Sitzung vom 9. März 1910 ſondern ſie legt ſich die Beſuche ſtraßenweiſe zu⸗ ſammen. Wenn ſie täglich 30 Beſuche macht, kann ſie im Monat 900 Beſuche machen; da jede Pflegerin etwa 300 Kinder zu beaufſichtigen haben wird, ſo kann ſie jedes Kind dreimal im Monat aufſuchen. Sie ſehen alſo, daß zwei Damen im Hauptamt in der Lage ſind, das zu erreichen. Es gibt ja bereits eine ganze Reihe von Städten, die dieſe Einrichtung hat. Sie können doch nicht ſagen, daß alle dieſe Städte das bloß zum Ver⸗ gnügen gemacht haben, ſondern ſie ſind offenbar von der Notwendigkeit überzeugt. Ich kann Ihnen dieſe Städte kurz vorleſen. Nach dem Material, das ich hier habe — das aber nicht vollſtändig iſt: es iſt nicht durch Umfrage gewonnen, ſondern nach gedrucktem Material zuſammengeſtellt — ſind ſolche beſoldeten Waiſenpflegerinnen eingeführt in Berlin, Bielefeld, Bonn, Bremen, Chemnitz, Danzig, Dresden, Erfurt, Gotha, Halle, Hamburg, Harburg, Hildesheim, Cöln, Kolmar, Leipzig, Ludwigs⸗ hafen, Mainz, Mannheim, München⸗Gladbach, Neumünſter, Oppeln, Poſen, Regensburg, Rixdorf, Straßburg, Frankfurt a. M., Düſſeldorf. Sie ſehen, daß fa ſt alle großen Städte, dazu übergegangen ſind, beſoldete Kräfte anzu⸗ ſtellen, weil ſie eben mit unbeſoldeten Kräften nicht auskommen können. Es iſt davon geſprochen worden, die Familien⸗ mütter wären die beſten Waiſenpflegerinnen. Nun, meine Herren, eine Anzahl unſerer Waiſen⸗ pflegerinnen hat keine Kinder, (Unruhe; lebhafte Zurufe) und eine Anzahl von ihnen iſt unverheiratet; auf alle dieſe träfe das alſo ſchon nicht zu. Wie ich ſchon ſagte, hat aber auch der Deutſche Verein für Armenpflege und Wohltätigteit, dem die Ver⸗ treter ſämtlicher deutſchen Armenverwaltungen angehören, ſchon vor 8 Jahren mit großer Mehrheit beſchloſſen: es iſt dringend wünſchens⸗ wert, neben den ehrenamtlichen beſoldete Waiſenpflegerinnen ein⸗ z uführen. Meine Herren, wir haben ja auch ſonſt ſchon längſt Schritte nach dieſer Richtung getan. Unſere Wohlfahrtsvereine ſind längſt dazu über⸗ gegangen, beſoldete Kräfte anzuſtellen. Sie ſagen ſich eben: mit bloßen ehrenamtlichen Kräften kommen ſie nicht aus, ſie müſſen beides verbinden, beſoldete und ehrenamtliche Kräfte. Unſere Ver⸗ einigung der Wohltätigkeitsbeſtrebungen z. B. hat einen ganzen Stab ſolcher Kräfte, unſer Jugend⸗ heim ebenſo, und auch wir bei der Stadt ſind ja längſt dazu übergegangen: wir haben uns über⸗ zeugt, daß in der Großſtadt der Einzelvormund im Ehrenamt nicht mehr ausreicht, und wir haben einen Generalvormund eingeführt und ihm einen Stab von 6 oder 8§ Perſonen beigegeben, darunter 4 Damen. Wir haben eben geſehen, daß die Sache nicht mehr allein ehrenamtlich geleiſtet werden kann. Alſo das Prinzip haben wir ſchon durchbrochen, wie es eben überall durchbrochen werden muß, weil es in der Großſtadt auf die Dauer unmöglich iſt, alles nur im Ehrenamt zu machen. Darum halte ich es auch bei uns in Charlotten⸗ burg durchaus für nötig, beſoldete Kräfte für die Waiſenpflege einzuführen. Ob wir das heute oder in vier Wochen machen, iſt gleich. Da Sie im Etatsausſchuß beſchloſſen haben, eine Vorlage ab⸗ zuwarten, ſo ſtelle