94 Sitzung vom 14. März 1910 Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Freunde haben im vorigen Jahre die Anfrage an den Magiſtrat gerichtet: Wann beabſichtigt der Magiſtrat im Hinblick auf die Einführung der Wertzuwachsſteuer in Schöneberg und die vorausſichtliche Ein⸗ führung der Reichswertzuwachsſteuer der Stadtverordnetenverſammlung eine Vorlage wegen Einführung einer ſolchen Wertzuwachs⸗ ſteuer in Charlottenburg zu machen? Sie ſehen daraus, meine Herren, daß meine Freunde in ihrer großen Mehrheit ſicherlich An⸗ hänger der Reichswertzuwachsſteuer nicht nur jetzt, ſondern ſeit längerer Zeit geweſen ſind. Wir haben es bedauert, daß ſich die Verhandlungen über die Vorlage ſo lange hingezogen haben, daß wir in eine derartige Zwangslage kommen, innerhalb 24 Stunden — oder es ſind noch nicht einmal 24 Stunden, ſondern nur 12 Stunden — über eine derartig wichtige Vorlage Beſchluß zu faſſen. Es iſt gar nicht zu begreifen, daß uns nur eine Friſt von 12 Stunden — denn morgen vormittag wird der Bezirksausſchuß tagen — in einer Frage gegeben wird, die nun ſeit drei Vierteljahren ſchwebt. Daß es wirklich unmöglich geweſen ſein ſoll, die Sache einige Wochen vorher zu beendigen, kann mir und meinen Freunden durchaus nicht ein⸗ leuchten. Die Offentlichkeit erwartet ſelbſtver⸗ ſtändlich, daß bei einer derartigen Frage ein ein⸗ gehende Ausſchußberatung ſtattfindet. Nun wird man ſagen: es hat ja eine gemiſchte Deputation getagt, und aus deren eingehender Beratung iſt dieſe Vorlage herausgekommen. (Sehr richtig!) Gewiß iſt das zuzugeben. Aber trotzdem: ernennen wir heute doch einen Ausſchuß, weil von dem einen oder anderen Stadtverordneten der eine oder an⸗ dere Abänderungsvorſchlag gemacht wird, wie wir es heute gehört haben, der auch vielleicht Beachtung gefunden hat. Meine Herren, ich ſpreche durchaus nicht für meine Perſon, ich ſpreche hier für den größten Teil meiner Fraktion, ohne mich mit allen Einzelheiten meiner Ausführungen zu identifi⸗ zieren. Aber meine Freunde haben nach den ver⸗ ſchiedenſten Richtungen hin doch erhebliche Bedenten. (Unruhe. — Glocke des Vorſtehers.) Borſteher Kaufmann: Meine Herren, ich muß Sie dringend erſuchen, Ihre Privatgeſpräche außerhalb dieſes Sales zu führen. Stadtv. Dr. Stadthagen (fortfahrend): Zu⸗ nächſt richten ſich die Bedenken gegen § 2 unter e, daß die veranlagte Steuer nur niedergeſchlagen werden kann, wenn der Nachweis erbracht wird, daß den tatſächlichen Zwecken der Geſellſchaft oder des Vereins und, ſoweit Satzungen vorhanden ſind, auch den ſatzungsmäßigen Zwecken der Erwerb und die Veräußerung oder die Ver⸗ wertung von Grundſtücken fern liegt. Meine Herren, wenn eine loſe oder andere Vereini⸗ gung ſich durch den Tod eines Mitgliedes in ihrem Perſonenſtand verändert, muß danach eigentlich die Wertzuwachsſteuer erhoben werden, ſie kan n niedergeſchlagen werden. Nein, meine Herren, Die veranlagte Steuer wird nieder⸗ geſchlagen. Es mögen ja Gründe dafür geltend gemacht werden fönnen, daß man die andere Form gewählt hat; es ſcheint das ja auch der Fall zu ſein. Wenn es der Fall