Sitzung vom 9. März 1910 dieſe Anregung, die Erfahrungen des Sommers abzuwarten, abgelehnt. Dieſer Wortlaut der Reſolution hinderte alſo den Magiſtrat gar nicht — wir ſind alle überraſcht geweſen, daß Sie darin eine Verletzung der Mit⸗ glieder der Etatskommiſſion ſehen —, daß wir ſchleunigſt in der Sache, die wir für ſehr wichtig erachten, in der wir eine große Verantwortung übernehmen, das ausgeführt haben, was Sie in der Etatskommiſſion wünſchen. Aber der Magiſtrat kann machen, was er will — er hat immer Unrecht! Vorher haben Sie uns geſagt: der Magiſtrat hat die Wünſche der Stadtverordneten nicht genügend raſch ausgeführt; hier wird geſagt: er hat ſie zu raſch ausgeführt! Man kann zwar über die Zweck⸗ mäßigkeit, ob ſo oder ſo hätte verfahren werden ſollen, verſchieden denken; aber eine Verletzung der Etatskommiſſion liegt doch jedenfalls nicht darin, wenn der Magiſtrat den Anforderungen der Etats⸗ kammiſſion ſo raſch wie möglich entſpricht, im Gegenteil, eine Hochachtung vor dem Beſchluß der Etatskommiſſion! (Heiterkeit.) Ja, in der Tat! Denn die Etatstommiſſion hatte den Magiſtrat erſucht, die Frage noch einmal zu erörtern, die Waiſendeputation zu hören und eventuell eine Vorlage zu machen, wenn er dabei bleibt. Und da wir die Sache für wichtig hielten, haben wir das ſo raſch wie möglich gemacht. Ich möchte alſo die Herren Mitglieder der Etatskommiſſion, die Herrn Bollmann zu⸗ ſtimmten, bitten, in jedem Fall ihm darin nicht zu folgen, wenn er meint, daß ein verletzendes Vor⸗ gehen des Magiſtrats vorliege, gegen das ſein An⸗ trag ſich als ein ſcharfer Proteſt darſtelle. Weder iſt es unſere Abſicht geweſen, die Etatskommiſſion zu verletzen, noch haben wir es tatſächlich getan. Dies bitte ich als einen Grund zu betrachten, um die Sache ruhig zu behandeln. Von einer überſtürzten Behandlung der Sache — das möchte ich dem letzten Redner, Herrn Wöllmer, ſagen — kann nicht die Rede ſein. Über⸗ ſtürzt hätte ſie ſein können, wenn Ihnen heute eine Vorlage des Magiſtrats vorläge. Wir haben ja nur den erſten Schritt getan, wir haben erſt die Waiſen⸗ deputation gehört, wie Sie es verlangten, und in der Waiſendeputation iſt die Frage, wie Herr Stadt⸗ verordneter Guttmann heute beſtätigt hat, ſehr ein⸗ gehend erörtert worden. Was für andere Erörte⸗ rungen ſollen wir noch in der Waiſendeputation anſtellen, als daß das ganze vorliegende ſtatiſtiſche Material, das der Herr Dezernent in ſeiner lang⸗ jährigen reichen Amtstätigkeit bearbeitet und zu⸗ ſammengeſtellt hat, noch einmal durchgeſprochen wird? Die Erfahrungen des Sommers wollen wir nicht abwarten, damit uns nicht Kinder ſterben, die wir ſonſt retten könnten. Und nach dem erſten Schritt, den der Magiſtrat gemacht hat, wird er den zweiten Schritt tun: wir werden die Waiſenpflegerinnen h öre n, auch die, die noch dagegen ſind. Und da⸗ mit, meine Herren, komme ich auf die Sache ſelbſt zu ſprechen — nicht bloß auf die Form der Be⸗ handlung, wovon ich vorher geſprochen habe. Meine Herren, vor den ehrenamtlichen Waiſen⸗ pflegerinnen haben wir eine große Hochachtung und erkennen ihre Tätigkeit mit aufrichtigem Danke an — ich kann mich durchaus den Worten anſcchließen, die Herr Stadtverordneter Zietſch vorher ausge⸗ ſprochen hat —, und wenn die Damen mit Recht 83 gegen