84 Sitzung vom 9. März 1910 meiſter von dem erregten Ton. Meine Herren, ich habe den Ton angeſchlagen, den iſch für ubtig 9ielt, um eine ſo wichtige Sache hier zu vertreten. Im übrigen bitte ich auch Herrn Stadtrat Samter, gefälligſt davon Kenntnis zu nehmen, daß ich namens meiner Fraktion geſprochen habe (Rufe: Mehrheit!) — der großen Mehrheit meiner Fraktion geſprochen habe. Es iſt mir gar nicht eingefallen, namens der Waiſenpflegerinnen zu ſprechen. Ich habe nur betont, daß der damalige Beſchluß mit 62 gegen 10 Stimmen gefaßt worden iſt, und das war die große Mehrheit der anweſenden Waiſenpflegerinnen. Die beiden von Herrn Stadt⸗ rat Samter verleſenen Briefe bedeuten gar nichts. Bei der Abſtimmung der Waiſenpflegerinnen konnten die Damen ihre abweichende Meinung zur Geltung bringen. Es iſt wohl mit Beſtimmtheit anzunehmen, daß ſämtliche Damen, welche die Anſicht des Herrn Stadtrat Samter teilten, — alſo die Minderheit — auch mit ihrer Meinung nicht zurückgehalten haben. Nun möchte ich noch eines hier aufklären. Es hat anſcheinend der Irrtum hier Platz gegriffen, als ob die Säuglinge nur allein von den Waiſen⸗ pflegerinnen beaufſichtigt werden. Meine Herren, die Säuglinge werden beaufſichtigt vom Waiſen⸗ rat, durch die Waiſenvflegerinnen, vom Stadtarzt, von der Säuglingsfürſorgeſtelle und der Säuglings⸗ fürſorgeſchweſter und hin und wieder auch von den Beamtinnen des Pflegeſtellenweſens. Ich meine, wir haben uns tatſächlich bezüglich unſerer ſozialen Fürſorge keinen Vorwurf zu machen, ſo daß wir tat⸗ ſächlich auch wegen unſerer beſchränkten Mittel mal eine abwartende Stellung ein⸗ nehmen können. Ich bitte Sie deshalb, unſeren Antrag an⸗ zunehmen, und zwar aus den Gründen, die Herr Kollege Wöllmer richtig angeführt hat, nur damit wir den Waiſenpflegerinnen Beruhigung ſchaffen und dokumentieren, daß wir mit den überſtürzt getroffenen Maßnahmen nicht einverſtanden ſind. Der Herr Bürgermeiſter ſprach von beſonderen Gründen. Ich möchte den Herrn Bürgermeiſter dringend bitten, zu ſagen, welſcche Gründe er meint, die mir Veranlaſſung gegeben hätten, daß ich hier die Sache vertrete. Ich kann mit gutem Gewiſſen behaupten, daß es nur gute Gründe geweſen ſind, die mich bewogen haben. Mehrere Waiſenpflegerinnen haben ſich be⸗ ſchwerdeführend an mich gewandt, ich habe dieſe Beſchwerden geprüft und für berechtigt gehalten, und es iſt nicht nur mein Recht, ſondern auch meine Pflicht, das hier zur Sprache zu bringen, was ich für recht halte. Das habe ich getan. Herr Kollege Zietſch irrt ſich, wenn er ſagt, ich wollte überhaupt niemals beſoldete Waiſen⸗ pflegerinnen anſtellen. Ich habe nur geſagt: ich will die Erfahrungen des Sommers abwarten, und wenn es ſich dann als unmöglich erweiſt, ohne beſoldete Waiſenpflegerinnen auszukommen, dann bin ich der letzte, der dagegen ſtimmen würde; ich würde dann ohne weiteres beſoldete Waiſen⸗ pflegerinnen akzeptieren. Aber ich bin der Meinung: wir ſind es unſeren langjährigen unbeſoldeten Waiſenpflegerinnen