78 Sitzung vom aus dem einen der verleſenen Briefe ausdrücklich, daß den Damen, die ſich auf die Seite der Gegner geſtellt hatten, die Sache ſo dargeſtellt worden iſt, als ob es ſich um eine Kontrolle der unbeſoldeten Waiſenpflegerinnen durch die beſoldeten handeln ſolle. Meine Herren, es iſt im Etatsausſchuß wiederholt ausgeführt worden, daß es ſich darum gar nicht handelt. Das Arbeitsgebiet der beſoldeten und der unbeſoldeten Waiſenpflegerinnen iſt voll⸗ ſtändig voneinander getrennt, indem die beſoldeten Waiſenpflegerinnen die Säuglinge, d. h. die Kinder bis zum zweiten Lebensjahre haben ſollen und die unbeſoldeten, die ehrenamtlichen Waiſenpflegerinnen alle Kinder, die über dieſes Alter hinaus ſind. (Rufe: Na alſo!) Von irgendeiner Kontrolle, von irgendeinem Miß⸗ trauen gegen die Waiſenpflegerinnen iſt auch nicht entfernt die Rede. Daraus, meine Herren, wird ſich auch ergeben, daß Erfahrungen, die etwa in dieſem Sommer gemacht werden könnten, tatſächlich relativ belang⸗ los ſein werden. Der Dezernent ſteht eben auf dem Standpunkt, daß unter allen Umſtänden, und zwar nicht nur während des Sommers, ſondern das ganze Jahr hindurch, dieſe Trennung der Waiſenpflege und der Aufſicht über die Waiſenkinder durch⸗ geführt werden muß, und hat ſehr ſachliche Gründe dafür, die vielleicht bei einer ſpäteren Gelegenheit eingehend beleuchtet werden ſollen. Daß man unter Umſtänden mit dem gegenwärtigen Syſtem auch noch dieſen Sommer hindurchkommen würde, vor allen Dingen, wenn nunmehr die ehren⸗ amtlichen Waiſenpflegerinnen in größerer Anzahl während des Sommers ſich zur Verfügung geſtellt haben würden, wird nicht in Abrede geſtellt werden können. (Stadtv. Dr Stadthagen: Hört hört!) Das hindert aber durchaus nicht, daß das andere Syſtem weſentlich beſſer iſt und größere Garantien für eine geordnete Waiſenpflege bietet. Und wenn der Dezernent auf dem Standpunkt ſteht, daß er wegen der Wohlfahrt der ihm anvertrauten Säug⸗ linge derartige Anträge bei Ihnen zu ſtellen hat, ſo iſt es ſeine Pflicht, derartige Anträge mit aller Energie zu vertreten, und es iſt auch die Pflicht des Magiſtrats, der ſich auf ſeinen Standpunkt geſtellt hat, dieſe Anträge Ihnen zu unterbreiten und ſie mit Nachdruck zu verfolgen. Wenn Sie dieſe Anträge ablehnen, dann haben der Magiſtrat und der Dezernent ihre Schuldigkeit getan, dann tragen Sie die Verantwortung für die Maßnahmen, die dadurch bedingt werden. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, ich hätte gewünſcht, daß der Magiſtrat in einer der⸗ artigen allerdings grundſätzlich wichtigen, aber doch ſonſt nicht ſo umfaſſenden Angelegenheit nicht Ver⸗ anlaſſung zu derartigen Debatten gegeben hätte. (Stadtv. Bollmann: Sehr richtig!) Ich glaube, nachdem der Etatsausſchuß ſich doch weſentlich auf den Standpunkt geſtellt hat, die Waiſendeputation ſolle nochmals die Angelegen⸗ heit eingehend prüfen — das hat wohl im Sinne aller Herren gelegen, die dieſem Antrage zugeſtimmt haben —, (Berichterſtatter Stadtv. Klick: Sehr richtig!) war es wohl nicht richtig, vor der heutigen Sitzung bereits die Deputation einzuberufen. Es iſt unter dieſen Umſtänden jedenfalls nicht richtig geweſen, daß nicht einmal abgewartet wurde, wie