den Beſchluß des Magiſtrates vorgehen, wür⸗ den auch wir bedenklich ſein. Aber, meine Herren, es iſt ja bereits feſtgeſtellt, daß die Damen ſich in einem fundamentalen Irrtum befunden haben, daß ſie geglaubt haben, ſie ſollten in ihrer ehrenamt⸗ lichen Tätigkeit durch dieſe beiden beſoldeten Pflege⸗ rinnen kontrolliert werden. Das iſt ein fundamen⸗ taler Irrtum! Sie ſollen nicht kontrolliert werden — das iſt hier ſchon ausgeführt —; die beſoldeten Pflegerinnen ſollen ihnen vielmehr helfen, die Tätigteit ſoll gemeinſam ſein, ſie ſollen ſich ge jen⸗ ſeitig unterſtützen und ergänzen. Meine Herren, es wird uns ganz im Sinne des Wunſches des Herrn Stadtverordneten Guttmann daran liegen, daß wir verſuchen werden, die ehrenamtlichen Waiſenpflegerinnen zu überzeugen, daß ſie ſih in einem Irrtum befinden, um dadurch ihre Empfind⸗ lichkeit zu beſeitigen. Denn auch ich teile den Wunſch, daß die Damen aus dieſer Erörterung der Dinge nicht mit einer Empfindlichkeit herausgehen. Nun, meine Herren, müſſen Sie doch ſagen, daß dieſe Sache ſelbſt von ungeheurer Bedeutung iſt. Es iſt ein recht dunkler Punkt in unſerer Armen⸗ pflege, daß in der Säuglingsſterblichkeit die unehe⸗ lichen Säuglinge die doppelte Zahl ſtellen gegen⸗ über den Säuglingen, die aus ehelicher Gemein⸗ ſchaft hervorgegangen ſind. Das iſt eine Sache, die wir doch, nachdem ſie uns bekannt geworden iſt, nachdem der Armendezernent pflichtgemäß dar⸗ auf aufmerkſam gemacht hat, mit allem nötigen Ernſt verfolgen müſſen, bei der wir die Entſchei⸗ dung nicht auf die lange Bant ſchieben dürfen. Sie übernehmen und wir mit Ihnen eine große Ver⸗ antwortung, wenn wir das täten. Man könnte uns mit Recht, wenn im nächſten Sommer die eklatanten Fälle vorkommen, zurufen: weshalb habt ihr nicht vorſichtig früh genug die Augen ge⸗ öffnet und Maßregeln getroffen? Alſo es liegt eine ſo ernſte Sache vor, daß es gut iſt, wenn wir alle perſönliche Empfindlichkeit ausſcheiden und unſer Augenmerk nur auf die Sache richten. Da nun nachgewieſen iſt, daß in einer ſehr großen Reihe von Städten dieſe Einrichtung der beſoldeten Waiſenpflegerinnen ſehr ſegensreich ge⸗ wirkt hat, da wir wiſſen, daß in unſerer Nachbar⸗ ſtadt Rixdorf dieſe Einrichtung ſeit Jahren beſteht und mit reichem Segen und großem Erfolge zur Ausführung gelangt iſt, — bei dieſer Sachlage muß ich die dringende Bitte an Sie richten: ſtreichen Sie die 3060 ℳ nicht ein für allemal, ſondern nehmen Sie den Einigungsantrag des Ausſchuſſes an und überlaſſen Sie es uns, Ihnen eine Vorlage zu machen, in der wir Ihnen die einzelnen Ver⸗ hältniſſe eingehend auseinanderſetzen. Und dann beraten Sie nachher auf Grund dieſer Vorlage voll⸗ ſtändig ruhig und ohne Überſtürzung! Wir werden dann den richtigen Weg finden, während wir, wenn Sie heute, meine Herren, dem Antrage Bollmann zuſtimmen, uns vielleicht nachher doch ſagen müſſen: wir haben etwas in der Erregung beſchloſſen, und wir haben der Sache damit nicht gedient. (Bravo!) Stadtv. Bollmann: Meine Herren, es iſt hier von verſchiedenen Rednern über den Ton ge⸗ ſprochen worden, den ich angeſchlagen habe. Herr Stadtrat Samter hat von dem Ton geſprochen, der überhaupt hier noch niemals geführt worden ſei. Herr Kollege Zietſch hat von einem begeiſterten Ton geſprochen, Herr Oberbürger⸗