ſchuldig, daß wir zeigen, daß wir ihre Tätigkeit anerkennen. Stadtrat Samter: Ich will Herrn Stadt⸗ verordneten Bollmann nur wenige Worte erwidern. Herr Stadtverordneter Bollmann hat ſich den Ton, den ich eingeſchlagen habe, verbeten und darauf hingewieſen, daß er namens der Fraktion ge⸗ ſprochen hätte. Meine Herren, ich kann nicht an⸗ nehmen, daß die Fraktion auch den Ton des Redners beſtimmt, und ich kann nicht annehmen, daß ſie mit dem Ton, den Herr Statdverordneter Bollmann angeſchlagen hat, einverſtanden iſt. (Zurufe.) Dann hat Herr Stadtv. Bollmann eben wieder⸗ holt: die Waiſenpflegerinnen haben ſich an ihn gewendet; er hat alſo auch jetzt noch geſagt: er habe namens der Waiſenpflegerinnen geſprochen. Ich habe nochmals zu wiederholen, daß Herr Stadt⸗ verordneter Bollmann nicht berechtigt iſt, namens der Waiſenpflegerinnen zu ſprechen, ſondern nur namens der kleineren Zahl der Waiſenpflegerinnen, die in dem Verein der Waiſenpflegerinnen ver⸗ einigt ſind oder ſich ſonſt an ihn gewendet haben. Ich kann nun mitteilen, daß wir vor 4 Wochen eine Verſammlung der Waiſenräte und Waiſen⸗ pflegerinnen gehabt haben, an dieſer Verſammlung haben etwa 100 Waiſenpflegerinnen teilgenommen, und in dieſer Verſammlung iſt von einem Waiſenrat und einer Waiſenpflegerin auch über die beſoldeten Pflegerinnen referiert worden. Beide haben erklärt, daß Charlottenburg rückſtändig hier ge⸗ blieben iſt, und die dringende Notwendigkeit be⸗ ſoldeter Kräfte betont. Von allen den hundert Waiſenpflegerinnen hat ſich auch nicht eine da⸗ gegen erhoben. Ich glaube alſo, daß die Waiſen⸗ pflegerinnen ſich überzeugt haben werden, daß ſie in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit durchaus nicht beeinträchtigt werden, wenn beſoldete Kräfte neben ihnen angeſtellt werden. Ich bin gern bereit, nochmals eine Verſammlung der Waiſenpflegerinnen einzuberufen; ich bin überzeugt, daß ſie dem Antrag der Verwaltung zuſtimmen wird. (Ein Antrag auf Schluß der Beratung wird angenommen.) Berichterſtatter Stadtv. Klick (Schlußwort): Meine Herren, ich habe der ſehr ausgedehnten Debatte nichts hinzuzufügen. Ich habe nur zu ſagen, daß mir von der Ablehnung eines Antrages Stadthagen im Ausſchuſſe nichts bekannt iſt. DerHerr Oberbürgermeiſter erwähnte einen Antrag, daß die Sache bis zum Oktober vertagt und Er⸗ fahrungen geſammelt werden ſollten. Dieſer Antrag iſt meines Wiſſens im Etatsausſchuß nicht zur Ab⸗ ſtimmung gekommen, ſondern die Etatsausſchuß⸗ mitglieder haben ſich auf den Antrag Wöllmer geeinigt, in der Erwartung, daß die Sache vom Magiſtrat wohl nicht ſo ſchnell behandelt werden würde; das ging aus der Debatte, die im Etats⸗ ausſchuß gepflogen wurde, klar hervor. Stadtv. Protze (perſönliche Bemerkung): Meine Herren, ich hätte nicht zu der Sache das Wort genommen — Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch (unter⸗ brechend): Herr Kollege, zur Sache dürfen Sie das Wort überhaupt nicht mehr nehmen, ſondern nur zu einer perſönlichen Bemerkung.