Sitzung vom 9. März 1910 arbeiten, macht alſo pro Tag 100 Beſuche. Nun iſt von der Deputation auch davon geſprochen worden, wie lange ſolcher Beſuch dauert. Die Anſichten waren geteilt; ein Kollege hat darauf hingewieſen, daß er wohl 30 Minuten dauern würde mit dem Wege; von Magiſtratsſeite wurde geſagt: nein, 10 Minuten genügen vollkommen. Bedenken Sie: eine ordentliche Prüfung des Säuglings mit dem Wege in 10 Minuten! Aber ich gebe Ihnen zu, Sie mögen Recht haben, daß 10 Minuten genügen. Dann kommen an einem Tage heraus 1000 Minuten, durch 60 dividiert ſind das 16% Stunden. Di e Waiſenpflegerin möchte ich m al ſehen, die das den Sommer Kb er a us h ält. (Sehr richtig!) Ich glaube doch, daß ſtatt der zwei Waiſen⸗ pflegerinnen die 10 unbeſoldeten, die ſich zunächſt gemeldet haben, mit Unterſtützung von anderer Seite dieſes Penſum doch ganz erheblich eher ſchaffen können als dieſe zwei Damen. Nun wird darauf hingewieſen — und es wird im Laufe der Debatte vielleicht noch mehr geſchehen —, daß natürlich beſoldete Pflegerinnen immer beſſer ſind als die unbeſoldeten. Darüber ſind die Anſichten geteilt. Man kann zugeben, daß eine beſoldete Pflegerin im Hauptamt ſich natürlich der Sache intenſiver widmen kann als eine ehrenamtliche Pflegerin, der noch andere Pflichten obliegen. (Hört, hört!) —mag man das zugeben bis zu einem gewiſſen Grade! Es muß aber auch zugegeben werden, daß die ver⸗ heirateten Pflegerinnen beſſer in der Lage ſind, die Sache zu beurteilen. Iedenfalls lieg t kein Grund vor, in dieſem Moment ſo vorzugehen, namentlich nach den jetzigen Vorgängen. Es wird behauptet, die Säuglingsſterblichkeit wäre ſo hoch. Nun, meine Herren, die amtlichen Nachrichten der Armenverwaltung vom November vorigen Jahres beſagen: nur 3 von den 47 Groß⸗ ſtädten weiſen im Jahre 1908 eine noch geringere Säuglingsſterblichkeit auf — nur 3 von den 47 Groß⸗ ſtädten! Und nun wird geſagt: wir können es nicht mehr verantworten, dieſen Sommer zu warten! Und, meine Herren, von dieſen 47 haben die meiſten wohl beſoldete Waiſenpflegerinnen — trotzdem iſt dort die Säuglingsſterblichteit größer. Allerdings gebe ich zu; die Verhältniſſe ſind andere: ſelbſt⸗ verſtändlich. Bei manchen Städten werden die Verhältniſſe ungünſtiger ſein als bei uns, bei manchen aber auch weſentlich günſtiger, weil darunter auch erheblich kleinere Städte ſich be⸗ finden: denn wir ſind nicht die 44. unter den großen Städten, ſondern die 11. oder 12.: alſo die meiſten ſind kleinere Großſtädte, die doch an ſich günſtigere Verhältniſſe haben. 7 Nun möchte ich auf einen Punkt eingehen, den Herr Stadtrat Samter ausgeführt hat. Er hat geſagt: er könnte die Damen hinſchicken. Meine Herren, ich weiß nicht, ob es gerade ſehr geſchickt iſt, dieſes Moment hier ſo ſehr in die Debatte zu werfen. Das verletzt — muß verletzen — die Damen, die in der ehrenamtlichen Tätigkeit ſind, und ich möchte bitten, lieber derartige Bemerkungen ganz zu unterlaſſen. Nun wurde auch darauf hingewieſen, daß die Arzte es beſſer finden, wenn die Säuglinge unter beſoldeten Pflegerinnen ſtehen. Ja, meine Herren, 79 wenn Sie unter den Arzten Umfrage halten, ob die Waiſenkinder über 2 Jahren beſſer unter beſoldeten als unter im Ehrenamt tätigen Damen ſtehen, die vielleicht manchmal verhindert ſind, dann werden Sie vielleicht auch da ſo urteilen. Aber ich meine, wir haben genügend getan, wenn wir unter den Großſtädten an der dritten Stelle marſchieren. Nun aber weiter. Die Gegner des Magiſtrats⸗ antrages haben ſich durchaus nicht auf ihren Stand⸗ punkt verſteift. Ich habe geſtern — es iſt ja ſo viel über die Deputation geredet — dort einen Ver mittlungsvorſchlag gemacht und geſagt: trotzdemich grundſätzlicher Gegner der Einſchränkung der ehrenamt⸗ lichen Tätigkeit bin, will ich mir die Sache noch eingehend über⸗ legen und werde vielleicht i m Herbſt auf Grund der Erfahrungen im Sommerzu einem zuſtimmenden Votum kommen; nachdem ſich die Pflegerinnenbereiterklärt haben, in dieſem Sommer ſtärker zu ar⸗ beiten, verſuchen Sie es z u n äch ſt, und dann wollen wir im Herbſt uns noch einmal ſprechen. Dieſer Vorſchlag wurde einfach abgelehnt, und ich weiß nicht, ob das dem Sinne des Etatsausſchuſſes entſpricht. Ich bitte Sie, dem Antrage des Herrn Kollegen Bollmann zu folgen. Stadtv. Guttmann: Meine Herren, es wird mir nicht leicht, mich entſchieden gegen den Stand⸗ punkt zu wenden, den mein Freund Bollmann, und den auch jetzt Herr Kollege Stadthagen vertreten hat. Ich bitte Sie, den Antrag, den Herr Kollege Bollmann eingebracht hat, nicht anzunehmen. Dieſe Bitte fällt mir nicht leicht, weil ich auch die Überzeugung habe, daß man auf unbeſoldete Ehren⸗ beamte Rückſicht zu nehmen hat, und weil die Miß⸗ ſtimmung, die in dieſen Kreiſen herrſchen ſoll, immerhin Beachtung verdient. Wenn dieſe Miß⸗ ſtimmung aber, wie ich die Uberzeugung gewonnen habe, auf Mißverſtändniſſen beruht, wenn ſie un⸗ berechtigt iſt, ſo kann mich das nicht beſtimmen, nicht ſachlich zu handeln. (Sehr richtig!) Es iſt zu geſtern eine Deputationsſitzung ein⸗ berufen worden, die hier in formaler Hinſicht ange⸗ griffen worden iſt. Der Herr Bürgermeiſter hat Präzedenzfälle aus früheren Jahren genannt, wo auf Grund von Beſchlüſſen des Etatsausſchuſſes, gerade während die Sache noch ſchwebte, Sitzungen abgehalten worden ſind und das neue Material dann vorgetragen worden iſt. (Stadtv. Bollmann: Das waren ganz andere Fälle!) Ich will mich aber darauf gar nicht weiter einlaſſen; denn es erſcheint mir gleichgültig, ob der Magiſtrat geſtern die für ihn ſachverſtändige Deputation gehört hat, oder ob er das in vier Wochen tut. Das iſt keine Verletzung des Rechtes der Stadtverordneten⸗ verſammlung, wenigſtens nach meiner Auffaſſung nicht. (Bravo!) Das iſt das Formale. Nun, meine Herren, iſt hier ſoeben über die geſtrige Sitzung geſprochen worden. Ich habe an dieſer Sitzung auch teil genommen, und nachdem hier Details verhandelt worden ſind, muß ich darauf