ſein ſollte, daß die poſitive Faſſung hier nicht möglich iſt, halte ich eine authentiſche Erklärung ſeitens des Magiſtrats für erfor⸗ derlich, daß unter allen Umſtänden ſo verfahren werden ſoll. Meine Herren, wir haben dann dieſelben Be⸗ denken, die Herr Kollege Jolenberg bereits betont hat, und die aus ſeinem Antrage hervorgehen, die Grundſteuer abzuziehen. Ich glaube, finanziell haben derartige Abzüge, was den Effekt der Wert⸗ zuwachsſteuer betrifft, für die Stadt keine ſehr große Bedeutung, wohl aber für den einzelnen, und ich möchte Sie daher bitten, derartigen Ab⸗ milderungsanträgen beizuſtimmen. Nach derſelben Richtung liegt ein Antrag vor, den wir ſtellen, in § 5 unter 1, die Hypotheken⸗ und Grundſchuldzinſen nicht nur bis zur Höhe von 4 %, ſondern 5 % in Abzug zu bringen. Meine Herren, das hat für die finanzielle Seite der Wert⸗ zuwachsſteuer natürlich ſehr geringe Bedeutung. Es hat aber direkte Verärgerung in Grundbeſitzer⸗ kreiſen hervorgerufen, wie mir von verſchiedenen Seiten mitgeteilt worden iſt, daß die Zinſen, die der betreffende Mann ſelber zahlen ſoll — und die werden heute doch faſt ausnahmslos etwa um 5% erhoben —, in der vollen Höhe nicht abgezogen werden dürfen. (Sehr richtig!) Ein weiteres Bedenken geht dahin, daß in § 7 unklar iſt, was als unbebautes Grundſtück zu gelten hat. Ebenſo haben wir gegen § 10 gewiſſe Be⸗ denken, daß bei Veräußerungen im Zwangsver⸗ ſteigerungsverfahren der bisherige Eigentümer Steuerſchuldner werden ſoll. Wir können in dieſen Punkten nicht ſofort Abänderungsvorſchläge machen; wir müſſen auch die Gründe, die zu dieſer ſpeziellen Faſſung geführt haben, anhören. Es iſt auch häufig davon geſprochen worden, daß bei Einführung der Grundwertzuwachsſteuer eine Milderung der Härten erfolgen ſoll, die durch die Umſatzſteuer in einigen Fällen herbeigeführt iſt. Nun haben wir ja eine Vorlage bekommen, Druck⸗ ſache 66, die nachher zur Beratung ſteht; ich habe aber nicht den Eindruck, daß dieſe Vorlage die Fälle, um die es ſich hier handelt, und die wir heute dis⸗ kutieren, wirklich trifft. Auch das iſt ein Moment, das gegen dieſe Vorlage ſpricht. Im übrigen verkenne ich in keiner Weiſe — und das tun auch meine Freunde in ihrer Mehrheit nicht —, daß wir uns in einer Zwangslage befinden, daß es in der Tat wichtig ſein kann, ob wir heute über die Vorlage beſchließen oder erſt nach Oſtern. Ich halte es durchaus für nicht ausgeſchloſſen, daß wir heute über eine ſolche wichtige Vorlage be⸗ ſchließen, wenn wir heute einen Ausſchuß einſetzen, der jetzt tagt und die etwa von der einen oder anderen Seite vorzubringenden Punkte in einem Neben⸗ raum erörtert, und wir nach Erledigung der übrigen Tagesordnung in der Erledigung dieſer Angelegen⸗ heit fortfahren. Alſo die Möglichteit an ſich iſt ge⸗ geben, und jedenfalls hat die Mehrheit meiner es iſt natürlich, daß ſie niedergeſchlagen werden Freunde, ſei es, daß in dieſer Weiſe verfahren wird, mu ß, und wir erlauben uns daher, den Antrag zu ſtellen: oder ſei es, daß eine eingehende Ausſchußberatung beliebt wird, beſchloſſen, Ihnen den Antrag auf