren, da handeit es ſich um politiſche 3wecke, wenn es auch nicht ausgeſyrochen wird; wir haben uns bisher immer