82 die Poſition vielleicht geſtrichen worden, ohne eine ſolche vermittelnde Reſolution zu faſſen, — vielleicht auch nicht, ich weiß es nicht genau. Jedenfalls wurde dieſe Reſolution gefaßt einerſeits, um Spiel⸗ raum zu geben, und dann auch — wenigſtens wünſchte ich das —, damit die Gemüter Zeit hätten, ſich etwas zu beruhigen, die Gemüter, die vielleicht allzu leidenſchaftlich erregt worden waren in dem Glauben, daß der Selbſtverwaltung oder der ehren⸗ amtlichen Tätigkeit Abbruch geſchehen ſoll. Nun, meine Herren, dieſe Reſolution wurde angenommen, und die Reſolution ſagte: der Magiſtrat wird er⸗ ſucht, die Deputation für die Waiſenpflege nochmals zu fragen und alsdann eventuell eine Vorlage zu machen. Gewiß, meine Herren, Herr Bürger⸗ meiſter Matting hat ja Recht: es mag noch Präze⸗ denzfälle gegeben haben. Aber ich frage den Magiſtrat, ob es klug war, in dieſem Augenblick in ſo überſtürzter Schnelligkeit die Deputation einzuberufen (Sehr richtig!) und bei den Opponenten den Verdacht zu erwecken, als wollte er tabula rasa machen und allzuſchnell ihren Widerſtand beſeitigen. Meine Herren, wir haben, ich muß ſagen, ſehr ſelten einmal Gelegen⸗ heit gehabt, daß ein Beſchluß von Stadtverordneten ſo ſchnell vom Magiſtrat in die Tat umgeſetzt wurde! (Sehr richtig!) Es iſt ja noch gar nicht einmal ein Beſchluß der Stadt⸗ verordnetenverſammlung, ſondern die Angelegen⸗ heit mußte von Rechts wegen erſt dieſes Plenum paſſieren. Ich meine, es wäre richtiger geweſen, wenn dieſe Deputationsſitzung nicht ſo ſchnell ein⸗ berufen worden wäre. Und was war der Sinn der Reſolution, die gefaßt wurde? Ich muß Herrn Dr Stadthagen recht geben: ſie verfolgte den Zweck, noch einmal eingehende Erhebungen anzuſtellen und Beratungen zu pflegen unter Zuziehung der Waiſenpflegerinnen, denen Herr Stadtrat Samter noch einmal ſeinen Standpunkt klarlegen und die er vielleicht von der Richtigkeit ſeines Standpunktes überzeugen konnte. Kurz, ich finde es taktiſch nicht richtig, daß der Magiſtrat in ſo überſtürzter Weiſe die Gelegenheit zur heutigen Debatte hervor⸗ gerufen hat. Und ſo bitte ich auch den Antrag des Kollegen Bollmann zu verſtehen. Der Antrag Bollmann — und unſere Fraktion hat in der überwiegenden Majorität ſich geſtern zu dieſem Antrage bekannt — hat den Zweck, zu erkennen zu geben, daß wir nicht eine überſtürzte Behandlung der Angelegen⸗ heit wünſchen, ſondern ruhig einige Monate ver⸗ gehen laſſen wollen, bis nochmals Verhandlungen in der Deputation für Waiſenpflege — unter Hinzu⸗ ziehung der Waiſenpflegerinnen und auch unter Berückſichtigung des Rates, den Herr Kollege Gutt⸗ mann vorher gegeben hat — gepflogen ſind. Meine Herren, ich glaube, es wird zweckmäßig ſein, wenn man die Gemüter beruhigen will, wenn man nicht die Gefahr heraufbeſchwören will, die hier ſchon angedeutet iſt, daß man den Antrag Bollmann annimmt. Dberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Her⸗ ren, im Ausſchuß haben wir ſachlich verhandelt. Die verſchiedenen Anſichten ſind zur Geltung ge⸗ kommen, und wir haben uns in ruhiger Weiſe und nach eingehender Debatte auf den Antrag geeinigt, daß der Magiſtrat erſucht wird, zunächſt die Depu⸗ tation für die