ich anheim, die Vorlage abzu⸗ 727 warten; aber bis zum Sommer zu warten, um zu ſehen, wie die Sache mit den 10 Damen ſich geſtalten wird, iſt ausgeſchloſſen. Wenn es in dieſem Sommer gelingen ſollte, ſo würde nur der Grund bezüglich des Sommers vielleicht fort⸗ fallen. Es wird aber damit nicht widerlegt, daß es nötig iſt, ſofort einzuſpringen, und alle ſonſtigen Momente, die noch in Frage kommen. Ich bitte nochmals, heute die Summe nicht grundſätzlich abzulehnen, ſondern ſie im Prinzip zu bewilligen. Bürgermeiſter Matting: Meine Herren, dieſe Angelegenheit wurde hier mit einer Empfind⸗ ſamkert behandelt, die mir vollſtändig unverſtändlich iſt. Ich will mich auf das Gebiet des Ratens nicht begeben; ſonſt könnte ich zu Schlüſſen kommen, die ich beſſer nicht zum Gegenſtand der Debatte machen möchte. Ich möchte Sie jedenfalls bitten, meine Herren, dem Antrage des Herrn Stadt⸗ verordneten Bollmann heute nicht zu entſprechen und ruhig die Vorlage des Magiſtrats abzuwarten. Meine Herren, der Beſchluß des Etatsausſchuſſes lautet: Der Magiſtrat wird erſucht, die Deputation für die Waiſenpflege über die Frage der Anſtellung beſoldeter Waiſenpflegerinnen nochmals zu hören und alsdann ev. eine beſondere Vorlage zu machen. Es iſt zwar richtig, daß im Etatsausſchuß auch von den Erfahrungen, die man im Laufe des Sommers machen tönnte, geſprochen worden iſt. Aber von anderer Seite und beſonders auch vom Magiſtrat iſt gerade auch dieſem Geſichtspunkte widerſprochen und ausgeführt worden, daß die Erfahrungen, die wir im Laufe des Sommers machen könnten, ſelbſt wenn ſie günſtig wären, relativ günſtig natürlich, nach dem Maßſtabe der gegenwärtigen Einrichtungen, keinesfalls dazu führen könnten, die grundſätzliche Stellungnahme in der Sache zu ändern. Nun, meine Herren, wir mußten und durften füglich im guten Glauben annehmen, daß Sie dieſen Geſichtspunkten Rechnung tragen wollten dadurch, daß Sie eben eine Friſtbeſtimmung mit dieſer Reſolution nicht verknüpften. Und dann lag es natürlich ſehr nahe, einem Beiſpiel zu folgen, das wir ſchon wiederholt befolgt haben, nämlich die Sache noch möglichſt während der Etatsleſung zur Erledigung zu bringen. Im vorigen Jahre, meine Herren, hatten wir bei Kapitel XIV eine Reihe von Anträgen geſtellt, die dem Etatsausſchuß ebenfalls nicht genügend begründet erſchienen. Der Etatsausſchuß ſetzte die Beſchlußfaſſung ab und erſuchte den Magiſtrat, eine beſondere Vorlage zu machen. Wir haben dieſe Vorlage ſo beſchleunigt, daß ſie Ihnen noch während der Etatsberatungen zuging, und Sie haben dann auf Grund dieſer beſonderen Vorlage die von uns beantragte Poſi⸗ tion bei Kapitel XIV durch den Etat bewilligt. Es lag keine Veranlaſſung vor, diesmal anzunehmen, daß Sie dieſe Angelegenheit anders behandelt zu ſehen wünſchten. Meine Herren, ich möchte noch ein Moment, das mir doch charakteriſtiſch zu ſein ſcheint und wahrſcheinlich auch Sie darüber beruhigen wird, daß tatſächlich eine irrtümliche Auffaſſung unter den Waiſenpflegerinnen Platz gegriffen hatte, die dieſe Beunruhigung in den Kreiſen der Waiſenpflege⸗ rinnen hervorgerufen hat, hervorheben. Sie ſehen