Sitzung vom 16. Februar 1910 Stadtv. Kaufmann (fortfahrend): ſtehen aber im kraſſen Gegenſatz ſeine anerkennen⸗ den Ausführungen darüber, daß der größere Teil von unſeren Schulden von einigen 120 Millionen, nämlich 84 200 000 ℳ, werbenden Zwecken dient. Meine Herren, wie man werben ſoll und keine Überſchüſſe haben, das verſtehe ich nicht recht. Werbe ich, ſo will ich fberſchüſſe erzielen. Nun kommt ein dritter und letzter Punkt, der an ſich unbedeutend iſt, den ich aber nicht unwider⸗ ſprochen laſſen will. Herr Kollege Hirſch tadelt die ungenügende Fürſorge für Schulen; er ſagt, daß wir nicht die genügende Anzahl hätten, und will das damit beweiſen, daß wir für einen Teil von Schulkindern, die nach Moabit zu wohnen, 1000 ℳ Schulgeld nach Berlin zahlen, weil wir kein Unterkommen für ſie hätten. Meine Herren, das klingt erſchreckend; es iſt aber tatſächlich nicht richtig Sie können nicht in jede Straße eine Schule legen; dieſe 1000 ℳ geben wir aus, um Mädchen den Weg, den ſie bis zur nächſten, nicht allzu weit entfernten Schule zurücklegen müßten, der ſich aber noch nicht in belebter Gegend befindet, nicht bei Nacht und Nebel zurücklegen zu laſſen; des⸗ wegen ſind wir fürſorglich und zahlen das Schul⸗ geld an die Nachbargemeinde. Wir können wegen der 1000 ℳ doch keine Gemeindeſchule dicekt. an die Berliner Grenze ſetzen, zudem wir ja in der Hallerſtraße in der nächſten Nähe ſchon eine Gemeindeſchule haben. Alles übrige verſage ich mir; wir werden im Etatsausſchuß ja des näheren darauf eingehen. Stadtv. Hirſch: Nur ſehr wenige Worte! Die letzten Ausführungen des Herrn Vorredner⸗ ſtimmen nicht ganz. Der Herr Vorſteher ſtellt es uns dar, als wenn wir Kindern eine große Wohltat erweiſen, indem mir ihnen Eeld geben, um die Berliner Schulen zu beſuchen. So ſteht die Sache nicht. Ich verlange nicht, daß in jeder Straße eine Schule ſein ſoll: aber wir haben in dem Stadt⸗ teil jenſeits der Spree nicht die genügende Anzahl von Schulen, und infolgedeſſen ſind die Kinder gezwungen, einen ſehr weiten Weg noch dazu in nicht ſehr ſchönen Straßen zurückzulegen. Sie benutzen daher lieber die Berliner Schulen, und wir bezahlen dafür das Schulgeld, das ja urſprüng⸗ lich auch von den Eltern ſelbſt aufgebracht werden ſollte. Was ich über die Überſchußwirtſchaft der Be⸗ triebe geſagt habe, hat der Herr Vorſteher nicht recht verſtanden; aber ich glaube, es würde zu weit führen, wenn ich hier noch einmal meine Anſicht über die Uberſchußwirtſchaft der Betriebe ausein⸗ anderſetzen wollte. Ich verwahre mich aber da⸗ gegen, daß ich geſagt hätte: unſere Betriebe müſſen glatt ſein. Ich ſtehe auf demſelben Standpunkt, wie die Herren, die ſonſt immer dagegen pro⸗ teſtieren, daß der Staat aus ſeinen Eiſenbahnen und Bergwerken lediglich Überſchüſſe heraus⸗ wirtſchaftet. Herrn Stadtv. Liepmann erwidere ich, daß die Stadt ſelbſtverſtändlich das Recht haben muß, von Grundbeſitzern höhere Steuern einzuziehen, weil ja die Grundbeſitzer