ſich die 9. März 1910 Stadtverordnetenverſammlung zu der Sache ſtellen würde. Nun, meine Herren, ſind ja leider von dem Herrn Dezernenten — ich bedauere das auch — Einzelheiten vorgebracht worden, wie die einzelnen Mitglieder der Deputation geſtimmt haben. Wenn das von ſeiten des Magiſtrats geſchieht, ſo ſehe ich mich genötigt, als der auf der Gegnerſeite ſtehende Stadtverordnete auch meinerſeits etwas darüber mitzuteilen, und da kann ich nur mitteilen, daß ein Stadtverordneter gefehlt hat, der, ſoviel mir bekannt iſt, Gegner iſt. (Stadtrat Samter: Sie waren alle da!) — Nein, ein Stadtverordneter war nicht da, der auf meinem Standpunkt ſteht. (Stadtrat Samter: Sie waren alle vier da!) — Herr Stadtrat Samter, ich habe eben in dem grauen Buch nachgeſehen: Herr Kollege Schwarz iſt Mitglied der Waiſenpflege⸗Deputation. (Zuruf: Iſt durch den Stadtv. Guttmann erſetzt!) — Dann habe ich mich geirrt. Ich möchte aber darauf aufmerkſam machen, daß unter den Ma⸗ giſtratsmitgliedern, die geſtimmt haben, ein Mit⸗ glied iſt, von dem ich genau weiß, daß es bei der erſten Beratung nicht nur für meinen Antrag geſtimmt, ſondern auch dafür geſprochen hat. Geſtern, meine Herren, hat dieſes Deputations⸗ mitglied für den Magiſtratsantrag geſtimmt, weil es nunmehr ein Magiſtratsantrag war — das nehme ich wenigſtens an; denn neues Material iſt nicht vorgebracht. Meine Herren, in dieſer Weiſe iſt der Beſchluß zuſtande gekommen. Hätte dieſer Herr frei geſtimmt, dann wären eben 5 gegen 5 geweſen, dann wäre die Situation ſchon eine andere. Nun iſt behauptet worden, Herr Kollege Bollmann könnte nicht für die Waiſenpflegerinnen oder deren Majorität ſprechen; die Majorität ſtände auf einem anderen Standpunkt — wurde ſogar vorhin von dem Herrn Dezernenten behauptet, wenn ich recht gehört habe. Uns iſt mitgeteilt worden — das iſt auch durch die Zeitungen ge⸗ gangen —, daß 76 oder eine ähnliche Zahl Waiſen⸗ pflegerinnen gegen 10 unſeren Standpunkt ein⸗ genommen haben. Nun mag es ja ſein, daß einige die Sache nicht richtig verſtanden haben und nun⸗ mehr auf Aufforderung hin erklärt haben: wir ſind falſch berichtet worden; das mag ſein. Aber von einer großen Majorität zu ſprechen — dazu hatte meines Erachtens Herr Kollege Bollmann voll⸗ kommene Berechtigung. Nun, meine Herren, möchte ich aber auch bei dieſer Sachlage meinen, daß es in der Tat richtig iſt, wenn die Stadtverordnetenverſammlung nunmehr dieſen Antrag fallen läßt. Es hat ja kaum mehr Zweck: eine Vorlage kann der Magiſtrat uns immer machen, das können wir nicht verhindern, und wir werden dann die Vorlage beraten müſſen. Daß aber im Sinne des Etatsausſchuſſes eine ein⸗ gehende Beratung ſtattgefunden hat und ein⸗ gehende Feſtſtellungen gemacht ſind — das iſt nicht geſchehen. Und da komme ich kurz auf die Sache. Es wird weſentlich darauf hingewieſen, daß die zwei Pflegerinnen im Sommer unbedingt nötig wären, um die Säuglinge zu behandeln. Es iſt geſagt worden: die Säuglinge ſollen unbedingt zweimal wöchentlich im Sommer beſucht werden: macht zuſammen, da wir 600 Säuglinge haben, 1200 Beſuche, kommen auf jede Waiſenpflegerin pro Woche 600 Beſuche. Ich nehme an, daß ſie nicht Sonntags auch gezwungen werden zu