Sitzung vom 9. März 1910 Stadtv. Protze (fortfahrend): Das meine ich eben, daß ich perſönlich nicht das Wort genommen hätte, wenn nicht Herr Stadtrat Samter die unerhörten Vorwürfe gegen die Waiſenpflegerinnen erhoben hätte. Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch (unter⸗ brechend): Herr Kollege, das ſind keine perſönlichen Bemerkungen. Sie haben nur das Recht, für Ihre eigene Perſon eine perſönliche Bemerkung zu machen. Stadtv. Protze (fortfahrend): Meine Herren, ich muß entſchieden die Vorwürfe, die Herr Stadt⸗ rat Samter gegen die Waiſenpflegerinnen erhoben hat, zurückweiſen. (Zuruf: Sie ſind doch keine Waiſenpflegerin! — Heiterkeit.) Vorſteher Stadtv. Dr. Hubatſch (unter⸗ brechend): Das iſt nicht perſönlich. Das geht nicht; zur Sache dürfen Sie nicht mehr ſprechen. Stadtv. Protze (fortfahrend): Meine Herren, ich bin nicht zu Wort gekommen, Sie haben es mir abgelehnt. Ich ſage: es iſt unerhört, wenn ein Dezernent (Glocke des Vorſtehers — große Unruhe) dieſe Vorwürfe gegen die ihm unterſtellten Waiſen⸗ pflegerinnen macht, (Glocke des Vorſtehers) die er nicht beweiſen kann! Das iſt unerhört! Vorſteher Stellv. Dr. Hubatſch: Das Wort „unerhört“ dürfen Sie nicht gebrauchen. Damit iſt die Sache erledigt. (Stadtv. Protze tritt mit erregten Zurufen auf Stadtrat Samter zu.) Herr Kollege, ich bitte doch, die Verhandlungen nicht zu unterbrechen. Da Widerſpruch gegen die Anträge des Etats⸗ ausſchuſſes erhoben iſt, müſſen wir beſonders über die einzelnen Anträge abſtimmen. Der Etatsausſchuß beantragt zunächſt folgende Abänderung; Ausgabe. Abſchnitt 3. Nr.7 — Unterbringung von Geiſteskranken uſw. — erhöht auf 102 000 ℳ. (Die Verſammlung beſchließt demgemäß.) Wir kommen jetzt zu dem ſtrittigen Punkt. Der Etatsausſchuß beantragt: Abſchnitt 5. Nr. 8b — Gehilfinnen zur Beaufſichtigung aller Koſtpflegekinder uſw. unter 2 Jahren 3060 ℳ — iſt zu ſtreichen. Ich bitte diejenigen, die dieſe Poſition ſtreichen wollen, die Hand zu erheben. (Geſchieht.) Das iſt die Mehrheit. 0 (Bravo!) Stadtv. Wilt (zur Geſchäſtsordnung): bezweifle, daß das die Mehrheit iſt. Ich 85 Borſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Es war die Mehrheit; die Beiſitzer haben das feſtgeſtellt. (Rufe: Es iſt bloß ein Beiſitzer da!) Die Sache iſt erledigt. Der Etatsausſchuß beantragt ſodann folgende Reſolution: Der Magiſtrat wird erſucht, die Deputation für die Waiſenpflege über die Frage der Anſtellung beſoldeter Waiſenpflegerinnen nochmals zu hören und alsdann ev. eine beſondere Vorlage zu machen. Zu dieſer Reſolution iſt ein Amendement ein⸗ gegangen, das folgendermaßen lautet: Der Magiſtrat wird erſucht, vor Ein⸗ bringung einer Vorlage betr. die Anſtellung beſoldeter Waiſenpflegerinnen auch nochmals die im Ehrenamt tätigen Waiſenpflegerinnen anzuhören. Wir ſtimmen zunächſt über das Amendement zu der Reſolution ab (Stadtv. Bollmann: Zur Geſchäftsordnung!) für den Fall, daß die Reſolution angenommen werden ſollte. Ich bitte die Herren, die den Zuſatz annehmen wollen, die Hand zu erheben. (Geſchieht. — Stadtv. Bollmann: Zur Geſchäfts⸗ ordnung!) — Während der Abſtimmung gibt es zur Ge⸗ ſchäftsordnung nicht das Wort. (Stadtv. Bollmann: Ich hatte ſchon vorher darum gebeten!) — Das iſt die Mehrheit. Nun bitte ich diejenigen Herren, die die Reſolution des Etatsausſchuſſes annehmen wollen, die Hand zu erheben. (Geſchieht.) Das iſt die große Mehrheit. Wir kommen jetzt zur Abſtimmung über die weiteren Anträge des Etatsausſchuſſes. Der Etatsausſchuß beantragt zu Nr. 10 — — (Stadtv. Bollmann: Zur Geſchäftsordnung!) — Herr Kollege Bollmann, wir kommen zu einem neuen Punkt; zur Geſchäftsordnung wünſchen Sie das Wort? Stadtv. Bollmann (zur Geſchäftsordnung): Ich hatte beantragt, die Reſolution des Etats⸗ ausſchuſſes zu ſtreichen bzw. abzulehnen. Das iſt meiner Anſicht nach der weitgehendſte Antrag. Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Das iſt kein beſonderer Antrag. Wenn die Reſolution nicht angenommen wäre, wäre Ihrem Wunſche Genüge geſchehen; ſie iſt aber angenommen worden, damit iſt der Antrag gefallen, daß ſie abgelehnt werden ſolle. Wir kommen jetzt zur Abſtimmung über die übrigen Anträge des Etatsausſchuſſes: Nr. 10 — Zur Erſtattung für Auslagen an die Armenkommiſſionsvorſteher — erhöht auf 9200 ℳ. Abſchnitt 6. Nr. 10 — Kanaliſationsgebühren — erhöht auf 321,52 ℳ. Einmalige Ausgaben. Als Abſchnitt 13 iſt einzuſtellen: Beſchaffung eines neuen Eisſchrankes für das Bürgerhaus 800 ℳ. (Die Verſammlung beſchließt demgemäß.)