diejenigen ſind, die die meiſten Vorteile von den Einrichtungen der Stadt haben. (Sehr gut!) Dazu 49 (Die Beſprechung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt die Einſetzung eines Aus⸗ ſchuſſes von 15 Mitgliedern und 15 Stellvertretern und wählt a) zu ordentlichen Mitgliedern des Ausſchuſſes die Stadtv. Bollmann, Dzialoszynski, Dr Frentzel, Harniſch, Jolenberg, Kaufmann, Klick, Dr Liepmann, Mann, Meyer, Otto, Protze, Schwarz, Dr Stadthagen, Vogel 1; 5) zu ſtellvertretenden Mitgliedern des Aus ſchuſſes die Stadty. Brode, Haack, )r Hubatſch, Jachmann, Jaſtrow, Kern, Dr Landsberger, Litten, Marzahn, Nickel, Scharnberg, Wagner, Wilk, Wöllmer, Zander.) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Ich will mitteilen, daß eine Verſammlung des Ausſchuſſes heute im Anſchluß an die öffentliche Sitzung ſtatt⸗ findet: die nächſte Sitzung, die erſte große Aus⸗ ſchußſitzung, findet dann am 22. Februar, nächſten Dienstag, ſtatt. Die Stadtverordnetenſitzung am 23. Februar fällt aus. Wir haben damit Punkt 15 der Tagesordnung erledigt und kommen nun zu Punkt 16 der Tages⸗ ordnung: Vorlage betr. Zuſchlagserteilung auf die II. Ab⸗ teilung der Anleihe vom Jahre 1908 im Betrage von 20 000 000 ℳ. Berichterſtatter Stadtv. Ruß: Meine Herren, Sie haben am 15. Auguſt 1907 beſchloſſen, eine mit 4% verzinsliche Anleihe in Höhe von 40 Millio⸗ nen Mark aufzunehmen, deren Verwendung Ihnen ſeinerzeit nachgewieſen worden iſt. Am 12. Januar des darauf folgenden Jahres hat die Kgl. Regierung ihre Zuſtimmung, jedoch mit der Einſchränkung erteilt, daß dieſe Anleihe in Abteilungen zu begeben ſei, und am 24. Januar 1908 wurde einem unter Führung der Diskontogeſellſchaft ſtehenden Kon⸗ ſortium der Zuſchlag auf die erſten 20 Millionen zu 97,52% erteilt, einem allerdings außerordentlich niedrigen Kurſe, der jedoch den damaligen Zeit⸗ verhältniſſen entſprach. Heute handelt es ſich um die Begebung der reſtlichen 20 Millionen der zweiten Abteilung der 1908 er Anleihe. Die Kaſſen⸗ und Finanzdepu⸗ tation hat in ihrer Sitzung die Anleihe in der üblichen Weiſe ausgeſchrieben und eine größere Anzahl von Banken aufgefordert, unter den ihnen bekannten Ausſchreibungsbedingungen ihre Offerten abzugeben. Dieſe Offerten ſind heute morgen eröffnet worden und haben folgendes Ergebnis ergeben: Offerten ſind abgegeben worden von der Königlichen Seehandlung, von einem unter Führung der Deutſchen Bank ſtehenden größeren Konſortium und von einem unter Führung der Dresdener Bank und des A. Schaaffhauſenſchen Bankvereins ſtehendem Konſortium. Das letztere hat die höchſte Offerte abgegeben mit 100,91 %. Ich bitte Sie und beantrage, dieſem Konſortium den Zuſchlag zu erteilen (Bravo) mit der Maßgabe, daß von der Stellung einer Sicherheit ſeitens des übernehmenden Konſortiums zurzeit Abſtand genommen wird, der Stadtgemeinde aber das Recht vorbehalten bleibt, jederzeit eine Sicherheit gemäß § 5 der Ausſchreibungsbedin⸗ gungen binnen 24 Stunden zu verlangen.