Waiſenpflege nochmals zu hören und Sitzung vom 9. März 1910 dann eventuell eine Vorlage zu machen. Ruhig und ſachlich iſt der ganze Beſchluß erörtert und gefaßt. Im Gegenſatz dazu hat heute der Antragſteller, Herr Stadtverordneter Bollmann, in recht erregter Form geſprochen und hat einen ganz kraſſen An⸗ trag geſtellt, der die ruhig erfolgte Einigung über den Haufen werfen und das Kind mit dem Bade ausſchütten will und die 3060 ℳ einfach ſtreicht. Mir will ſcheinen, meine Herren, als ob das ein Entſchluß iſt, der doch etwas ab irato gefaßt iſt; er hat ſich geärgert, die anderen Herren auch, und nun ſagen ſie nach dem Prinzip jenes Jungen, der da ausruft: „Meinem Vater iſt ganz recht ge⸗ ſchehen, wenn mir die Hände erfrieren; warum kauft er mir keine Handſchuhe!“ —: (Unruhe) nun wollen wir alles ſtreichen! (Aha!) Ich möchte davor warnen, meine Herren, in ſo wichtigen Dingen, die doch von ernſter, weitragen⸗ der Wirkung ſind, Entſchlüſſe ab irato zu faſſen. Laſſen Sie uns doch bei dem ruhigen Ton der Ver⸗ handlungen bleiben, den wir in der Etatsausſchuß⸗ ſitzung angeſchlagen haben, und laſſen Sie uns unſere Entſchlüſſe in ruhiger Erwägung faſſen! Und ſo möchte ich zunächſt einmal mit Ihnen prüfen, meine Herren: iſt wirklich ein Anlaß vor⸗ handen für die Mitglieder der Etatskommiſſion, über den Entſchluß des Magiſtrats in Erregung zu kommen und ſich zu ärgern? Da bitte ich, noch einmal den Wortlaut zu betrachten: Der Magiſtrat wird erſucht, die Depu⸗ tation für die Waiſenpfleger über die Frage der Anſtellung beſoldeter Waiſenpflege⸗ rinnen nochmals zu hören und als⸗ dann eventuell eine beſondere Vorlage zu machen. Nun, meine Herren, nur das iſt beſchloſſen, und gegen dieſen Beſchluß hat der Magiſtrat nichts getan, was die Herren, die dieſen Beſchluß gefaßt habne, irgendwie verletzen könnte. Es iſt nun eingewendet worden, im Etats⸗ ausſchuß ſei auch beſchloſſen, der Magiſtrat ſollte warten, bis die Erfahrungen des Sommers vor⸗ liegen. Das iſt falſch, meine Herren! Das iſt zwar von Herrn Stadtverordneten Bollmann gewünſcht worden, und der Herr Stadtverordnete Stadthagen hat ſogar einen bezüglichen Antrag in der Etats⸗ kommiſſion geſtellt, aber dieſer Antrag i ſt abgelehnt worden. Alſo die Etats⸗ kommiſſion hat in ihrer Majorität ausdrücklich feſt⸗ geſtellt: wir wollen nicht warten, bis der Sommer vorüber iſt, — und aus einem ganz guten Grunde. Im Sommer iſt die Säuglingsſterblichkeit am höch⸗ ſten, und wir wollten nicht unter den weiteren Er⸗ wägungen die armen Kinder leiden laſſen — das iſt von mir, wenn ich mich recht erinnere, ſogar ausdrücklich ausgeführt worden —; wir wollten nicht die armen Geſchöpfe leiden laſſen, die an ſich ſchon in ſchlechter Poſition ſind, indem ſie in den Kampf des Lebens als uneheliche Kinder eingetreten ſind; wir wollten nicht, daß ſie noch weiter leiden ſollen darunter, daß wir langſam in unſeren Entſchlie⸗ ßungen ſind; wir wollten verhüten, daß uns im Sommer wieder noch mehr Kinder zugrunde gehen, von denen wir uns ſagen müßten: wenn wir unſere Einrichtungen früher getroffen hätten, hätten wir dieſe Kinder am Leben behalten. Das wollten wir nicht. Deshalb haben Sie in dem Etatsausſchuß